Fußball Amateure wollen raus aus dem Schatten

Salmrohr · Sie fordern mehr Mitspracherecht und möchten an den Milliardensummen aus dem Profigeschäft partizipieren. An einer von Amateurfußballvertretern bundesweit auf den Weg gebrachten Erklärung haben auch zwei Salmrohrer mitgewirkt. Was sie kritisieren, was sie genau wollen. 

 Die Basis des Fußballs: Kinder kicken auf einem Bolzplatz, während im Profibereich Milliarden gescheffelt werden. Die Amateure fühlen sich enorm benachteiligt und verlangen Reformen.

Die Basis des Fußballs: Kinder kicken auf einem Bolzplatz, während im Profibereich Milliarden gescheffelt werden. Die Amateure fühlen sich enorm benachteiligt und verlangen Reformen.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Ganz ruhig war es geworden um jene, die (auch) in der Region für eine bessere Zukunft der Clubs an der Basis kämpfen: Anfang 2017 bekräftigten Clubvertreter aus dem Fußballverband Rheinland in einem vollbesetzten Mülheim-Kärlicher Saal ihre Forderungen nach mehr Einfluss und einem (viel) größeren finanziellen Anteil am milliardenschweren Fernsehvertrag der Deutschen Fußball Liga (DFL). Unter den Gästen war seinerzeit unter anderem auch der aktuell als kommissarischer DFB-Boss agierende Rainer Koch. „Wir haben damals bereits eine Resolution verfasst, unser Anliegen ist aber abgebügelt worden. Zu einer Anhörung vor dem DFB-Ethikrat kam es nicht, weil man dort einige Vertreter von uns als Gesprächspartner ablehnte. Deshalb ist die Sache ein wenig eingeschlafen – auch, weil wir halt alle Amateure sind und ja nach Feierabend auch noch Arbeiten in unseren Vereinen zu erledigen haben“, sagt Christian Rauen, Vorsitzender des Oberligisten FSV Salmrohr. Doch seinem Vater Peter und Engelbert Kupka – beide haben sich durch ihr Engagement für die Stärkung des Amateurfußballs kennengelernt – ließ die Sache keine Ruhe. Als  Ehrenpräsidenten des FSV Salmrohr beziehungsweise der SpVgg Unterhaching sehen sie sich durch die jüngste Führungskrise des DFB mehr denn je gefordert.

„In den vergangenen drei Monaten haben wir noch mal ein Netzwerk aufgebaut und uns in einigen Online-Sitzungen abgestimmt“, berichtet Christian Rauen. Herausgekommen ist im ersten Schritt ein zweiseitiges Positionspapier mit neun Unterzeichnern aus allen fünf Regionalverbänden des DFB – Vater und Sohn Rauen vertreten dabei den Südwesten und Ute Groth von der DJK Tusa Düsseldorf etwa den Westen.

Die heute 62-Jährige wollte 2019 DFB-Präsidentin werden, wurde aber als Amateurkandidatin erst gar nicht zur Wahl zugelassen. Fritz Keller wurde DFB-Boss. Nachdem dieser wegen eines Vergleichs von Rainer Koch mit Nazi-Richter Roland Freisler und aufgrund zusätzlicher interner Querelen zurückgetreten ist, will Groth beim für nächstes Jahr geplanten Bundestag erneut ihren Hut in den Ring werfen.

Eine wie Groth an der Spitze des mit gut sieben Millionen Mitgliedern weltgrößten Sportfachverbands sähen viele von der Basis gerne. Als Vorsitzende eines Breitensportvereins weiß sie schließlich genau, wo die Sorgen, Nöte und Wünsche sind. So steht in der nun veröffentlichten Erklärung: „(…)Die Elite kapselt sich ab. Und wir Amateure fühlen uns abgehängt – von der DFL, vom DFB, selbst von unseren Landesverbänden. Nicht erst seit Corona, als wir zum Nichtstun verdammt wurden, während für die Profis alles weiterlief. Die Pandemie hat diese Entwicklung, die lange vorher eingesetzt hatte, nochmals verstärkt (…).“

Wenn es um die Zukunft des Fußballs gehe, höre er in aller Regel Statements eines Karl-Heinz Rummenigge, eines Rudi Völler oder eines Lothar Matthäus, klagt Christian Rauen. Doch in den aktuellen Diskussionen über den DFB, seine Skandale und seine Reformen, komme der Breitenfußball kaum vor, obwohl den knapp 25 000 Amateurvereinen nur gut 50 Proficlubs gegenüberstehen. „Deren Einnahmen steigen, uns bleiben dagegen nur warme Worte und nichtssagende Kampagnen. Wir sind in Vergessenheit geraten. Wir zählen nur in Sonntagsreden. Wir sagen: Schaut endlich auf die Amateure“, heißt es in der Erklärung weiter. „Bevor wir aber übers Geld reden“, stellt Rauen klar, „geht es uns vor allem darum, gehört und ernstgenommen zu werden.“

Als Engelbert Kupka dem damals neu gewählten DFB-Chef Keller einen Brief schrieb und eine Aufwertung der Amateurvereine forderte, sei die Reaktion ernüchternd gewesen: „Nach sechs Wochen kam dann eine Antwort, in der Herr Keller erklärte, er sei dafür nicht zuständig und man müsse sich in der Angelegenheit an den jeweiligen Landesverband wenden.“

Salmrohrs jahrzehntelanger Vorsitzender Peter Rauen stellt im Gespräch mit dem TV klar: „Es geht nur gemeinsam. Wir wollen zum Beispiel nicht gegen die Landesverbände schießen, sondern mit ihnen Lösungen entwickeln. Ich weiß etwa genau, dass Walter Desch als Präsident unseres Fußballverbandes Rheinland auch viel an einer positiven Zukunft der Vereine gelegen ist.“

Die Forderungen im Überblick:

Teilhabe: „Präsidium und Vorstand des DFB müssen künftig aktive Vereinsvorsitzende berufen und ihnen Stimmrecht geben.“

Diversität: „Unsere Mitglieder kommen aus allen Einkommensschichten, haben unterschiedlichste Wurzeln und Glaubensrichtungen. Sie sind männlich, weiblich, Jung und Alt.“

Ämter- und Amtszeitbegrenzungen: „Wenn der Vorsitzende eines Landesverbandes gleichzeitig Präsident seines Regionalverbandes und zudem DFB-Vizepräsident und Mitglied in der Uefa ist, kommt es zu Interessenskonflikten.

Wiedereinführung der Richtlinienkompetenz für den Präsidenten oder die Präsidentin des DFB: „Wir halten eine Doppelspitze aus Frau und Mann für denkbar.“

Kommunikation: Angestrebt wird ein unabhängiger Zukunftskongress, bei dem sich alle interessierten Menschen zu verschiedenen sportlichen, gesellschaftlichen und innovativen Themen einbringen können. Eine Veranstaltung, auf der diskutiert wird, Netzwerke gegründet werden und die im Sinne der ganzen Breite des Fußballs durchgeführt wird.

Grundlagenvertrag: Dieser sieht vor, dass die  Profivereine drei Prozent aus allen Vermarktungseinnahmen an den DFB zu zahlen haben und ist nach Darstellung der neunköpfigen Gruppe um die beiden Rauens „erst heimlich, dann offiziell unterhöhlt“ worden. „Selbst die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat festgestellt, dass (...) der Vertrag seit Jahren zu Lasten von Amateuren gebrochen wird“, heißt  es in der Resolution. Konkret: Laut Grundlagenvertrag aus dem Jahr 2001 hätte der DFB aus den milliardenschweren Fernseh- und Vermarktungsverträgen etwa für das Jahr 2017 rund 60 Millionen Euro erhalten. Doch dieser Betrag ist auf 26 Millionen gedeckelt und wird zudem noch um 20 Millionen reduziert. Das ist die Entschädigung, die der DFB der DFL dafür zahlen muss, dass deren Vereine ihre Nationalspieler an den Verband abstellen. Es blieben sechs Millionen Euro, die an den DFB ausbezahlt werden und die dem Amateurbereich zugute kommen. Zudem habe man auch das Recht auf Gelder aus der Vergangenheit. Im Gegenzug strebe man eine gezielte Verteilung an: „Nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern nach transparenten Regeln. So können wir Projekte für Modernisierung, Integration, Ausbildung, Diversität sowie gegen Diskriminierung jeglicher Art anstoßen.“

Über ihre Kontakte in den jeweiligen Regionen kämpfen die neun Unterzeichner zunächst um eine breite Zustimmung, möchten sensibilisieren und möglichst viele Clubs mit ins Boot nehmen, damit die Forderungen umgesetzt werden können. Sie stehen für einen Neuanfang – denn: „Die derzeitige Interimsführung des DFB hat die negativen Änderungen des Grundlagenvertrages mitzuverantworten. Wir halten es daher für inakzeptabel, dass sie die neuen Verhandlungen führt.“

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