Was macht eigentlich ...? Reiner Brinsa Der 700-Spiele-Mann von Eintracht Trier

Trier · Schon als kleiner Junge hatte Reiner Brinsa diesen Traum: Fußballer werden. Tag für Tag lief er die anderthalb Kilometer im saarländischen Welschbach, seinem Heimatort, zum Sportplatz, um mit den Kameraden zu kicken. Bei Eintracht Trier avancierte der Defensivspezialist später über viele Jahre hinweg zu einem unumstrittenen Leistungsträger, und als Trainer schaffte er es gar bis in den Europacup. Was vom wahr gewordenen Traum hängenblieb, und wie Brinsa heute noch, mit fast 70, dem Fußball verbunden ist.

 V on 1976 bis ‘89 trug Reiner Brinsa das Trikot von Eintracht Trier. Dank seiner fußballerischen, aber auch der kämpferischen Qualitäten wurde er hier zur Leitfigur. Mit dem SVE holte er 1988 die Deutsche Amateurmeisterschaft (Bild in der Mitte) und durfte mehrfach den Rheinlandpokal in die Höhe recken (Foto unten recht s).

V on 1976 bis ‘89 trug Reiner Brinsa das Trikot von Eintracht Trier. Dank seiner fußballerischen, aber auch der kämpferischen Qualitäten wurde er hier zur Leitfigur. Mit dem SVE holte er 1988 die Deutsche Amateurmeisterschaft (Bild in der Mitte) und durfte mehrfach den Rheinlandpokal in die Höhe recken (Foto unten recht s).

Foto: Jürgen C. Braun

Reiner Brinsa merkte früh: Fußballspielen kann er besser als vieles andere. Beim SV Welschbach unweit von Neunkirchen konnte der lange Schlaks durch herausragende Leistungen auf sich aufmerksam machen. Jupp Derwall, in den sechziger Jahren Verbandstrainer in Saarbrücken, lud ihn in die Saarlandauswahl ein, von dort aus schaffte der Junge aus dem kleinen Welschbach den Sprung in den 20er-Kader der deutschen Jugendnationalmannschaft. Unter Trainer Herbert Widmayer spielte er hier mit viel Prominenz zusammen: Die späteren HSV-Profis Rudi Kargus, Caspar Memering und Manfred Kaltz gehörten ebenso dazu wie der Gladbacher (und spätere Salmrohrer) Christian Kulik oder Duisburgs Torjäger Ronnie Worm.

Zusätzliche Nahrung bekam Brinsas Traum vom Fußballer durch die Besuche im Ellenfeldstadion in Neunkirchen. Hier sah der 13-Jährige Deutsche Meister wie Werder Bremen (1965) und 1860 München (1966) spielen, sog die Erlebnisse regelrecht in sich auf. „Wir kamen immer von oben über die Spieser Höhe zum Stadion. Da konnte man schon von weitem die Atmosphäre spüren.“ Brinsa bekommt immer noch Gänsehaut, wenn er an diese Momente zurückdenkt. Als er in Neunkirchen bei der Borussia 1970 seinen ersten Vertrag unterschreibt, nimmt der Traum Gestalt an. Schnell schafft er den Sprung in die Stammelf, schießt viele Tore, wie der Blick in sein Privatarchiv zeigt. Später wird er zum Defensivspezialisten umgeschult, kann dort seine kämpferischen Qualitäten noch besser zur Geltung bringen. Doch das Stürmerblut in seinen Adern kann er bis zum Ende der Karriere nicht verleugnen.

Weit über 200 Spiele hat er in sechs Jahren für die Borussia gemacht. Darunter einige, die sich bis heute in sein Gedächtnis eingebrannt haben: „Vor 30.000 Fans gegen den 1. FC Saarbrücken 3:1 gewonnen. Da war es so laut, dass wir auf dem Platz das eigene Wort nicht mehr verstanden haben und uns nur noch mit Mimik und Gestik verständigen konnten.“ Überhaupt das Ellenfeld: „Das beste Stadion, in dem ich je gespielt habe.“ Was er mit der altehrwürdigen Arena aus den Bundesliga-Gründerjahren noch verbindet: „Edelfan Leo, der immer mit seinem Motorrad hineingefahren kam. Und Präsident Kurt Gluding mit seiner dicken Zigarre.“ In Augsburg durfte Brinsa gegen Helmut Haller ran, sein absolutes Idol. Im Rosenaustadion bekam er den Spezialauftrag: „Nimm ihn in Manndeckung und lass ihn nicht ins Spiel kommen!“ Doch leichter gesagt als getan, wie Brinsa desillusioniert schnell feststellen musste: „Der war so raffiniert und abgezockt und hat mich ganz schön nassgemacht.“ 3:1 siegte der FCA, dank eines überragenden 1966er Vizeweltmeisters Haller.

Brinsa ist ein bodenständiger Typ. „Wenn ich mal irgendwo bin, bekommt man mich so schnell nicht wieder weg“, sagt er von sich selbst. Sicher hätte er bis ans Karriereende das Borussen-Trikot getragen, wenn da nicht der 12. Juni 1976 gewesen wäre. Glutofen Ellenfeld, Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga: Borussia gegen die Trierer Eintracht. Neunkirchen muss gewinnen, um die letzte Chance wahrzunehmen. 3:0 führt die Borussia, nach Triers Anschluss erhöht Brinsa auf 4:1. Die Partie scheint gelaufen. Doch die Eintracht schlägt zurück. 4:4 heißt es am Ende eines hochdramatischen Spiels. Neunkirchen muss weiter in der Saarlandliga, damals dritthöchste Spielklasse, bleiben. Brinsa bleibt nicht, nimmt das Angebot aus Trier wahr und wechselt gemeinsam mit seinen Mannschaftskameraden Heinz Histing und Klaus Bischoff zum Zweitliga-Aufsteiger an die Mosel.

 Reiner Brinsa

Reiner Brinsa

Foto: Josef Frisch

Hier ist Brinsa gekommen, um zu bleiben. Über 700 Spiele im blau-schwarz-weißen Dress stehen von 1976 bis 1989 auf seinem Konto. „In den ersten zwei, drei Jahren nach dem Aufstieg herrschte rund ums Moselstadion eine Rieseneuphorie. Gegen den VfB Stuttgart, 1860 München, den 1. FC Nürnberg oder Kickers Offenbach gab es tolle Kulissen. Das Stadion platzte aus allen Nähten“, lässt er die Szenerie vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Meistens spielt er mit der Eintracht gegen den Abstieg und hat es immer geschafft, in der Liga zu bleiben. Bis im Sommer 1980 ein gewisser Werner Kern aus München nach Trier kommt. Der bisherige Jugendtrainer des FC Bayern soll frischen Wind in die Mannschaft bringen, schließlich geht es für die Eintracht um die Qualifikation für die neue eingleisige 2. Liga. „Aber am Anfang lief es nicht rund. Von der Uni Trier wurde mit Uli Kuhl ein Psychologe in die Arbeit eingebunden. In Gruppengesprächen kam alles aufs Tablett, was uns nicht passte. Das hat geholfen, die Blockade gelöst. Wir haben den Bock umgestoßen und eine Serie initiiert, die uns bis auf den zweiten Tabellenplatz katapultiert hat“, erinnert sich Brinsa, der wie aufgezogen die Außenbahn rauf und runterläuft. Ein Highlight: Spitzenreiter Darmstadt 98 wird vor 14.000 Zuschauern im Moselstadion mit 4:0 regelrecht demontiert.

Das Happy End bleibt aus. „In den letzten beiden Spielen lagen die Nerven blank. Zuhause gegen bereits abgestiegene Saarbrücker verloren wir, auch benachteiligt durch eine miserable Schiedsrichterleistung, mit 0:1, und wir waren zum Finale in Homburg beim 0:4 ohne Chance. Das war ganz bitter.“

  Mit der Trierer Eintracht hielt sich Reiner Brinsa (rechts) fünf Jahre in der 2. Bundesliga, ehe 1981 der bittere Abstieg in die Oberliga erfolgt e.

Mit der Trierer Eintracht hielt sich Reiner Brinsa (rechts) fünf Jahre in der 2. Bundesliga, ehe 1981 der bittere Abstieg in die Oberliga erfolgt e.

Foto: Josef Frisch

Wie sollte es jetzt weitergehen? Die Zweitliga-Mannschaft löst sich auf. „Trainer Kern und die arrivierten Kräfte wie Müllner, Schlief, Aumeier, Fink, Hermandung und wie sie alle hießen – sie verließen uns. Trotzdem hatte Neu-Trainer Dietmar Schwager eine Truppe zusammen, mit der man eigentlich auch eine Klasse tiefer hätte Meister werden können“, erzählt Brinsa, der – wie sollte es anders sein – natürlich im Moselstadion bleibt. Denn mittlerweile ist er in Trier heimisch geworden, arbeitet als Bauzeichner im Architektenbüro Pasucha, hat mit Frau Michaela eine Familie gegründet und in Tarforst ein schmuckes Haus gebaut. Sportlich läuft es zunächst nicht rund. Der Hauptgrund: „Die Hierarchie in der Mannschaft stimmte nicht.“

Mit Schwager-Nachfolger Horst Brand hat Brinsa in Neunkirchen noch zusammengespielt, jetzt setzen sich die beiden zusammen. Rasch wird klar: Es muss ein Schnitt her. Mit Harald Kohr, Achim Wilbois, Jörg Nehren und später Wolfram Schanda und Michael Pfahler aus Homburg kommt frisches, unverbrauchtes Personal, das die Herzen der Eintracht-Fans wieder höherschlagen lässt. Brinsa wird zur Leitfigur. Der Erfolg kehrt zurück ins Moselstadion.

Für Brinsa ein Höhepunkt: Mit 3:0 werfen die Trierer 1985 den amtierenden DFB-Pokalsieger Bayer Uerdingen aus dem Wettbewerb. „Nach dem 0:0 zuhause waren wir heiß auf das Wiederholungsspiel und wollten die Partie trotz klar verteilter Favoritenrolle nicht abschenken“, erinnert sich der damalige Eintracht-Kapitän an die 90 Minuten in der Grotenburg. „Am Anfang brannte es zwar lichterloh, aber wir wurden von Minute zu Minute sicherer und mutiger. Erst recht nach dem 1:0 nach gut einer Stunde. Uerdingen war verunsichert, was wir mit einigen Sprüchen sicher auch gefördert haben: ‚Na‘ Schäfer, hast du den Pokal immer noch unter dem Arm und kannst deshalb nicht laufen‘, musste sich Uerdingens Pokalheld Wolfgang Schäfer, beim 2:1-Finalsieg gegen die Bayern Schütze des entscheidenden Tores, anhören“, lacht Brinsa. Trashtalk auf dem Platz vor knapp 37 Jahren ...

Was die langjährige Leitfigur der Eintracht bis heute wundert: „Dass dieses Spiel, das am selben Abend in den Nachrichten noch an erster Stelle vermeldet wurde, in keiner Pokalhistorie erwähnt wird. Dabei ist es nach wie vor die größte Sensation, denn noch nie war und ist es einem Amateurverein gelungen, den amtierenden Cupsieger in dessen Stadion rauszuwerfen.“

Mehrfach klopft er in diesen Jahren mit der Eintracht ans Tor zur 2. Liga, immer scheitert man knapp. 1986 nur wegen der gegenüber dem FSV Salmrohr weniger erzielten Treffer, 1987 nach einem Handtor von Sandhausens Gerd Dais („Jeder im Stadion hat es gesehen, nur der Schiedsrichter nicht.“) und eines verschossenen Brinsa-Elfmeters („Der einzige, den ich für die Eintracht verschossen habe.“). Ein kleiner Trost und trotzdem der größte Erfolg in Brinsas Karriere: Die Deutsche Meisterschaft 1988. Zwar nur bei den Amateuren, doch immerhin: Im Finale siegt Trier beim VfB Oldenburg 5:4 nach Elfmeterschießen. Stolz stemmt Brinsa die Trophäe, den Carl-Riegel-Pokal, in die Höhe. Nicht nur als Kapitän, sondern auch als Spielertrainer (Nachfolger von Guido Mey) hat er sein Team zum Titel geführt. Der mehrfache Gewinn des Rheinlandpokals gehört ebenfalls zu seiner Bilanz.

1989 ist für ihn bei der Eintracht Schluss. „Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist“, sagte er sich. Nach vier Jahren bei Aris Bonneweg in Luxemburg öffnet sich als Trainer bei Victoria Rosport ein neues Fenster. Durch Zufall: „Meine Schwiegereltern hatten einen Wohnwagen auf dem Campingplatz in Rosport stehen. Dort sind wir im Sommer oft hingefahren. Ich habe die Kulisse des nahen Sportplatzes gehört und bin einfach mal hingegangen, wurde von Jean-Paul Kolbusch, der auch Redakteur beim Luxemburger Wort war, angesprochen.“

Das Team des damaligen Drittligisten kann er nach seinen Vorstellungen formen, holt dank seines guten Netzwerks vor allem viele Spieler aus dem benachbarten deutschen Raum. Die Gemeinde verbessert die Infrastruktur des Sportgeländes und schafft so die Voraussetzungen für den Sprung zunächst in Liga zwei, dann sogar in die höchste Spielklasse, die Nationaldivision. Auch hier sorgt der kleine Club auch dort für Furore. Im zweiten Jahr gelingt die Qualifikation für den UI-Cup. Gegen den IFK Göteborg verwirklicht Brinsa als Trainer einen weiteren Traum: Einmal im Europacup spielen. „Fast der ganze Ort hat uns mit dem Flieger nach Schweden begleitet. Wir haben uns gut geschlagen, zuhause nur 1:2 und im Ullevi-Stadion mit 1:3 verloren.“ 15 Jahre ist er im Sauertal für die sportlichen Belange verantwortlich. 2009, nach Erreichen des Pokalendspiels, das gegen Grevenmacher verloren geht, endet die Erfolgsstory der Victoria und Brinsa. Wie gesagt: Aufhören, wenn es am Schönsten ist ...

Brinsa ist bis heute jung geblieben. Die fast 70 Jahre (am 1. August feiert er den runden Geburtstag) sieht man ihm nicht an. „Das hat sicherlich damit zu tun, dass ich immer mit jungen Leuten gearbeitet habe“, vermutet er. Auch die Figur ist fast immer noch so wie zu besten Fußballerzeiten. Dafür sorgt die sportliche Betätigung, sei es das Krafttraining oder der Skiurlaub im Kleinwalsertal. Auch die Familie ist für ihn Lebenselixier. Sohn Sascha hat bis zur B-Jugend beim FSV Tarforst gekickt, dann aber die Fußballschuhe in die Ecke gestellt und sich dem Skateboardfahren gewidmet. „Vielleicht habe ich ihn zu viel angetrieben“, sagt der Vater. Tochter Gina arbeitet als Fitnesscoach.

Was bleibt unterm Strich? Was hat der Fußball ihm gegeben? „Viel Emotionen, viel Leidenschaft, viel Zusammengehörigkeitsgefühl. Vor allem auch die Erkenntnis, dass man nur Erfolg haben kann, wenn alle zusammenarbeiten.“ Seine Philosophie als Trainer: „Faule Eier habe ich immer sofort aussortiert. Mögen sie auch noch so gut sein: Sie vergiften den Teamgeist. Wichtig auch: Offene Kommunikation, niemals hintenrum, immer die Wahrheit gerade heraussagen. Die Spieler danken es einem.“

Seinen Clubs ist er bis heute verbunden: Für die Eintracht ist er hin und wieder als Scout unterwegs, auch im Neunkircher Ellenfeld sieht man ihn gelegentlich auf der Tribüne. Sein größter Wunsch: „Dass beide Vereine sich sportlich wieder in einer Liga begegnen.“

 Reiner Brinsa

Reiner Brinsa

Foto: Josef Frisch

Anstrengende Jahre liegen hinter ihm: Jeden Morgen um 8 Uhr im Büro, ab 17.30 Uhr ab zum Training, meist erst gegen 22 Uhr erst zuhause, und am Wochenende der Spielbetrieb. „Wie habe ich all das die ganzen Jahre bloß geschafft?“ fragt sich der Ruheständler im Rückblick auf die Karriere. Es war eine stressige, aber sehr erfüllende Zeit. Mit einem wahr gewordenen Traum.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort