Ringen Aline Rotter-Focken: Der schönste Abschied von der Matte

Baden-Baden · Als Olympiasiegerin hat die 30-Jährige ihre Karriere beendet. Was sie jetzt plant, erzählt sie im TV-Gespräch.

 Olympiasiegerin Aline Rotter-Focken mit der Goldmedaille. Am Sonntag könnte es für die Ringerin noch eine weitere Auszeichnung geben.

Olympiasiegerin Aline Rotter-Focken mit der Goldmedaille. Am Sonntag könnte es für die Ringerin noch eine weitere Auszeichnung geben.

Foto: dpa/Jan Woitas

Ringen, das ist Männersache, sagt das Klischee. Das ist griechisch-römisch. Das sind antike Helden. Glänzende, schwitzende Körper, dekoriert mit Lorbeerkränzen. Das ist – auch heute noch, lange nach seinem Tod  – vor allem er: Wilfried Dietrich. Der „Kran von Schifferstadt“.

Aber Frauen und Ringen? „Ich weiß, wir sind eine absolute Rand­erscheinung. Aber vielleicht auch deshalb so interessant“, sagt Aline Rotter-Focken im Gespräch mit dem TV. Als Olympiasiegerin hat die 30-Jährige im Sommer in Tokio ihre Karriere beendet. Vielleicht gibt’s für sie am Sonntag bei der Ehrung von Deutschlands Sportlern des Jahres noch das Sahnehäubchen.

„Die Entscheidung, aufzuhören, hatte ich schon vor Tokio gefällt. Aber ich wollte zum Abschluss noch einmal das Maximum aus mir herausholen. Für was es dann letztendlich reichen sollte, lag natürlich auch an den Gegnerinnen.“ 

Die Weltmeisterin von 2014, gebürtige Krefelderin, trainierte viel mit ihrem Mann: Wenn sie Jan Rotter –  Griechisch-Römisch-Spezialist und gleichzeitig in Corona-Zeiten auch ihr Sparringspartner – auf die Matte warf, quittierte dieser das mit einem Lob und einem Lächeln.

„Wenn ich einen Film über meine Laufbahn hätte drehen können, dann wäre das genau das Ende gewesen. Davon habe ich immer geträumt“, sagt die heute mit ihrem Mann in Triberg (Schwarzwald) lebende Athletin. Im olympischen Finale von Tokio bezwang sie im Freistil-Schwergewicht die fünfmalige Weltmeisterin Adelina Gray (USA) deutlich mit 7:3 Punkten. „Ich hatte so oft gegen sie verloren und habe mir immer gesagt: Ich hebe es mir für das Finale auf“, blickt sie auf ihren letzten Kampf zurück. Beide kennen sich seit Jahren, sind eng befreundet. Aber das spielte auf der Matte an diesem Tag keine Rolle.

Dem Ringen ist sie seit Kindertagen verbunden. Als Vierjährige nahm sie ihr Vater, zu Hause Vereinstrainer, zum ersten Mal mit auf die Matte. 26 Jahre später bestritt sie ihren letzten Kampf. Unbesiegt bei Olympia.

Ein Jahr vor dem geplanten Termin der Spiele war sie aufs Ganze gegangen. Immer nur „abkochen“, um die Gewichtsklasse zu halten, zehrte. Sie wechselte nach oben, in die 76-Kilo-Klasse. Das erforderte einen ganz neuen Lebens- und Ernährungsstil. Der Körper musste regelrecht „umgepolt“ werden. Aber ihm musste Gewicht in Form von Muskulatur und nicht von Fett zugeführt werden.

Dem Ringen will sie verbunden bleiben. Sie will dafür sorgen, dass das „Schwitzkasten-Image“ bei Frauen einen anderen, moderneren, technisch versierteren Anstrich erhält. So wie in Japan – dort werde dem Frauen-Ringen Akzeptanz, Bewunderung und Aufmerksamkeit gleichermaßen zuteil.

Im Mai 2022 erwarten Aline und Jan ihr erstes gemeinsames Kind. „Wir würden uns freuen, wenn unsere Kinder später auch Sport treiben. Es muss nicht unbedingt das Ringen sein. Aber wenn es doch dazu kommt, dann wollen wir uns besserwisserische Sprüche möglichst sparen.“

Jetzt freut sich Rotter-Focken erst einmal auf die Sportler-des-Jahres-Ehrung am Sonntag in Baden-Baden „Ich glaube, dort stand noch nie eine Ringerin unter den ersten drei. Wenn das dann doch der Fall wäre, dann wäre das die Kirsche auf der Sahne.“

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