Luftgewehrschießen der 1.Bundesliga Nord Wenn der letzte Schuss über den Sieg entscheidet (Fotostrecke)

GEROLSTEIN/MÜLLENBORN · Mit einem Herzschlag-Finale, wie es spannender kaum hätte sein können, sorgte der SuSC Müllenborn buchstäblich in letzter Sekunde für eine Überraschung. Welche Mannschaften beim Luftgewehrschießen der ersten Bundesliga Nord in Gerolstein aufeinander trafen und wie die Stimmung unter den Besuchern war.

So war der Bundesliga-Wettkampf im Luftgewehrschießen
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So war der Bundesliga-Wettkampf im Luftgewehrschießen

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Stellen Sie sich vor, Sie würden mit einer Stecknadel ein Loch in die Tapete drücken und dann versuchen, das Loch zu treffen. Das ganze allerdings aus einer Entfernung von zehn Metern. Genau so sah die „Millimeterarbeit“ der Sportschützen der ersten Luftgewehr-Bundesliga Nord am Wochenende in Gerolstein aus.

Ausrichter des Wettkampfes war der SuSC Müllenborn, der erst im vergangenen Jahr in die erste Bundesliga der Luftgewehr-Schützen aufgestiegen war und dort einen Top-Start hinlegte. Am Ende der Saison treten die besten vier Mannschaft im Kampf um den Meistertitel gegeneinander an. Es ging also um einiges bei den sechs Mannschaften, die am Wochenende in der Sporthalle der Gerolsteiner Grundschule aufeinander trafen.

Jeweils fünf Schützen pro Mannschaft hatten 50 Minuten Zeit, insgesamt 40 Treffer zu platzieren. Sie wurden lautstark durch ihre Fangemeinden im Publikum unterstützt, die mit Trommeln und Trompeten für reichlich Stimmung sorgten und die Sportler zu Höchstleistungen anfeuerten.

 Die Mannschaften von der SSG Kevelaer und dem SuSC Müllenborn im Bundesliga-Duell in Gerolstein.

Die Mannschaften von der SSG Kevelaer und dem SuSC Müllenborn im Bundesliga-Duell in Gerolstein.

Foto: Andreas Sommer

Die Faszination des Luftgewehr-Schießens liegt für Andrea Thiex, Vorsitzende des SuSc Müllenborn, eindeutig in der Präzision, mit dem Luftgewehr möglichst häufig eine 10,9 zu treffen, denn das ist die höchste Wertung. Um diese Leistung in der Saison möglichst gleichmäßig oft abrufen zu können, wird mehrmals pro Woche trainiert und es werden auch Übungswettkämpfe veranstaltet. Geschossen wurde stehend-freihändig, was neben perfekter Körperbeherrschung auch viel mentales Training erfordert.

„Um 50 Minuten am Stück mit dem Luftgewehr diese Präzision abrufen zu können, muss man fit im Kopf sein. Physische Stärke alleine reicht nicht aus“, sagt Markus Leuschen, der als Trainer beim SuSC Müllenborn schon viele Shooting-Stars auf internationales Niveau gebracht hat.

Schon bei der ersten Begegnung des Wettkampfes zwischen dem Team Wetterau und St. Hubertus Elsen ging es an der Spitze eng zu. Max Ohlenburger lieferte sich mit Denise Palberg ein wahres Kopf-an-Kopf-Rennen. Ein Stechen musste die Entscheidung herbeiführen, das Denise Palberg nach dem vierten Durchlauf mit einer 10,5 für sich entscheiden konnte.

An der Position zwei zwischen Lucie Brazdova und Bastian Blos gab es nur einen Ring Abstand. An der Position drei konnte Lina Schnerr mit 400 Punkten den Kampf gegen Luc Dingerdissen relativ schnell für sich entscheiden. Insgesamt konnte sich St. Hubertus Elsen mit 5:0 durchsetzen, wenngleich für das Team Wetterau durchaus ein bis zwei Einzelpunkte verdient gewesen wären.

Bei der zweiten Begegnung des Tages musste sich der Wissener SV gegen den SV Wieckenberg deutlich geschlagen geben. An der Spitze der Begegnung setzte Anna Nielsen vom Wissener SV mit 400 Punkten gegen Katrin Grabowski, die 397 Punkte erreichte, einen deutlichen Akzent. Lange Zeit blieb es auf dieser Position spannend, bis sich Anna Nielsen absetzen konnte. Eine 400er-Serie, das ist absolute Weltspitze. Die Position fünf zwischen Sabrina Michelmann (388 Punkte) und Claire-Luisa Ruschel (397 Punkte) war sehr schnell vergeben zugunsten von Wieckenberg. Auf der Position vier zwischen Tamara Zimmer (389 Punkte) und Melissa Ruschel (394 Punkte) war der Kampf lange Zeit offen, bis zum Schluss die Entscheidung deutlich zugunsten von Wieckenberg gekippt ist. Auf der Position zwei hielt Sophie Scholz die Entscheidung für den Wissener SV lange Zeit offen. Reichen sollte das am Ende aber nicht. Der SV Wieckenberg setzte sich deutlich mit 4:1 durch, lautstark unterstützt durch anfeuerndes Trommeln der Fans auf den Zuschauerrängen.

Ein spannender Wettkampf, der auch knapper hätte ausgehen können. „Das 4:1 überzieht es ein wenig, aber am Ende spielt es keine große Rolle, denn das Schöne an dieser Liga ist einfach, das jede Mannschaft die Leistung der jeweils anderen anerkennt“, sagt Kommentator Axel Schell, der das Geschehen für den Zuschauer in der Halle einordnete.

In der dritten Begegnung des Abends traf Ausrichter SuSC Müllenborn in seiner Heimatarena auf Angstgegner SSG Kevelaer. Die Schießsport-Gemeinschaft Kevelaer ist nicht nur amtierender deutscher Meister, sondern konnte den Titel in den vergangenen Jahren viermal erfolgreich verteidigen. Eine Mannschaft, die nicht nur mit deutschen, sondern auch mit internationalen Spitzenschützen besetzt ist.

Annemarie Hammes hat ihre Mannschaft zum Sieg geschossen und freut sich über den Erfolg.

Annemarie Hammes hat ihre Mannschaft zum Sieg geschossen und freut sich über den Erfolg.

Foto: Andreas Sommer

Eine von ihnen ist zweifellos Anna Janssen. Sie belegte bei den olympischen Jugendspielen 2018 in Buenos Aires den vierten Rang, ist zweimalige Europameisterin und erkämpfte sich 2023 Silber in der Champions League. Die heute 22-Jährige ist seit 2011 dabei und vom Schießsport „immer noch so begeistert wie am ersten Tag“, wie sie vor dem Wettkampf sagt. Speziell auf die Bundesliga vorbereitet hat sie sich nicht. „Ich freue mich einfach unfassbar auf meine Mannschaft. Das ist glaube ich genau das, was Bundesliga für uns alle ausmacht, das wir immer viel Spaß und Freude mit unseren Teams haben“, sagt die Sportschützin, die, wenn es darauf ankommt, auf den Punkt genau die Leistung auf die Zielscheibe bringen kann.

Ihre Olympiateilnahme im nächsten Jahr hat sie dabei stets fest im Blick. Ihre Teilnahme an den Bundesligawettkämpfen sieht sie daher auch als Training für die große Aufgabe 2024 in Paris. Zudem stehen im nächsten Jahr noch die Europameisterschaft und der Weltcup auf dem Programm. „Im Schießsport bin ich eher der Gefühlsmensch“, sagt Anna Janssen über sich selbst. „Einige sind bei dieser Sportart sehr technisch versiert, bei mir muss das Körpergefühl passen. Sobald ich das perfekte Bild vor Augen habe, löse ich im besten Fall automatisch aus“.

Ihr Umfeld blendet Anna Janssen dann vollständig aus, wenn ihr Blick durch die Zieleinrichtung fixiert ist. „Eigentlich hast du den größten Kampf mit dir selbst und weniger mit den Gegnern, die nebenan stehen, denn im Endeffekt kannst du ja auch nur deine eigene Leistung beeinflussen.“ Dazu gehört auch, die Konzentration möglichst hoch zu halten.

Eine Sportlerin die diese Disziplin ebenso perfekt beherrscht ist Annemarie Hammes vom SuSC Müllenborn. Für sie spielt der Kopf beim Schießsport ebenfalls eine große Rolle. Zwei bis drei Mal pro Woche hat sie in der Vorbereitung auf diesen Wettkampftag trainiert. Dabei kam auch das mentale Training nicht zu kurz. „Wenn ich am Schießstand stehe, konzentriere ich mich eigentlich nur auf mich selbst und blende alles um mich herum aus“, sagt Annemarie Hammes.

Wie entscheidend diese Taktik ist, wird sich am Ende der dritten Begegnung an diesem Tag zwischen der SSG Kevelaer und dem SuSC Müllenborn noch zeigen. Doch zunächst wird es noch einmal richtig laut in der Halle, als die Sportlerinnen und Sportler beider Mannschaften ihre Plätze einnehmen. Der Faktor Zeit ließ die Begegnung Müllenborn gegen Kevelaer zu einem der dramatischsten Wettbewerbe werden, die viele der rund 300 Zuschauer auf den Rängen jemals gesehen haben.

Es waren nur noch wenige Sekunden auf der Uhr, als Annemarie Hammes ihren letzten Schuss abgab. Beim Spielstand von 386 Punkten für Annemarie Hammes zu 395 Punkten für Franziska Driessen, die ihre 40 Schuss bereits abgegeben hatte, musste die Schützin für den SuSC Müllenborn mit ihrem letzten Versuch die Stecknadelspitze große Mitte der Zielscheibe treffen. Adrenalin pur auf den Rängen. In buchstäblich letzter Sekunde gelang ihr eine knappe 10,0. Damit vermied sie ein Stechen und schoss den SuSC Müllenborn zum 3:2-Sieg.

An der Position eins verpasste Julia Piotrowska mit 399 Punkten gegen Anna Janssen mit 398 Punkten knapp die 400er-Marke, konnte aber das Duell für sich entscheiden. „Ich habe tatsächlich bis zum Ende nicht gewusst, dass wir gewonnen haben“, sagt Annemarie Hammes nach ihrem fulminanten Duell gegen Franziska Driessen. „Ich war so sehr im Tunnel und habe nur gedacht, ich muss das Ding jetzt nach Hause holen“. Nach dem 3:2-Sieg gegen Angstgegner SSG Kevelaer steht der SuSC Müllenborn jetzt auf Platz fünf der 1. Bundesliga Nord.