Spochtipedia: Radrennsport Die Tour als Türöffner zum Traumberuf

Johannes Fröhlinger (32) stammt aus Seiwerath im Eifelkreis Bitburg-Prüm. In seiner Radprofi-Karriere fuhr er unter anderem für die Teams Gerolsteiner und Milram – aktuell steht er beim Rennstall Sunweb unter Vertrag. Fröhlinger bestritt schon neunmal die Spanien-Rundfahrt und viermal die Tour de France. In einem Gastbeitrag berichtet er über seine Anfänge als Profi, Entbehrungen und eine verpasste Abi-Fahrt.

 Der Eifeler Johannes Fröhlinger vom Team Sunweb.

Der Eifeler Johannes Fröhlinger vom Team Sunweb.

Foto: Team Sunweb/Peter van Heulen

Radfahren hat sich in meiner Jugend zu meiner Lieblingsbeschäftigung entwickelt. Damit mein Geld zu verdienen, ist für mich ein Traumberuf.

Die Leidenschaft für den Sport habe ich von meinem Vater übernommen. An Wochenenden hat er mich von Kindesbeinen an immer mal wieder zu diversen Radtouren mitgenommen. Die Tour de France wurde bei uns zu Hause ebenfalls verfolgt. Miguel Indurain ist der erste Fahrer, an den ich mich erinnern kann. Als ich ihn Jahre später erstmals persönlich getroffen habe, war es ein ganz besonderes Gefühl.
Die Tour de France war dann auch der Grund, warum ich beginnen wollte, Radrennen zu fahren. Bei zwei Vater-Sohn-Urlauben sind wir viele der berühmten Passstraßen in den Alpen und Pyrenäen mit dem Rad abgefahren. Und wir haben mehrere Tour-Etappen am Straßenrand verfolgt. Danach löste ich beim RSC Prüm meine erste Lizenz – ich war 16 Jahre alt. Meine Heimatregion, die Eifel, ist radsporttechnisch etwas strukturschwach. Zu den Rennen sind es immer weite Anfahrtswege, und ohne den unglaublichen Support meiner Eltern hätte ich dort niemals teilnehmen können. Zudem gab es kaum gleichaltrige Trainingskollegen in der Gegend. Ich hörte auf, Fußball zu spielen und war mit dem Radsport in meinem Umfeld ein ziemlicher Exot.

An den meisten Wochenenden war ich bei Radrennen unterwegs und konnte immer weniger Zeit mit Freunden verbringen. Zudem musste ich mich auch mit dem Thema Ernährung beschäftigen und anfangen, auf einige Dinge zu verzichten. Den möglichen Schritt, an ein Sport-Internat zu wechseln, habe ich nicht gemacht. Ich legte am Regino-Gymnasium Prüm mein Abitur ab. Damit schaffte ich den Spagat zwischen einer „normalen“ Jugend und dem Leistungssport und verfolgte erst relativ spät zu 100 Prozent den Traum, Berufsradfahrer zu werden. In vielen anderen Sportarten wäre dies in dem Alter nicht mehr möglich gewesen. Anstatt auf Abi-Fahrt zu gehen und mit meinen Freunden in Lloret de Mar zu feiern, ging es für mich ins Trainingslager auf Mallorca.
Kurze Zeit später war ein schwerer Sturz ein herber Rückschlag. Eine längere Verletzungspause und Gedanken, sich besser vielleicht doch einem Studium zu widmen, hielten mich nicht zurück. Stürze gehören leider zum Radsport dazu, genauso wie schlechtes Wetter. Schattenseiten, durch die man immer wieder durch muss.

Den Sprung in die deutsche Nationalmannschaft schaffte ich zunächst nicht, doch ich konnte über Umwege und während einer Zeit in dem französischen Amateur-Team SC Sarreguemines auf mich aufmerksam machen.
Beim Team Gerolsteiner unterzeichnete ich meinen ersten Profi-Vertrag. Mittlerweile befinde ich mich in meinem 13. Profi-Jahr. Das Privatleben ist nicht immer leicht. Radprofis brauchen verständnisvolle Menschen in ihrem Umfeld. Bei bis zu 100 Renntagen und mehreren Trainingslagern ist man teilweise die Hälfte des Jahres nicht zu Hause. Zudem müssen wir ständig unsere Aufenthaltsorte im sogenannten „Adams System“ angeben, damit wir permanent für eine mögliche unangekündigte Doping-Kontrolle auffindbar sind. Dies ist ein starker Einschnitt ins Privatleben, den ich aber im Kampf gegen Doping und zur Chancengleichheit in unserem Sport gerne in Kauf nehme.

Verträge sind nur kurzfristig auf wenige Jahre begrenzt. Viele Fahrer haben gegen Ende der Saison Existenzängste. Man muss also eine große Leidenschaft mitbringen für diesen Sport. Ich sitze jeden Tag gerne auf dem Rad und tue dies über die Jahre in unterschiedlichen Teilen der Welt. Ich habe so schon viele interessante Erfahrungen gemacht. Für mich ist Radsport nach wie vor ein Traumberuf.

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