Mehr Kraft und Körpergefühl am Kabelzug

Saarbrücken · Ein Training am Seilzug ermöglicht dermaßen überzeugende Fortschritte, dass diese Trainingsmethode längst auch im Reha-Bereich Einzug gehalten hat. "Wer am Seilzug trainiert, kann nicht nur seine Kraft steigern, sondern auch seine koordinativen Fähigkeiten verbessern", erläutert der Sportwissenschaftler Privatdozent Dr. Michael Fröhlich von der Universität des Saarlandes.

 Wer am Kabelzug trainiert, kann sich freier bewegen als an Geräten mit exakt geführten Bewegungen. Daher ist beim Hantel- und Seilzug-Training eine professionelle Anleitung wichtig. Auf den Fotos ist die Leichtathletin Melanie Monn zu sehen.Fotos: Uwe Bellhäuser

Wer am Kabelzug trainiert, kann sich freier bewegen als an Geräten mit exakt geführten Bewegungen. Daher ist beim Hantel- und Seilzug-Training eine professionelle Anleitung wichtig. Auf den Fotos ist die Leichtathletin Melanie Monn zu sehen.Fotos: Uwe Bellhäuser

Während beim Training an Geräten die Bewegungen genau vorgegeben sind, kann sich der Sportler am Seilzug viel freier bewegen. Das birgt allerdings die Gefahr, dass Übungen nicht korrekt ausgeführt werden. "Deshalb ist im Fitnessstudio und Rehabilitationstraining eine professionelle Einweisung am Seilzug besonders wichtig", verdeutlicht Fröhlich. "Ohne Lern- und Gewöhnungsphase ist es fast unmöglich, die Übungen einwandfrei zu absolvieren." Das gilt genauso fürs Training mit Hanteln.
Um richtig einweisen zu können, muss der Trainer oder Therapeut eine entsprechende Ausbildung haben und grundlegendes Wissen zu Bewegungsabläufen und zur Anatomie mitbringen. Am Seilzug und mit freien Hanteln wird zunächst mit leichten Gewichten geübt, die 15 bis 20 Wiederholungen pro Serie zulassen. "Das ermöglicht einen optimalen Lernprozess für den Bewegungsablauf und eine störungsfreie Übungsausführung", erklärt Michael Fröhlich. "Eine einzige Einweisung reicht im Allgemeinen nicht aus. Die Lern- und Gewöhnungsphase sollte mehrere Einweisungen und Korrektureinheiten umfassen."
Beim ersten Einweisungstermin wird der Sportler durch die neuen Übungen dermaßen mit Reizen überflutet, dass er die Bewegungsmuster noch nicht optimal erlernen und abspeichern kann. Gegenüber einem Training an Geräten sind am Seilzug mehr Muskeln aktiv, um den Körper zu stabilisieren. "Dadurch ist das Risiko größer, dass es während der Übung zu unerwünschten Ausweichbewegungen kommt und sich falsche Bewegungsabläufe einschleifen", sagt der Sportwissenschaftler.
Zum einen schult das Training am Seilzug das Zusammenspiel vieler Muskeln. Bei allen Übungen ist es zum Beispiel wichtig, den Rumpf (Bauch und Rücken) anzuspannen, um dem Körper die erforderliche Stabilität zu verleihen. Zum anderen erlaubt es das Seilzuggerät, einzelne Muskeln ganz gezielt zu trainieren, beispielsweise die Brustmuskulatur, die Rückenmuskulatur, die Schultermuskulatur, die Arm- und Beinmuskulatur.
Seilzuggeräte kommen auch bei Therapie- und Rehabilitations-Maßnahmen zum Einsatz, weil alltagsnahe Bewegungen eingeübt werden können. "Und Wettkampfsportler können ganz gezielt sportartspezifische Bewegungen trainieren", erläutert Michael Fröhlich, "zum Beispiel Zugbewegungen fürs Schwimmen oder explosive Wurfbewegungen fürs Speerwerfen."
Eric Raber, Inhaber und Trainer eines Fitnesscenters, berichtet, dass gut ein Drittel der Besucher seines Studios regelmäßig auch am Seilzuggerät und mit freien Hanteln trainiert. "Noch sind 70 Prozent der Nutzer Männer, aber wir empfehlen dieses Training ausdrücklich auch für Frauen, weil es ein Ganzkörpertraining ermöglicht, welches auch das Körpergefühl und die Koordination verbessert", sagt Eric Raber. Seilzug und Hanteln sind zudem für eine weitere Gruppe von Studiobesuchern empfehlenswert: die wachsende Zahl der älteren Mitglieder, die an Prävention und Erhalt der körperlichen Leistungsfähigkeit interessiert sind. Viele dieser Neu- oder Wiedereinsteiger in den Sport waren jedoch oft jahrelang körperlich inaktiv. Eine gute Einweisung und professionelle Betreuung sind für sie umso wichtiger.
So vielfältig wie am Seilzug kann man auch mit Lang- und Kurzhanteln trainieren. "Die Langhantel ermöglicht ein Ganzkörpertraining von den Beinen bis zu den Armen", sagt Michael Fröhlich. "Man kann zum Beispiel alle Übungen machen, wie sie in der Sportart Gewichtheben üblich sind, vom Kreuzheben über Kniebeugen bis zum Stoßen." Wie der Seilzug ist auch die Langhantel für Leute zu empfehlen, die zusätzlich ihre Körperkoordination schulen wollen. "Wer mit Hanteln trainieren will, muss bereits Erfahrung mit Krafttraining haben und eine gewisse körperliche Stabilität aufweisen", macht Sportwissenschaftler Fröhlich klar.Erfahrungen eines Trainers


Auch mit Kurzhanteln ist ein Ganzkörpertraining möglich. Meist dient ein Training mit kurzen Hanteln jedoch dazu, bestimmte Muskeln isoliert zu trainieren: Bizeps, Trizeps, Schultern, Brust, Nacken. Diese Muskelpartien können an den geführten Maschinen nur in Maßen gezielt trainiert werden.
Anfänger machen beim Seilzug- und Hanteltraining oft den Fehler, mit zu hohen Gewichten zu beginnen. "Es kommt dadurch zwangsläufig zu Ausweichbewegungen, und die Bewegungsabläufe schleifen sich nicht korrekt ein", sagt Michael Fröhlich. Der Experte empfiehlt zu Beginn ein sogenanntes Kraftausdauertraining. Dazu werden die Gewichte so gewählt, dass pro Serie 15 bis 20 Wiederholungen möglich sind. Pro Übung werden im Training drei Serien absolviert. Pro Woche sollte man zwei bis drei Trainingseinheiten einplanen.
"Das Kraftausdauertraining zielt nicht auf einen Muskelzuwachs ab, sondern soll die vorhandene Muskulatur optimal aktivieren, leistungsfähiger und ausdauernder machen. Zudem verbessern sich die Sauerstoff- und Energieversorgung des Muskels", erläutert Fröhlich. "Das Kraftausdauertraining ist für Anfänger und Wiedereinsteiger zumindest in den ersten sechs bis acht Wochen die beste Wahl."Wohl kaum einer übt zu Hause

 Die Power Plate steigert beim Krafttraining durch Vibrationen die Muskelkontraktionen.

Die Power Plate steigert beim Krafttraining durch Vibrationen die Muskelkontraktionen.

 Beim Seilzug-Training an der Power Plate wird durch die feinen Schwingungen der vibrierenden Plattform die Muskulatur völlig ausbelastet.

Beim Seilzug-Training an der Power Plate wird durch die feinen Schwingungen der vibrierenden Plattform die Muskulatur völlig ausbelastet.


Wer sich mehr Muskeln wünscht, kann danach zum sogenannten Kraftaufbautraining wechseln. Dabei wird mit höheren Gewichten, aber geringeren Wiederholungszahlen pro Serie trainiert. "Acht bis zwölf Wiederholungen pro Serie bringen die besten Ergebnisse", betont der Experte. "Wenn am Ende einer jeden Serie der trainierte Muskel spürbar brennt, ist man auf dem richtigen Weg."
Ein Hanteltraining ist auch für zu Hause gut geeignet. Auch hier führen zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche mit drei Serien und jeweils sechs bis acht Übungen pro Serie zum Erfolg. Doch ein solches Heimtraining durchzuhalten, erfordert viel Disziplin und Motivation. Untersuchungen haben gezeigt, dass 70 Prozent der Fahrradergometer, die zu Weihnachten unterm Baum stehen, bereits ab Februar nur noch als Kleiderständer genutzt werden. Ein ähnliches Schicksal ist wohl den Hanteln bestimmt, die fürs Heimtraining angeschafft werden. Dennoch gehen bei Discountern wie Lidl und Aldi solche Hanteln ruck, zuck weg, sobald sie im Angebot sind.
Eric Raber bietet im Fitnessstudio auch ein Seilzugtraining an der Power Plate an. Es handelt sich um eine vibrierende Plattform, die mit feinen Schwingungen die Muskelkontraktionen beim Krafttraining noch steigert. Laut wissenschaftlichen Studien arbeiten beim Training auf einer Vibrationsplatte nicht nur mehr Muskelfasern zur gleichen Zeit zusammen, sondern sie ziehen sich auch stärker zusammen. "Dadurch wird der Muskel in kurzer Zeit fast komplett ausbelastet und effektiver trainiert", erläutert Eric Raber. Ein Seilzugtraining an der Power Plate ist auch für Frauen interessant, weil die Muskeln nicht dicker werden, "aber bis zu 20 Prozent mehr Kraft entwickeln", sagt Raber.

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