Medaillenlose Leichtathletik-Weltmeisterschaft WM-Nullnummer! Und die Leichtathletik in der Region?
Trier · „Wir wollen es besser machen!“, sagt Anna-Sophie Schmitt und verbreitet damit Aufbruchsstimmung. Was Leichtathleten, Trainer und Funktionäre aus der Region Trier zum medaillenlosen WM-Abschneiden sagen und wie sie die Lage der Leichtathletik in der Region beurteilen.
Keine Medaille bei den Weltmeisterschaften in Budapest! Die Leichtathletik liegt am Boden – oder doch nicht? Wir haben uns in der Region bei Sportlern und Trainern umgehört und auch den für den Leistungssport zuständigen Verbandsfunktionär gefragt, wie sie die Auswirkungen der WM-Nullnummer und die Situation vor Ort einschätzen.
Die Athleten:
Von der medaillenlosen WM runterziehen lassen? Auf keinen Fall, sagt Sven Anton: „Es ist eher so, dass es mir noch einmal Extramotivation gibt, noch mehr Gas zu geben“, sagt der beste Diskuswerfer der Region. Zwar werde er wohl nicht zu denjenigen gehören, die irgendwann internationale Medaillen für Deutschland gewinnen können, sagt der 21-Jährige von der LG Bernkastel-Wittlich, „aber man will irgendwie alles reinlegen, dass es so ein peinliches Ergebnis nicht noch einmal gibt.“ Es sei eine Art moralische Verpflichtung, mit daran zu arbeiten, dass das Leistungsniveau insgesamt steigt.
Das Nationaltrikot schon einmal getragen hat Hochspringerin Anna-Sophie Schmitt. Auch die Junioren-Weltmeisterschaftsteilnehmerin aus Salmtal-Dörbach fühlt sich durch die WM-Nullnummer eher motiviert: „Wir wollen es besser machen!“ Schmitt glaubt jedoch, dass die Voraussetzungen, in die nationale oder gar internationale Spitze vorzudringen, zumindest in ihrer Disziplin in der Region nicht gegeben sind. „Ich denke, wenn ich nicht nach Saarbrücken gewechselt wäre, wäre ich jetzt nicht da, wo ich jetzt stehe“, sagt die Deutsche Hochsprung-Vizemeisterin der Frauen, die sich in diesem Jahr auf 1,84 Meter verbesserte. Der Wechsel ans Sportinternat im Saarland, zum SV Go! Saar 05 und zu Trainer Lars Albert mit 16 Jahren waren entscheidend für die Leistungsentwicklung. „Schule und Leistungstraining miteinander zu vereinbaren, ist ab der Oberstufe schwierig, wenn man teilweise bis 17 Uhr in der Schule ist“, verdeutlicht die 19-Jährige, die in Köln Sport studieren will. Am Sportgymnasium im Saarland habe sie zwar ein halbes Jahr länger bis zum Abitur gebraucht, aber bis zu zehn Wochenstunden weniger Unterricht gehabt.
Die Frage, weshalb die deutschen Leichtathleten keine Medaillen gewinnen, stellte sich Jan Gerth bereits, als er die Weltmeisterschaft in Budapest mit zwei nicht Leichtathletik treibenden Freunden live verfolgte. „Das ist schon schade, wenn man bedenkt, dass Deutschland eine Leichtathletik-Nation war“, sagt der 18-Jährige bewusst in der Vergangenheit. Mit Erfolgen könnte man mehr Menschen für die Leichtathletik begeistern und so Talente entdecken, die wieder Erfolge erzielen könnten. „Ein Teufelskreis“, sagt Gerth. Als ambitionierter Läufer fühlt sich der U 20-DM-Teilnehmer „gedämpft“. Weniger durch die WM, aber was die Möglichkeiten betrifft, in Deutschland im Sport weiterzukommen: „Man sieht, dass man schnell an Grenzen stößt. Das ist keine gute Perspektive.“
Die Trainer:
Für Yannik Duppich vom Verein Silvesterlauf Trier sind die immer weiter verschärften Meisterschafts- und Kadernormen zumindest indirekt eine Auswirkung des deutschen WM-Abschneidens schon im vergangenen Jahr in Eugene. Sein Schützling Samuel Fitwi hat am Sonntag beim Berlin-Marathon die Bundeskadernorm erreicht. Die sogenannte Perspektivkadernorm liegt mittlerweile bei 2:08:50 Stunden (zuvor 2:11:00 Stunden; Fitwi schraubte den Rheinland-Pfalz-Rekord um fast vier Minuten auf 2:08:28 Stunden). Der Kaderstatus, wichtig für die Finanzierung beispielsweise über die Deutsche Sporthilfe, sollte damit für den 27-Jährigen gesichert sein.
„Schlimmer ist es für Benni“, sagt Duppich zu Benjamin Dern und erklärt: Der Deutsche U 23-Meister lief im Mai 5000 Meter in 14:05,78 Minuten. Zum damaligen Zeitpunkt war man der Ansicht, dass das reichen würde, damit der 20-Jährige im Bundeskader verbleibt. Dann wurde die Kadernorm aber von 14:06 Minuten auf 13:55 Minuten verschärft. Planbarkeit sieht anders aus.
Dern hat laut Duppich aber Glück: „Er hat den Silvesterlauf-Verein und seinen Ausrüster ON, die ihn unterstützen. Sonst ist bei vielen, die studieren, ja die Frage: Kann ich weiter Leistungssport treiben oder muss ich einen Mini-Job annehmen, um über die Runden zu kommen?“, erklärt Duppich. Das Problem aus seiner Sicht: „Bei den Junioren, in der U 18 und U 20, sind wir gut, aber wir schaffen den Transfer zu den Aktiven nicht.“
Wie gut der deutsche Nachwuchs ist, hat Marc Kowalinski als Bundestrainer für den männlichen U 20-Langstreckennachwuchs bei der U 20-Europameisterschaft in Jerusalem vor wenigen Wochen vor Ort mitverfolgen können. „Im Jugendbereich läuft es gut“, sagt der ehemalige Deutsche 1500-Meter-Vizemeister. Direkt zum Abschneiden der DLV-Elite bei den Weltmeisterschaften in Budapest möchte sich Kowalinski nicht äußern. Für die Zukunft ist er aber optimistisch: „Es gab nur eine U 20-EM, die je besser lief. Auf diese Generation muss man nun das Augenmerk legen und nach vorne schauen – auf 2028.“
Als Lauf-Trainer beim Post-Sportverein Trier ist Kowalinski auch weiterhin täglich ganz nah dran an der Basis in der Region. „Wir sind hier auf einem guten Weg. Wir haben gesunde Vereine und sind hier in Trier in einem guten Austausch mit den Schulen“, so seine Einschätzung der Leichtathletikszene an Mosel und Saar, in Eifel und Hunsrück. „Die SWT-Schullaufmeisterschaften und der SWT-Kids-Cup sind Möglichkeiten, Talente zu entdecken. Das ist auch in anderen Teilen der Region möglich. Jörg Klein macht etwas Ähnliches ja auch im Kreis Bernkastel-Wittlich“, berichtet Kowalinski.
Insgesamt sehe er aber noch Luft nach oben. Talente seien immer noch zu oft „Einzel-Glücksfälle“. Er plädiert dafür, in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz die Leistungsnester vor Ort zu stärken: „Es kann und will nicht jeder nach Mainz. Wir müssen uns in den einzelnen Regionen noch mehr positionieren.“ Auch verstärkte Kooperationen über Vereins- und Ländergrenzen hinweg hält der 45-Jährige für hilfreich. So arbeitet Kowalinski beispielsweise mit Aline Zaar vom saarländischen Leichtathletik-Verband zusammen. „Wir können noch mehr“, glaubt Kowalinski.
„Ich denke, das WM-Abschneiden des DLV wirkt sich nicht auf die Motivation unserer Nachwuchsathleten aus, zumindest nicht auf diejenigen, die regional aktiv sind. Bei den Jugendlichen, die aufgrund Ihres Talentes schon nah am Hochleistungsbereich sind und überlegen, voll auf den Sport zu setzen, sieht das anders aus“, sieht Wolfgang Baum vom SFG Bernkastel-Kues keine direkten Auswirkungen der WM auf die Nachwuchsgewinnung. Das Problem sitzt tiefer: „Da die Leichtathletik im Fernsehen praktisch nur bei Großevents präsent ist, kennen viele Kids kaum deutsche Leichtathletik-Stars. Sie laufen auch bei uns im Training mit Trikots der Fußballstars rum, von denen man aus den Medien soviel mehr weiß.“ Der Andrang auf die Nachwuchsgruppen beim SFG ist allerdings ungebrochen.
Der Funktionär:
International präsent wie selten zuvor war der kleine Leichtathletik-Landesverband Rheinland (LVR) in den vergangenen Jahren. Mit Olivia Gürth aus Diez kommt die Bahnlangstrecklerin des DLV bei der WM aus dem LVR. „Mit dem Ergebnis von Olivia sind wir natürlich sehr zufrieden“, sagt der LVR-Leistungssport-Vizepräsident Klaus-Dieter Welker über die WM-14. im 3000-Meter-Hindernislauf. Mit Majtie Kolberg (Ahrweiler) schrammte die 800-Meter-Landesrekordlerin nur knapp am Finale der besten Acht vorbei. Auch die aus Konz stammende Sprinterin Sophia Junk (LG Rhein-Wied), die sich bei der DM verletzte, solle man nicht abschreiben, sagt Welker. Und dann sind da noch Samuel Fitwi, Benjamin Dern und natürlich Hindernislauf-Ass Gesa Krause (alle Silvesterlauf Trier). „Ich bin der Überzeugung, wir sind sehr gut aufgestellt“, sagt Welker. Direkte Auswirkungen der WM-Nullnummer auf den LVR sieht er erst einmal nicht. Welker blickt eher auf die für den Bundeshaushalt angekündigte Mittelkürzung für den Sport. „Meine Hoffnung ist, dass der Status quo doch noch erhalten bleibt.“
Um finanzielle Mittel geht es auch immer bei hauptamtlichen Trainern. Die werden zunehmend wichtiger, weil es immer weniger Ehrenamtliche gibt, die sich engagieren (können). Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Trainer gerade im Spitzenbereich. Mit der Entwicklung in Rheinland-Pfalz mit mittlerweile vier hauptamtlichen Landestrainern für die Leichtathletik ist Welker zufrieden: „Vor zweieinhalb Jahren hatten wir nichts!“