Beben an der DFB-Spitze Umfrage: Was Club- und Spielkreis-Vertreter in der Region Trier fordern

Region · Wie soll sich der Deutsche Fußball-Bund neu aufstellen? Der TV hat Stimmen an der Basis in der Region Trier eingefangen.

 Fritz Keller, Friedrich Curtius, Rainer Koch und Stephan Osnabrügge (oben, von links) sind beim DFB demnächst Geschichte. Wer rückt stattdessen in die Führungsriege des Verbands?

Fritz Keller, Friedrich Curtius, Rainer Koch und Stephan Osnabrügge (oben, von links) sind beim DFB demnächst Geschichte. Wer rückt stattdessen in die Führungsriege des Verbands?

Foto: dpa/Boris Roessler

Es hatte sich abgezeichnet, nun wird der Weg mehr oder weniger schnell frei für eine komplette neue Führungsriege im Deutschen Fußball-Bund (DFB). Präsident Fritz Keller, der sich am heutigen Freitag wegen seines Nazi-Vergleichs vor dem Sportgericht verantworten muss, soll am Montag seinen Rücktritt erklären. Mit Generalsekretär Friedrich Curtius wird über eine Vertragsauflösung verhandelt. Vizepräsident Rainer Koch, der nun erneut übergangsweise gemeinsam mit Peter Peters den DFB führen wird, und Schatzmeister Stephan Osnabrügge werden beim kommenden Bundestag, der auf Anfang 2022 vorgezogen werden soll, nicht mehr zur Wiederwahl antreten.

Das Trio und Keller hatten sich zuletzt einen folgenschweren Streit geliefert, der darin gegipfelt war, dass der DFB-Präsident seinen Vize Koch als „Freisler“ bezeichnet hatte. Ein Vergleich also mit Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Nationalsozialismus.

Hans-Peter Dellwing, Vorsitzender des Fußballkreises Trier-Saarburg, erachtet den kompletten Schnitt an der DFB-Spitze als „erforderlich“ – er hätte sich aber noch mehr Konsequenz gewünscht: „Rainer Koch und Stephan Osnabrügge hätten auch direkt aufhören sollen.“

Oliver Esch, Vorsitzender des SV Konz, hofft, dass es keine Rückzieher von den Rückziehern gibt: „Nach all den Unruhen in den letzten Jahren ist es mehr als notwendig, endlich einen personellen Neuanfang einzuleiten. Um jedoch einen kompletten Neustart zu beginnen, muss jede Person, ohne Ausnahmen, zurücktreten. Ansonsten, denke ich, ist das wieder nur halbherzig und führt zu keinen Veränderungen.“

Koch ist als DFB-Vizepräsident für Amateurfußball und Angelegenheiten der Regional- und Landesverbände eigentlich DER Vertreter für die Clubs an der Basis. Doch Dellwing sagt: „Er hat sich zu weit von der Basis entfernt. Es braucht wieder ein besseres Sprachrohr für die Amateure.“

Je schneller der DFB zur Ruhe und zur Sacharbeit zurückkehre – umso besser. Dellwing: „Wir haben es im Amateurfußball angesichts der Corona-Krise schon schwer genug. Wenn der Dachverband sowohl nach innen als auch nach außen dann auch noch über Monate hinweg ein schlechtes Bild abgibt, ist das kontraproduktiv.“ Auch aus Sicht von Walter Kirsten, Chef des Fußballkreises Mosel, wird es dringend Zeit, dass der Verband wieder in ruhiges Fahrwasser kommt: „Dass es binnen der vergangenen 20 Jahre fünf DFB-Präsidenten gab, spricht Bände.“

Esch ärgert es, dass zu viele persönliche Interessen in die Öffentlichkeit geraten sind: „Fußball ist ein Teamsport. Wenn dies nicht von oben herab gelebt wird und kein Zusammenhalt vorhanden ist, ist es schwer, sowas von anderen – wie zum Beispiel den Vereinen – zu verlangen.“

Mit Keller, der Ende September 2019 das Amt des DFB-Präsidenten angetreten hatte, waren große Erwartungen verknüpft. Als jemand, der nicht aus dem Verbands-Establishment kommt, stand er für Erneuerung und den Willen, für Transparenz und Aufklärung im verkrusteten DFB zu sorgen. Früh ist er auf diesem Weg gescheitert. „Ich dachte schon, dass er es schafft, für Ordnung zu sorgen. Doch das scheint angesichts der vorherrschenden Strukturen schwieriger zu sein als gedacht“, sagt Dellwing.

Ähnlich sieht es der Vorsitzende des Fußballkreises Eifel, Walfried Hacken: „Der unsägliche Freisler-Vergleich hat das Fass lediglich zum Überlaufen gebracht. Es hat zwischen den handelnden Personen ja schon länger gebrodelt.“

Der ehemalige Fifa-Schiedsrichter Dellwing erinnert sich ein bisschen wehmütig an die Zeit zurück, in der er vor 25 Jahren seine aktive Karriere als Referee beendet hat. „Damals hatten im DFB nur wenige Leute etwas zu sagen. Heute gibt es viel mehr Verantwortliche. Leider gilt dabei das Motto: ,Viele Köche verderben den Brei‘.“

Ein Gezerre um Zuständigkeiten und fortwährende Querelen bilden für ihn keine gute Mischung: „Aus meiner Sicht gibt es zu viele persönliche Befindlichkeiten. Da gönnt keiner dem anderen etwas.“ Unheilvolle Machenschaften und Eitelkeiten in der Führungsriege sind auch für Achim Welgen, Vorstandsmitglied im FC Bischofsdhron und in der SG Baldenau, ein Hauptgrund für die aktuellen Verwerfungen.

Wer soll nun das neue Gesicht an der DFB-Spitze werden? Bekannte Namen werden in den Ring geworfen. Etwa Karl-Heinz Rummenigge oder Philipp Lahm. Walfried Hacken hat seine Zweifel, ob ein Promi-Status unbedingt hilfreich bei der Ausübung des Jobs ist. Aus Sicht von Dellwing braucht es eine „starke Persönlichkeit, die komplett unabhängig ist“. Konkret vor Augen habe er keinen Kandidaten. „Doch vom Typ her wäre einer wie Uli Hoeneß nicht schlecht. Er hat den FC Bayern München zu einem der weltweit am besten geführten Vereine gemacht.“

Dellwing kann sich aber auch sehr gut eine Frau an der DFB-Spitze vorstellen – etwa die Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk: „Sie kommt aus dem Sport und hat ja – zumindest für eine Übergangszeit – auch schon ein grundsätzliches Interesse bekundet. Neben ihrem fachlichen Wissen könnte sie auch für andere Umgangsformen und eine andere Kultur sorgen. Vielleicht gäbe es mit ihr mehr Zurückhaltung in den DFB-Gremien.“

Oliver Esch hält an Plädoyer aufs Ehrenamt: „Das Ehrenamt muss vorgelebt werden. Jeder Verein besteht aus so vielen ehrenamtlichen Helfern. Es ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr, und es wird auch immer schwieriger, ehrenamtliche Mitglieder zu finden. Dementsprechend würde ich mir wünschen, ein ehrenamtliches Team aufzustellen, welches sich darauf konzentriert, für ganz Deutschland Entscheidungen zu treffen.“

Welgen sieht durch den Abtritt aller relevanten Personen an der Spitze nun eine große Chance, den DFB neu auszurichten. Doch es müsse einen klaren Plan geben: „Zunächst braucht es Absprachen über das künftige Konzept und Strategien. Dann muss sich ein Team finden, das zusammenpasst. Das ist nicht anders als in einem kleinen Fußballverein. Als ich einst Vorsitzender geworden bin, habe ich auch im Vorfeld geschaut, mit wem ich gut zusammenarbeiten kann. Wer passt als Finanzfachmann, wer als Fußball-Obmann? Wichtig ist: Die Chemie zwischen den künftigen neuen Führungskräften muss passen!“

Unabhängig von Personalien ist für Mosel-Chef Kirsten der Schlüssel zum Erfolg, endlich den Machtkampf zwischen der Deutschen Fußball-Liga als Interessenvertretung der 36 Profi-Clubs der ersten und zweiten Liga und dem DFB zu beenden. Damit spricht er eine zuletzt zunehmende Entfremdung zwischen den Amateuren und dem Profifußball an. Statt Vorwürfen müssten wieder Verständigung und Unterstützung Einzug halten. Kirsten: „Wenn man das nicht in den Griff bekommt, wird’s schwierig.“ Bis zum nächsten DFB-Bundestag Anfang 2022 müssten die Gräben nachhaltig zugeschüttet werden.

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