Fußball Pferdelunge, Publikumsliebling, kleiner Rebell: Erwin Hermandung wird 75

Hückelhoven/Trier · Der Defensivallrounder, zwischen 1977 und 1981 für Eintracht Trier in der zweiten Bundesliga am Ball, feiert an diesem Sonntag Geburtstag. Der TV hat mit ihm in dessen Heimat Hückelhoven im Archiv gestöbert. 

 Als Publikumsliebling der Eintracht bekam Erwin Hermandung mehrere Pokale überreicht.  Foto: Mirko Blahak

Als Publikumsliebling der Eintracht bekam Erwin Hermandung mehrere Pokale überreicht. Foto: Mirko Blahak

Foto: TV/Mirko Blahak

Im weißen Wandschrank des  Kellerraums in seinem Haus in Hückelhoven-Baal  in der Nähe von Aachen biegen sich die Regalbretter bedenklich nach unten. In seiner langen Fußballer-Karriere ist eine Menge zusammengekommen. Medaillen, Trikots, Fotos, Zeitungsartikel – alles fein säuberlich archiviert in Boxen, Alben und Din-A-4-Schulheften.

Auf der Suche nach einem speziellen Jersey muss sich Erwin Hermandung mächtig bücken. Doch dann hat er es – das blaue Shirt aus seiner Zeit bei Eintracht Trier vor rund 40 Jahren.

An den Wänden hängen Bilder, Gemälde und Poster von seinen wichtigsten Stationen als Fußballer: Alemannia Aachen, Hertha BSC – und eben Eintracht Trier. Zwischen 1977 und 1981 stand er beim SVE im Herbst seiner Karriere unter Vertrag. Vier Jahre beim Zweitligisten, in denen er vier Mal vom Publikum zum beliebtesten Spieler gewählt wurde. Davon zeugen zwei vom Autohof Görgen gestiftete Pokale, die im Keller auf einem kleinen Wagen stehen. „Die Trophäe für die Saison 1979/80 habe ich damals von Fritz Walter überreicht bekommen“, erinnert sich Hermandung nicht ohne Stolz. Beim Blick auf das alte Mannschaftsfoto der Eintracht kann Hermandung fast alle Spieler-Namen wie aus der Pistole geschossen nennen.

 Sehr gefreut hat sich Hermandung über das Geschenk des TV zu seinem 75. Geburtstag – drei alte Wimpel von Eintracht Trier (überreicht von TV-Redakteur Mirko Blahak). Ein Dank geht an dieser Stelle an Hans Wrobel aus Schweich, der die Wimpel beim Aufräumen des Kellers fand und sie dem TV übergab.  Foto: privat

Sehr gefreut hat sich Hermandung über das Geschenk des TV zu seinem 75. Geburtstag – drei alte Wimpel von Eintracht Trier (überreicht von TV-Redakteur Mirko Blahak). Ein Dank geht an dieser Stelle an Hans Wrobel aus Schweich, der die Wimpel beim Aufräumen des Kellers fand und sie dem TV übergab. Foto: privat

Foto: TV/Mirko Blahak

Eine Etage höher, im Esszimmer seines 1976 fertiggestellten Hauses, wurde einst der Vertrag mit der Eintracht unterschrieben. Hermandung erinnert sich: „Aus Trier kamen der SVE-Boss Michael Bloeck – mit Frau und Sohn – sowie Präsidiumskollege Herbert Bausch angereist. Morgens war ich noch wegen eines Nasenbeinbruchs operiert worden. Ich konnte nicht viel reden und war noch ein bisschen benommen. Aber ich war mit allem einverstanden.“ Von Hertha BSC ging’s an die Mosel – für eine Ablösesumme von 50 000 D-Mark.

„Als ich dann bei der Eintracht loslegte, dachte ich zuerst: ,Wo bin ich denn hier gelandet?‘ Die Verteidiger haben alle falsch gedeckt“, blickt Hermandung zurück. Unter dem damaligen Trainer Hans-Dieter Roos begann er im Mittelfeld,  doch schnell wechselte er in die Verteidigung. „Da habe ich mich sehr gut mit Michael Veit verstanden. Wenn ich nach vorne ging, blieb er zur Absicherung hinten.“

 Ein Fan hätte ihn gerne als Nationalspieler gesehen – und hat deshalb eine Fotomontage angefertigt.

Ein Fan hätte ihn gerne als Nationalspieler gesehen – und hat deshalb eine Fotomontage angefertigt.

Foto: TV/Mirko Blahak

Als Roos entlassen wurde, rückte Lothar Kleim auf den Trainerposten. Hermandung: „Er wollte am zweiten Tag, dass ich ihm aufschreibe, wie ich die Mannschaft aufstellen würde. Das habe ich nicht gemacht. Ich habe ihm gesagt: ,Sie sind der Trainer!‘“

Auch mit Coach Werner Kern, zwischen 1979 und 1981 beim SVE am Ruder, eckte Hermandung zuweilen an. „Ich war Kapitän, und er war viel jünger als ich. Als er uns in einem Trainingslager mal Bleiwesten gab, habe ich meine vor ihm hingeworfen und gesagt: ,Die ziehe ich nicht an!‘“

 In Din-A-4-Schulheften hat Erwin Hermandung sämtliche Zeitungsartikel zu Spielen seiner Karriere archiviert.  Foto: Mirko Blahak

In Din-A-4-Schulheften hat Erwin Hermandung sämtliche Zeitungsartikel zu Spielen seiner Karriere archiviert. Foto: Mirko Blahak

Foto: TV/Mirko Blahak

Bei der Eintracht genoss Hermandung als Routinier jenseits der 30 manche Privilegien. Um zu Hause länger bei seiner Familie sein zu können, fuhr er nach den Wochenenden immer erst dienstags nach Trier: „Montags habe ich individuell trainiert.“ Hermandungs Verdienst liest sich für damalige Verhältnisse auch nicht so schlecht: 3000 D-Mark Grundgehalt plus Prämien. Dazu eine möblierte Wohnung in der Straße ,Am Weidengraben‘.

Anfangs schien gar nicht klar, dass Hermandung eine längere Zeit an der Mosel bleiben wird. Nachdem er in Trier unterschrieben hatte, wollte ihn auch der FC Bayern (seinerzeit trainiert von Dettmar Cramer) haben. „Das Trierer Publikum rief schon, ich hätte eine Lederhose an“, sagt Hermandung. Doch ein Wechsel zerschlug sich – die Fans waren schnell besänftigt.

Zu den Höhepunkten in seiner Trierer Zeit gehörten die DFB-Pokalspiele beim FC Bayern (mit Sepp Maier, Uli Hoeneß, Gerd Müller), gegen den 1. FC Kaiserslautern und Fortuna Düsseldorf sowie ein wichtiges Meisterschaftsspiel gegen Ende der Saison 1978/79, als Hermandung gegen den SC Freiburg per Elfmeter zum entscheidenden 1:0 traf.

Anders als andere Weggefährten wäre er auch heute noch gerne Fußball-Profi – allem Druck zum Trotz: „Es heißt immer, das Spiel sei gegenwärtig viel schneller als damals. Das sehe ich nicht so. Wir sind auch viel gerannt. Zu meiner Berliner Zeit nannte man mich ,Pferdelunge‘.“

Nach dem Verpassen der eingleisigen zweiten Liga 1981 wechselte Hermandung noch für ein Jahr nach Bayreuth – ein großer Fehler, wie er heute sagt: „Ich hätte vorschlagen sollen, als Spielertrainer bei der Eintracht zu bleiben. Ich habe es leider nicht gemacht. Dabei wollte ich mich in Trier niederlassen und eine Gebäudereinigungs-Firma aufbauen.“

Im Trierer Moselstadion war Hermandung letztmals bei einem DFB-Pokalspiel. Kontakt hält er zu Alfons Jochem: „Er kam damals als junger Spieler ins Trierer Team. Er hat sich viel von mir sagen lassen.“ Als Hermandung hörte, dass Jochem nun Präsident der Eintracht geworden ist, habe er ihn „beglückwünscht, nicht bemitleidet“. Hermandungs Wunsch für die Eintracht: „Ich will, dass sie schnell wieder in die Regionalliga kommt.“

Heute hält er sich mit Sport fit, ein Stent nach zwei kleinen Gehirnschlägen vor gut eineinhalb Jahren bremst ihn dabei nicht aus: „Ich fahre viel Fahrrad, gehe schwimmen und mache Aquawalking. Und ich lege jedes Jahr das Sportabzeichen in Gold ab.“ Fußballspielen ist wegen Hüftproblemen aber nicht mehr drin.

An seinem 75. Geburtstag am morgigen Sonntag lässt es Hermandung ruhig angehen. Erst ein Frühstück mit den Geschwistern, am Nachmittag dann eine Feier im größeren Familienkreis zu Hause – so sieht das Programm aus. Hermandung: „Zu meinem 80. Geburtstag wird dann wieder groß gefeiert.“ So wie zu seinem 60., als viele Weggefährten in Baal das Vereinsheim gefüllt hatten.

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