Jugend-Fußball Spielklassenreform: Vieles ist neu – aber wird’s auch besser?

Region · Der Fußballverband Rheinland gibt zur neuen Saison mehr Jugendteams die Chance, in höheren Ligen zu spielen – und will der Nachwuchsförderung frischen Schwung verleihen. Bevor am Wochenende der Ball rollt, stoßen sowohl der Modus der Qualifikationsspiele als auch die neue Struktur auf ein geteiltes Echo.

 Mit einer Spielklassenreform will der Fußballverband Rheinland frischen Wind in den Jugendfußball bringen. Vereine aus der Region Trier sehen positive, aber auch negative Aspekte.

Mit einer Spielklassenreform will der Fußballverband Rheinland frischen Wind in den Jugendfußball bringen. Vereine aus der Region Trier sehen positive, aber auch negative Aspekte.

Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Robert Michael

Neue Gegner, neue Ligen, neue Struktur: Der Jugendfußball im Fußballverband Rheinland (FVR) stellt sich zur kommenden Saison  völlig neu auf (der TV berichtete kurz). Die Rheinlandliga und die Bezirksligen werden von den A- bis zu den D-Junioren aufgestockt. Am Wochenende starten die Qualifikationsspiele. Zahlreiche Mannschaften aus den Spielkreisen Eifel, Mosel und Trier-Saarburg bewerben sich dabei um die freien Plätze (Übersicht: siehe Extra).

Die Einteilungen der Staffeln sollen nicht mehr unbedingt an Kreisen, sondern (auch) an Fahrstrecken orientiert werden. Ebenfalls neu: In der Rheinlandliga wird nach der Hinrunde im Play-off-Modus weitergespielt.

Die Intention des Verbands: „Die aktuelle Struktur der Ligen gibt es bereits seit mehr als 30 Jahren, man trifft oft auf dieselben Gegner. Doch gerade auch der Jugendfußball muss interessant sein und Abwechslung bieten“, sagt Peter Lipkowski, Vorsitzender des FVR-Jugendausschusses. „Durch die Umgestaltung des Spielbetriebs möchten wir neue Anreize schaffen und so versuchen, dem Rückgang der Mannschaftszahlen entgegenzuwirken. Darüber hinaus wird die sportliche Qualität innerhalb der Ligen gesteigert“, fügt er an.

Der Plan: Die Rheinlandligen der A-, B- und C-Jugend werden von 18 auf maximal 22 Mannschaften aufgestockt und jeweils in zwei Staffeln aufgeteilt. Die D-Junioren-Rheinlandliga wird von elf auf 16 Teams erhöht. Nach der Hinrunde finden eine Meister- und eine Platzierungsrunde statt. Sollte – etwa bedingt durch die Corona-Pandemie – ein Abbruch nach der Hinrunde erforderlich sein, spielen die beiden Staffelersten um den Aufstieg in die Regionalliga, sofern sie die Voraussetzungen zum Aufstieg erfüllen (zum Beispiel sind Jugendspielgemeinschaften vom Aufstieg in die zweithöchste Jugendliga ausgeschlossen).

Die Bezirksligen der A- und B-Jugend (bisher sind 37 Teams auf die Staffeln West, Mitte und Ost verteilt) werden per Qualifikation genauso auf 48 erhöht wie jene der C- (bisher: 39) und der D-Junioren (38). Diese Mannschaften werden nach dem sogenannten Schleswig-Holstein-Modell aufgeteilt. Dies besagt, dass Kreisgrenzen für die Staffeleinteilung nicht bindend sind, sondern Fahrstrecken als Kriterium hinzukommen.  Zunächst wird nur eine Hinrunde gespielt. Sollte im Hinblick auf die Corona-Pandemie eine Fortführung darüber hinaus möglich sein, folgt die Rückrunde.

Wer teilnahmeberechtigt ist: Zu den Qualifikationsspielen zur Rheinlandliga zugelassen waren alle Bezirksligamannschaften der Altersklasse sowie alle Rheinlandligamannschaften der jüngeren Altersklasse mit einem Punktequotienten von mindestens 1,5 aus der Saison 2020/21. Die Qualifikationsspiele sind den ersten und zweiten Mannschaften vorbehalten. Meldeberechtigt zu Qualifikationsspielen zur Bezirksliga war jeder in dieser Altersklasse gemeldete Verein. Bis Mitte August soll klar sein, wer in der Saison 2021/22 in den jeweiligen Rheinland- und Bezirksligen spielen darf (Spielansetzungen: www.fussball.de).

„Aufgrund der Corona-Situation schien uns der August als der richtige Monat für die Spiele zu sein. Bis nach den Ferien wollten wir nicht warten, da sonst die bestehenden Rheinland- und Bezirksligisten noch mal hätten warten müssen“, sagt Lipkowski. Der offizielle Saisonstart in den Ligen soll am 4. September erfolgen.

Das sagen die Vereine: Ein geteiltes Echo rufen die Neuerungen und der Weg dorthin unter den Clubs hervor. Das geht aus den Rückmeldungen von Vereinen hervor, die an einer TV-Umfrage teilgenommen haben.

Der FVR wolle auch die Bezirksliga regionaler gestalten und den Leistungsgedanken nach der stagnierenden Corona-Zeit noch mal wecken, weiß Christian Guth, Schriftführer der SpVgg Trier und Trainer der an der Qualifikation teilnehmenden D-Jugend des Vereins aus dem Süden der Moselstadt. Um pünktlich nach den Sommerferien fertig zu sein und mit den jeweiligen Ligen gleich loslegen zu können, finden die Spiele zum Leidwesen der Clubs in den Sommerferien statt. „Wir wollen nicht jammern und bündeln unsere Kräfte, kratzen alles an Spielern zusammen und heißen den Wettbewerb willkommen“, sagt Guth.

Gleichzeitig hat er aber Zweifel an einem fairen Wettbewerb: „Viele Clubs werden wohl ihre Spieler der ersten Mannschaft aus der Rheinlandliga vorschicken, um die Liga-Zugehörigkeit für die ‚Jüngeren‘ oder ‚Schwächeren‘ zu erspielen. Ob wir dann damit die Leistungsdichte fördern, zweifele ich deshalb an.“

Vom FC Trier (FCT) nehmen die U 14 an der Aufstiegsrunde zur C-Jugend-Bezirksliga und die U 15 an der Aufstiegsrunde zur C-Jugend-Rheinlandliga teil.  „Grundsätzlich“, sagt Vorstandsmitglied und U-14-Coach Markus Schottes, „hätte man die Quali-Runde auch vor den Ferien spielen können. Das war mit dem Rheinlandpokal der alten Saison ja auch möglich“. Schottes geht aber davon aus, dass „wohl jede Mannschaft in den Ferien dieselben Probleme hat und sicher jeder den einen oder anderen urlaubsbedingten Ausfall verkraften muss“.

Gerade ist der FCT mit dem 2008er Jahrgang Rheinlandpokalsieger geworden. „Da wäre es für die Jungs schon tragisch, bei einem Scheitern nächstes Jahr Kreisklasse spielen zu müssen. Deshalb haben auch viele unserer Familien ihren Sommerurlaub sehr spät gebucht und erstmal abgewartet, wann die Spiele tatsächlich stattfinden“, sagt Schottes.

Die neue Struktur begrüße man als Verein. „Nach der langen Corona-Pause gibt es so für Jugendmannschaften die Möglichkeit, aufzusteigen und nicht noch ein Jahr zu verlieren. Dass die Staffeln kleiner und auch geteilt werden, finden wir auch interessant, aber noch etwas gewöhnungsbedürftig. Aufgrund der nach wie vor schwebenden Corona-Situation dürfte es aber durchaus von Vorteil für das kommende Spieljahr sein“, meint der frühere Ober- und Regionalligaspieler des SV Eintracht Trier 05. 

Mit gleich drei Mannschaften (C-, B - und A-Jugend) geht die JSG Ehrang-Pfalzel ins Rennen, um die Bezirksligen zu erreichen „So wird unseren Spielern die Möglichkeit gegeben, gegen stärkere Teams zu spielen und die  Anforderung an ihr fußballerisches Ausbildungsziel zu erhöhen“, sagt Bernd Görgen, Jugendleiter des SV Ehrang. Die neue Einteilung müsse sich in der Praxis erst mal beweisen. Görgen hat aktuell noch Zweifel an der Leistungsstärke in einzelnen Staffeln.

Die SG Saartal Schoden bildet mit den Nachbarclubs SV Ayl und SV Tawern ab der D-Jugend die JSG Saar – und nimmt mit der C-Jugend an der Qualifikation zur Bezirksliga teil. Die B-Junioren wollen den Sprung in die Rheinlandliga schaffen. Nach Meinung des Sportlichen Leiters Juniorenfußball der SG Saartal, Stefan Harings, ist es „nicht zielführend, eine Quali-Runde in den Ferien zu spielen. Wir werden in einigen Partien gerade mal elf Spieler auf den Platz bringen können. Die gesamte Runde ist damit leider eine Lotterie geworden. Vielleicht hätte man besser eine Art Hinrunde nach den Ferien spielen sollen und dann danach die entsprechenden Ligen als ‚Hauptrunde‘“.

Auch die Erweiterung der überkreislichen Ligen an sich sieht er generell kritisch, da das Niveau der Ligen eher verwässere und damit schwächer werde: „Wenn ich sehe, wie viele Mannschaften zum Beispiel für die C-Jugend-Bezirksliga-Qualifikation gemeldet haben, dann wundere ich mich schon sehr.“

Quantitäts- und Qualitätsunterschiede erwartet auch Michael Schleimer, Jugendleiter des TuS Mosella Schweich: „Der Zeitpunkt ist daher für uns nicht glücklich gewählt.“ Die D- und C-Jugend nehmen an der Qualifikation zur Rheinlandliga teil. Dort spielen die A I und die B I der Mosella bereits. Was die  Rheinlandliga angeht, findet es Schleimer gut, dass künftig einige weite Fahrten zu den Spielen entfallen. Nachteil aus Sicht des Schweicher Verantwortlichen: „Es nehmen Mannschaften teil, die die Qualität einfach nicht haben, in der Bezirks- oder Rheinlandliga zu spielen. Entsprechend werden viele Ergebnisse eindeutig sein.“  

Die Chance beim Schopf packen will der SV Trier-Irsch – und den Sprung in die C-Jugend-Bezirksliga schaffen. Das Zeug dazu habe die Mannschaft, ist Fußball-Abteilungsleiter Oliver Briesch überzeugt. Der Reform steht Briesch aufgeschlossen gegenüber, doch auch er befürchtet in erster Linie eine Zunahme an Masse, nicht unbedingt an Qualität.

Die Folgen: Das Schleswig-Holstein-Modell, wonach Kreisgrenzen nicht mehr bindend für die Ligen-Zusammenstellung sind, könnte bald auch im Seniorenbereich realisiert werden. Entsprechende Überlegungen laufen (der TV berichtete). Demnach wird die nun anstehende Realisierung im Jugendfußball auch mit besonderer Aufmerksamkeit über den Nachwuchs hinaus beobachtet werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort