Neuer Knorpel fürs kaputte Knie

Knorpelschäden im Kniegelenk nach Unfällen und Sportverletzungen können heute erfolgreich repariert werden, zumindest bei jungen Betroffenen.

 Der Orthopäde Dr. Roland Kuppig betrachtet die im Kernspintomographen gemachten Aufnahmen eines Kniegelenks. Foto: Uwe Bellhäuser

Der Orthopäde Dr. Roland Kuppig betrachtet die im Kernspintomographen gemachten Aufnahmen eines Kniegelenks. Foto: Uwe Bellhäuser

Eine moderne Behandlungsmethode wenden immer mehr Orthopäden an, die hauptsächlich in Kliniken arbeiten. Sie transplantieren Knorpelzellen, die aus körpereigenen (autologen) Knorpelstückchen des Patienten gezüchtet werden.

Damit im Kniegelenk die Enden des Oberschenkelknochens und des Schienbeinknochens nahezu reibungslos aufeinanderrollen und -gleiten können, sind diese Gelenkflächen mit einer Knorpelschicht überzogen. Es handelt sich um ein zellarmes Gewebe, das nur minimal oder gar nicht durchblutet ist.

Damit der Knorpel geschmeidig bleibt, muss er ständig geschmiert und ernährt werden. Die Schmiere produziert die Gelenkhaut (Schleimhaut). Sie bildet die Innenseite der Gelenkkapsel, die wie eine Art Bandage das Gelenk umschließt. Wird der Knorpel nicht ausreichend mit der nährstoffhaltigen Gelenkflüssigkeit benetzt, werden die Gelenkoberflächen anfälliger für Verletzungen oder Verschleiß.

Bei einem Sportunfall, zum Beispiel einem Foul im Fußballspiel, oder bei einer falschen Bewegung im Alltag kann der Knorpel im Knie beschädigt werden. Dabei löst sich manchmal ein ganzes Knorpelstück heraus. Auch eine häufige Überbeanspruchung kann einen Knorpelschaden verursachen. Geschädigter Knorpel wächst nicht mehr nach.

Kein Schmerz zu spüren



Bei einem oberflächlichen Schaden spüren betroffene Patienten zunächst nichts oder nur wenig. Denn das Knorpelgewebe ist nicht schmerzempfindlich. Erst wenn der Knorpel weiter abgerieben wird, treten Reizungen, Schwellungen und Gelenkergüsse auf. Solche Probleme durch größere Knorpelschäden können zumindest jungen Patienten erspart bleiben. Ihnen kann eine Knorpeltransplantation helfen.

Ein modernes Operationsverfahren wendet auch der Saarbrücker Orthopäde Dr. Roland Kuppig an. Bei einem Knorpelschaden entnimmt er aus einem gesunden, weniger belasteten Bereich des betroffenen Kniegelenks zwei kleine Knorpel-Knochenzylinder, jeweils zwei bis drei Millimeter im Durchmesser. Zudem "zapft" er dem Patienten ein wenig Blut ab, von dem der flüssige Anteil - das sogenannte Serum - abgetrennt wird. Darin werden die Knorpelzellen vermehrt.

Der entnommene Knorpel kommt in ein kleines Röhrchen, das in einem gekühlten Behälter zusammen mit dem Serum zur Berliner Biopharma-Firma co.don geschickt wird. Für den Versand gelten die strengen Richtlinien für Organ-Transporte. In einem spezialisierten Zellkulturlabor vermehren die Berliner Experten die Knorpelzellen des Patienten in dessen eigenen Serum zwei bis vier Wochen lang. Das fertige Knorpeltransplantat in Form winziger Kügelchen wird zum Operateur geschickt. Der gezüchtete Knorpel kommt als weiche, klitschige Masse in einer Lösung zurück.

Da für Transplantationen strenge Regeln gelten, wird das lädierte Knie nicht in der Arztpraxis, sondern in der Klinik operiert. Mit einem kleinen Schnitt, einer Mini-Arthrotomie, wird das Knie geöffnet. Der Arzt hat den neuen Knorpel auf ein Löffelchen gehäuft und verteilt ihn gleichmäßig mit einer Pinzette vorsichtig auf die defekte Stelle. "Die frischen Knorpelzellen breiten sich aus, ähnlich wie Spiegeleier in der Pfanne", erklärt Matthias Meißner von der Medizinfirma co.don. Da sich an der Oberfläche der gezüchteten Knorpelzellen kleinste, klebrige Eiweiße befinden, sogenannte Klebeproteine, haften die Knorpelzellen aneinander, sobald sie sich berühren. Den Knorpel auf den Defekt gleichmäßig zu verteilen, erfordert daher viel Geschick. Die Wunde wird danach sofort wieder verschlossen.

"Die transplantierten Knorpelzellen finden Anschluss zueinander und fangen an, zu wachsen und sich zu vermehren", erläutert Roland Kuppig. So bildet sich auf natürliche Weise neues Knorpelgewebe. Es verbindet sich mit dem noch vorhandenen gesunden Knorpel im Knie. Sobald die transplantierten und sich vermehrenden Knorpelzellen an die Ränder des Defektes stoßen und von oben den Druck spüren, der auf sie einwirkt, wenn der Patient sein Kniegelenk bewegt, schließen sie ihr Wachstum ab. Das Ergebnis ist ein reparierter Knorpel mit glatter Oberfläche, der fast so belastbar ist wie der ursprüngliche körpereigene Knorpel.

Die Patienten sind in der Regel wieder schmerzfrei und können das Kniegelenk ohne Einschränkung bewegen. Bis es soweit ist, muss der Patient jedoch im Rahmen eines strengen Rehabilitationsprogramms, das sich über ein Jahr erstreckt, mitarbeiten.

Um Knorpel entnehmen und gezüchtetes Gewebe transplantieren zu können, benötigen die Ärzte eine Zulassung zur Herstellung von Arzneimitteln. Zudem brauchen die Orthopäden eine Genehmigung der Kostenträger, solche aufwändigen Operationen durchführen zu dürfen. Meist müssen die Krankenkassen in jedem einzelnen Fall einer Transplantation zustimmen, denn für die Genehmigung und Durchführung sowie für die Nachbehandlung gelten strenge Regeln.

Erfahrungen als Profisportler

 Diese weichen Kügelchen sind gezüchteter Knorpel. Foto: co.don

Diese weichen Kügelchen sind gezüchteter Knorpel. Foto: co.don



Um das operierte Knie zu stabilisieren, zählt Krafttraining zum Rehabilitationsprogramm. Ein regelmäßiges Muskel- und Koordinationstraining sei auch ein guter Schutz vor Verletzungen, betont Roland Kuppig. Im Spitzensport habe sich diese Erkenntnis inzwischen durchgesetzt, im Breitensport aber noch nicht flächendeckend, bedauert der Orthopäde. Immerhin hatte die Fußball-Nationalmannschaft unter Jürgen Klinsmann öffentlich vorgeführt, wie ein Fitness-Training gestaltet werden soll, das Sportverletzungen vorbeugt.

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