Moderne Folterknechte

Der Besuch beim Sporttherapeuten ist nicht immer Angenehm für den Hilfe suchenden Patienten. Wenn es dann einen schrei(b)enden Laufkolumnisten betrifft, schafft das Assoziationen, die auch in einem Text ihren Niederschlag finden können. Das zeigt die neue Kolumne von TV-Redakteur Rainer Neubert.

Es muss kurz nach dem Mittelalter gewesen sein. Da wechselte ein geliebter und gleichzeitig gehasster Berufsstand seinen Namen. Folterknechte nennen sich seitdem Physiotherapeuten. Es gibt auch den Berufszweig der Masseure, der Anleihen aus grauer Vorzeit nimmt.
Dass die Herren mit der Fähigkeit, punktuell intensive Schmerzen zu bereiten, auch bei den Osteopathen ihre Nachfahren haben, war mir bislang aber neu. Zumal denen der Ruf vorauseilt, mit ihrem ganzheitlichen Heilungsansatz doch eher Streicheleinheiten zu verteilen.
Dabei hätte ich es wissen müssen. Alleine der Schlingentisch in vielen Krankengymnastik-Praxen deutet mit seinen optisch deutlichen Bezügen zur mittelalterlichen Streckbank auf den wahren Ursprung dieses Berufsstandes hin. Und dass für die "peinliche Tortur" neuerer Zeit keine weiteren Folterinstrumente gebraucht werden, weiß ich spätestens, seit ich den Thomas'?schen Handgriff erlebt habe. Damit lassen sich Muskeln und Sehnen dehnen, von deren Existenz ich bislang höchstens eine vage Vorstellung hatte.
Preisfrage: Warum haben Physiotherapeuten so spitze Ellenbogen? Richtig, weil sie damit so wunderbar punktuell schwer zugängliche Muskulatur von Verspannungen lösen können. Mein Therapeut versuchte leider nicht einmal, mir durch die Preisgabe irgendeines Geständnisses vorzeitig die Befreiung vom Schmerz zu ermöglichen.
Es gibt also doch einen Unterschied zu den Folterknechten des Mittelalters: Wir unterziehen uns freiwillig Schmerzen in der Hoffnung, dass es uns danach besser geht. Hoffentlich wirkt's!

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