Aus unserem Archiv Klaus Toppmöller: Rekordler in Lautern, Volksheld in Georgien

Rivenich · Bis heute sind seine 108 Treffer die Bestmarke eines Bundesligatorschützen beim 1. FC Kaiserslautern. Später wurde er aufgrund seines progressiven Stils als Trainer gefeiert. Auch an exotischen Stationen fehlte es in der Fußball-Laufbahn von Klaus Toppmöller nicht – ein Porträt aus dem Jahr 2021 anlässlich des 70. Geburtstag des Rivenicher.

 Klaus Toppmöller

Klaus Toppmöller

Foto: Andreas Arens

Von großem Rummel an seinem heutigen Ehrentag hält Klaus Toppmöller nichts. Im Kreise der Familie will er einen gemütlichen Tag in Luxemburg verbringen. Größer feiern möchte er erst später. Tochter Nina hat sich aus der Schweiz angekündigt. Tommy, der jüngere Sohn, wohnt im benachbarten Hetzerath. Und selbst beim seit einigen Wochen als Co-Trainer bei Bayern München engagierten Dino hatte Toppmöller beim Treffen mit dem TV vor ein paar Tagen Hoffnung, dass er es per Kurztrip in die Heimat schafft. „Die Familie ist mein ein und alles. Ich habe eine tolle Frau, drei super Kinder und fünf wunderbare Enkel“, betont der frischgebackene 70er.

Aus dem Fußballgeschäft ist der aus Rivenich im Kreis Bernkastel-Wittlich stammende und nach wie vor hier mit Gattin Rosi lebende Toppmöller schon seit rund 14 Jahren raus. Damals endete nach nur wenigen Monaten sein Intermezzo beim in der 2. Bundesliga herumdümpelnden 1. FC Kaiserslautern. In der sportlichen Leitung wollte er jenem Club, für den er als Angreifer zwischen 1972 und ’80 in 204 Bundesligaspielen stolze 108 Mal traf, helfen. „Ich hatte den Plan, Lothar Matthäus als Trainer auf den Betze zu holen, habe Tausende von Kilometern zurückgelegt, um Spieler für den FCK zu sichten. Dann sagten mir die Verantwortlichen auf einmal, dass gar kein Geld da sei“, erinnert sich „Toppi“.

Der Groll ist längst verraucht. Den Roten Teufeln drückt er genauso die Daumen, wie den anderen Clubs, für die er einst tätig war und einige Erfolge feiern durfte. Als Mann mit klarer Meinung ist Toppmöller immer noch gefragt. „Wenn nicht gerade Corona ist und Einschränkungen herrschen, werde ich noch oft zu Spielen eingeladen, und Journalisten rufen ganz oft an und fragen mich nach einer Einschätzung zu meinen Ex-Clubs aber auch zum Fußball allgemein.“

Und Toppmöller hat viel zu erzählen. Stolz ist er auf seine Laufbahn, weiß aber auch, dass noch mehr als jene 108 Treffer für den FCK und die drei Länderspiele im DFB-Dress dringewesen wären. Der 30. Mai 1976 hatte für den Gastwirtssohn, der später die Salmtalschenke in „Toppi’s Sportsbar“ umfunktionierte, auf dem Rückweg von Kaiserslautern bei Birkenfeld einen schweren Autounfall. Nach dem Crash wollte er Hilfe holen, irrte benommen durch die Wälder im Hunsrück, ehe er am nächsten Tag unter Schock stehend und mit einer Gehirnerschütterung gefunden wurde.

Die Karriere schien vorbei. Aber Toppmöller kämpfte, kurierte seine Unfallverletzungen aus und spielte wieder, sogar noch zwei weitere Male in der Nationalelf. Wegen anhaltender Kniebeschwerden beendete er seine Profikarriere in der Bundesliga dann aber mit nur 29 Jahren.  Auch, weil ihm die dortigen Funktionäre Hoffnung machten, dass Ärzte in Übersee seine chronischen Kniebeschwerden wieder in den Griff bekommen könnten, ging er zu Dallas Tornado und sollte in den USA mithelfen, dass auch dort der Fußball laufen lernte. Aber das Knie ließ nur Kurzeinsätze zu. Gewöhnungsbedürftig war das Drumherum, wie sich Toppmöller erinnert: „Ich habe mich sehr gewun­dert, dass die Fans immer total aus dem Häus­chen waren, wenn ein Spieler den Ball sehr hoch übers Tor schoss. Wegen der Ame­rican-Foot­ball-Regeln glaubten viele, dass ein Ball, der über die Latte geht, ein Tor sei.“

Zurück in Deutschland, wollte er es noch einmal wissen. Der Körper spielte auch noch einmal mit – und mit seinen Treffern, aber auch mit seinem Management-Fähigkeiten und später auch als Trainer half der leidenschaftliche Kartenspieler („In unserer Gaststätte wurde viel gespielt. Ich konnte schon mit neun Jahren Skat.“) dem FSV Salmrohr zu großer Blüte. 1986/87 war die „Macht vom Dorf“ sogar Zweitligist – unter heute unvorstellbaren Bedingungen: „Wenn wir zu den Auswärtsspielen fuhren, saßen vorne die Spieler und hinten unsere Fans, wovon einige im Bus rauchten – mit mir mittendrin.“

Keine Allüren, immer festen Boden unter den Füßen: Das zeichnete Toppmöller auch als Trainer in der Bundesliga aus. Als ihn in seiner Bochumer Zeit ein Wirt etwas abseits setzen wollte, damit er beim Abendessen seine Ruhe haben möge, bestand der damalige VfL-Coach darauf, einen ganz normalen Platz im Restaurant mitten unter den anderen Gästen zugewiesen zu bekommen.

Seine erfolgreichste Zeit als Trainer hatte er bei Bayer Leverkusen. Hier ließ Toppmöller seine Mannschaft bedingungslosen Offensivfußball im „One Touch“-Stil spielen. Auch der FC Bayern soll damals Interesse an seiner Verpflichtung gehabt haben. Ob als Spieler oder als Trainer – ein Engagement in München „hätte mich sehr gereizt“, gibt er zu. 2002 wurde er als erster Coach überhaupt von den deutschen Sportjournalisten zum Trainer des Jahres gewählt. Die Krönung mit der Mannschaft blieb aber aus: Vor knapp zwei Jahrzehnten sprang sowohl in der Bundesliga, wie auch im DFB-Pokal und in der Champions League „nur“ der Vizetitel heraus. Trotz aller Popularität blieb Toppmöller weiter bescheiden: „Nach dem Spiel habe ich immer zuerst mal ein Bier mit den Ordnern getrunken. Auch ihre Meinung war mir wichtig. In den Vip-Räumen habe ich mich nie so wohlgefühlt.“

Stichwort Wohlfühlen: So richtig warm wurde er mit seiner letzten Bundesligastation, dem Hamburger SV, nicht. Das lag nicht zuletzt am Aus im DFB-Pokal beim SC Paderborn – die Partie war von Schiedsrichter Robert Hoyzer manipuliert worden, wie sich später herausstellen sollte. Früh hatte Toppmöller erkannt, dass „da was nicht stimmte – in der Halbzeit sagte Hoyzer noch zu den Paderbornern, dass er ‚das regeln würde‘“. Vom DFB sei er daraufhin zunächst eine ganze Weile bedrängt worden, keine weiteren Vorwürfe zu äußern, ehe der Skandal aufflog.

Toppmöllers letzte Trainerstation: Georgien. Er wurde von den Menschen im Kaukasusstaat als Nationaltrainer verehrt, besonders, als erstmals ein Sieg gegen den großen Nachbarn aus der Türkei gelang. Eng war die Bande mit dem Staatspräsidenten, der ihn mal kurzfristig bat, bei einer Weihnachtsansprache im Fernsehen neben ihm zu sitzen. „Ich habe zugesagt, aber nur unter der Prämisse, an Heiligabend wieder zu Hause zu sein.“

Zuhause: Das ist Klaus Toppmöller, dessen Bruder Heinz im vergangenen Jahr die 70 vollmachte, ganz wichtig. Beim Gespräch mit dem TV steht er im Garten hinter der einstigen elterlichen Gaststätte. Rund 20 Meter vom früheren Festsaal entfernt, deutet er an, wie er als Knirps mal zu fest schoss – der Ball durchs Fenster flog und mitten auf der Torte einer Hochzeitsgesellschaft gelandet war. Zwei Mark kostete damals die Reparatur der kaputten Scheibe.

Die Zeiten, die Preise und sogar die Währung haben sich geändert. Doch Klaus Toppmöller ist der Gleiche geblieben wie früher– authentisch, ehrlich und heimatverbunden. 

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort