Serie „Sooo ein Tag“ Moselstadion als Bühne für Bestmarken

Trier · Erst einmal in mehr als 100 Jahren deutscher Leichtathletik-Geschichte gab es eine nationale Meisterschaft (der Aktivenklasse) in der Region: Die Titelkämpfe über 10 000 Meter 1993 im Moselstadion sind als mit die besten und stimmungsvollsten dieser Art in Erinnerung geblieben und bilden den nächsten Teil unserer Serie „Sooo ein Tag“.

 Fü r seine Spit  zenzeit von 27:57,98 Minuten über 10 000 Meter ließ sich der neue Deutsche Meister Stéphane Franke vom Trierer Publikum feiern. Die Organisatoren von PST und TVG Trier hatten rund um die Titelkämpfe im Moselstadion an alles gedacht. So gaben sie ein Programmheft heraus, und Tickets gab es in drei Kategorien. Erwachsene zahlten damals fünf Mark Eintritt (umgerechnet rund 2,50 E uro).

Fü r seine Spit zenzeit von 27:57,98 Minuten über 10 000 Meter ließ sich der neue Deutsche Meister Stéphane Franke vom Trierer Publikum feiern. Die Organisatoren von PST und TVG Trier hatten rund um die Titelkämpfe im Moselstadion an alles gedacht. So gaben sie ein Programmheft heraus, und Tickets gab es in drei Kategorien. Erwachsene zahlten damals fünf Mark Eintritt (umgerechnet rund 2,50 E uro).

Foto: privat

Der Bundestrainer war skeptisch. „Als die Deutschen Meisterschaften über die 10 000 Meter nach Trier vergeben wurden, war mir zunächst nicht ganz geheuer, ob der äußere Rahmen einen Status erreichen kann, der Leistungen ermöglicht“, schrieb Lothar Hirsch an Mitorganisator Berthold Mertes.

Die Skepsis war aber unbegründet. Am 15. Mai 1993 herrschten mit 15 Grad und nahezu Windstille ideale Bedingungen und eine Stimmung im Moselstadion, wie man sie vor- und nachher nur selten (wenn überhaupt) noch bei einer nationalen Langstreckenmeisterschaft erlebte.

Post-Sportverein (PST) und TV Germania Trier (TVG) hatten sich trotz aller sportlicher Rivalität für die Organisation zusammen getan und die Region mit ins Boot genommen. Günter Heidle (PST) war zusammen mit dem Kirner Wolfgang Bender technischer Leiter. Der vor vier Jahren verstorbene Christoph Güntzer Ansager und Berthold Mertes (beide damals TVG und später Gründer des Vereins Silvesterlauf Trier) Presseleiter. Der Bernkastel-Wittlicher Leichtathletik-Kreisvorsitzende Ludwig Beißel trommelte 40 Rundenzähler zusammen. Mit beispielsweise Egon Sommer aus Tawern und Gerd Steffes vom Running Team Südeifel stießen zwei erfahrene Lauforganisatoren dazu.

Die bisher einzigen nationalen Leichtathletik-Meisterschaften der Aktivenklasse in der Region waren ein Gemeinschaftsprojekt. 1991 hatten zwar die über 50-Jährigen in Trier ihre deutschen Meister ermittelt, aber die Seniorentitelkämpfe waren kein Vergleich. Zum einen sportlich: Im Vorfeld der Heim-WM in Stuttgart stellten die deutschen Asse zwei Weltjahresbestzeiten auf. Die Berlinerin Kathrin Weßel, die 30 Jahre lang bis zum vergangenen Wochenende den deutschen 10 000-Meter-Rekord hielt (in der Nacht von Samstag auf Sonntag verbesserte die Leverkusenerin Konstanze Klosterhalfen die Bestmarke in den USA um zwei Sekunden auf 31:01,71 Minuten), lief 32:00,52 Minuten. Der spätere WM-Vierte Stéphane Franke (Kornwestheim, verstarb bereits 2011 im Alter von 47 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit) tat mit 27:57,98 Minuten das Seine, dass Trier nach den Pfingstsportfesten in den 1970er Jahren wieder mit Stadion-Leichtathletik über die Landesgrenzen hinaus in Erscheinung trat.

Dann war da die Atmosphäre. „Die Tribüne war rappelvoll“, erinnert sich Berthold Mertes. Guido Streit, 1993 mit 18 Jahren der einzige Starter aus der Region, erinnert sich im bestem Trierisch: „Da wirkten die 2000 wie Milljune!“

Die laut TV vom 17. Mai 1993 sogar über 2000 Zuschauer, darunter auch der frischgebackene, zu dem Zeitpunkt aber verletzte Olympiasieger Dieter Baumann, machten ordentlich Stimmung, natürlich gerade auch für den Lokalmatador im Juniorenrennen. „Man braucht einen Local Hero“, weiß und wusste Berthold Mertes. Guido Streit, kaum zwei Jahre zuvor bei der Silvesterlauf-Premiere „entdeckt“, war ein Glücksfall. Der Sirzenicher im TVG-Trikot qualifizierte sich bei seiner Heim-DM als Zweitschnellster der U 20 in 30:41,16 Minuten für die Nachwuchs-Europameisterschaft.

„Die Idee war eigentlich, schneller zu laufen“, blickt Streit zurück. Doch der Heimvorteil war auch ein bisschen Fluch. Der junge Läufer ließ sich zu Beginn vom euphorischen Publikum etwas zu sehr antreiben. Dass man dann in der Regel auf der zweiten Hälfte von 25 Stadionrunden schwer kämpfen muss, ist eine Binsenweisheit.

Aber wegen der Leiden hat sich Streit die Heim-DM nicht ins Gedächtnis eingebrannt. „Als junger Kerl hat man ja noch so richtig große Ziele und fühlt sich im eigenen Stadion dann wie ein kleiner Gott“, sagt er schmunzelnd. Eine solche Organisation wie bei der Trierer 10 000-Meter-DM habe er später nie wieder erlebt. „Wenn so etwas in Trier gemacht wird, dann richtig“, resümiert der heute 46-Jährige.

Zufall war das nicht. „Um die Meisterschaft zu stemmen, sind wir ein Jahr zuvor nach Jena (Anmerkung: zur 10 000-Meter-DM 1992) gefahren, um zu sehen, was so abgeht“, erzählt Günter Heidle. Und wenn man schon mal Deutsche Meisterschaften in Trier hatte, dann auch richtig, mit allen Drum und Dran. Ein Kran präsentierte Werbung in luftiger Höhe über dem Stadion. Es gab drei Kategorien von Eintrittskarten (Freikarten, ermäßigt, Erwachsene), die an verschiedenen Vorverkaufsstellen angeboten wurden, unter anderem in der damaligen TV-Geschäftsstelle am Nikolaus-Koch-Platz. „Heute nun muss ich sagen, dass die Atmosphäre insgesamt so gut war, wie ich es selten erlebt habe. Die Leistungen sagen eigentlich alles“, musste Bundestrainer Hirsch in seinem Fazit denn auch eingestehen.

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