Interview mit den Sportkreisvorsitzenden aus der Region Das sind die Kümmerer für den Sport vor Ort

Region · Zuschüsse, Ratschläge, Ehrungen und vieles mehr: Bei den Sportkreisen laufen die Fäden zusammen. Über Aufgaben, Probleme und Ziele.

 Rugby, Radfahren, Rudern: Das Sportangebot in der Eifel, an Mosel, Sauer, Saar und im Hunsrück ist vielfältig. Die Sportkreise dienen den Vereinen als Förderer und Vermittler.

Rugby, Radfahren, Rudern: Das Sportangebot in der Eifel, an Mosel, Sauer, Saar und im Hunsrück ist vielfältig. Die Sportkreise dienen den Vereinen als Förderer und Vermittler.

Foto: FSV Tarforst/Viktoria M. H. Kling

Von Aikido über Fuß- und Handball bis hin zum karnevalistischen Tanzsport und Zumba: Das sportliche Angebot im nördlichen Rheinland-Pfalz ist riesengroß. Der Sportbund Rheinland (SBR) umfasst rund 600.000 Mitglieder in knapp 3000 Vereinen. Er bietet ein breites Qualifizierungs-, Beratungs- und Informationsangebot sowie umfangreiche finanzielle Hilfen für die Vereinsarbeit. Vor Ort pflegen die Sportkreise mit ihren Vorständen die Kontakte zu den Vereinen und Vorständen. Sie sind Anlaufstelle für Anträge, unterstützen Aktionen des Sportbundes Rheinland und kümmern sich um einiges mehr.

In der Region gibt es die Sportkreise des Eifelkreises Bitburg-Prüm, Vulkan­eifel, Bernkastel-Wittlich, Trier und Trier-Saarburg. Wofür stehen die Sportkreise genau? Wo sind die Probleme und worin liegen die Herausforderungen? Wir haben uns bei den jeweiligen Vorsitzenden umgehört und sie gefragt, wie es um den Sport an der Basis steht.

Wie sehen Sie den Sport in Ihrem Kreis generell aufgestellt?

Trier/Region: Das sind die Kümmerer für den Sport vor Ort​
Foto: Holger Teusch

PETER MICHAELI, Sportkreis Bitburg-Prüm Der Sport in unserem Kreis ist nach wie vor gut aufgestellt. Die Sportstättensituation ist jedoch verbesserungsbedürftig. Es fehlt mindestens ein Kunstrasenplatz – und zwar vornehmlich im südlichen Teil des Eifelkreises. Ein solcher Platz würde in den Herbst- und Wintermonaten eine Entlastung für die Rasenplätze bringen. Die Situation bezüglich der Fußballplätze ist insgesamt jedoch noch zufriedenstellend. Bei den Hallenbädern und den Sporthallen ist die Situation dagegen erheblich schlechter. Die derzeitigen Sanierungen von mehreren Sporthallen sind eine Herausforderung für die Vereine. Der Mangel an Hallenbädern ist mehr als unbefriedigend, was gerade die Kinder und die älteren Menschen negativ trifft.

MICHAEL BITDINGER, Vulkaneifel Es gibt bei uns aktuell sowohl positive als auch negative Entwicklungen. Die Sportstätten werden allgemein immer weiter modernisiert und auch die Vereinsheime erneuert. Dies bestätigt eine dauerhaft hohe Anzahl an Förderanträgen. Die negativen Entwicklungen sehen wir vor allem im Bereich der Mitgliedergewinnung und -pflege. Immer weniger junge Menschen zieht es in die Vereine. Somit droht ein starkes Vereinssterben.

GÜNTER WAGNER, Bernkastel-Wittlich Aufgrund der in den vergangenen Jahren unvorhersehbaren Ereignisse (Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, steigende Energie-, Bau- und Lebenshaltungskosten) haben viele Vereine versucht, ihre Aktivitäten fortzuführen und darüber hinaus die Internetplattformen genutzt, um die Mitglieder weiter in Bewegung zu halten. Zudem wurde diese Zeitspanne genutzt, um die vorhandene sportliche Infrastruktur zu verbessern. Neben umfangreichen Sanierungsmaßnahmen für in die Jahre gekommene Clubheime wurden beispielsweise Flutlichtanlagen auf LED-Beleuchtung umgerüstet, Tennisplätze in ganzjährig bespielbare Anlagen umgewandelt sowie die Bäder der Stadt Wittlich und Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues erneuert beziehungsweise energetisch saniert. Die sportliche Infrastruktur in unserem Sportkreis kann auch dank der Unterstützung der Kommunen, des Landkreises und des Sportbundes sowie der Eigeninitiative der Vereine als gut bewertet werden.

 Vulkanbike rund um Daun in der Vulkaneifel

Vulkanbike rund um Daun in der Vulkaneifel

Foto: Holger Teusch

MICHAEL MAXHEIM, Sportkreis Trier-Stadt: Wir bieten unseren Vereinen eine Vielfalt von Angeboten – für alle Altersbereiche. Das Angebot für den Seniorensport sollte vereinzelt neu überdacht werden. Die Sportstättensituation muss verbessert werden, damit Übungs- und Trainingszeiten effektiv genutzt werden können. Insbesondere sollte hier noch mehr auf eine gemeinsame Nutzung durch Schulen, Hochschule und Universität sowie Vereine hingewirkt werden.

JENS TOSSING, Sportkreis Trier-Saarburg Die Situation ist von Verein zu Verein und von Gemeinde zu Gemeinde stark unterschiedlich. Bei kleinen und mittleren Baumaßnahmen sieht es derzeit gut aus, aber gerade größere Projekte, die über 75.000 Euro kosten, können wegen fehlender Mittel oft jahrelang nicht umgesetzt werden. Unsere Vereine finden dann oft kreative Lösungen, um ihren Sport dennoch auszuüben. Das größte Problem betrifft nicht die Sportstättensituation, sondern das Ehrenamt. Auch in vielen Sportvereinen bestehen immer größere Probleme, Vorstände zu besetzen, auch an Übungsleitern und Schiedsrichtern fehlt es.

Wie hat sich die Anzahl der Vereine und Mitglieder in den vergangenen Jahren in Ihrem Sportkreis entwickelt?

MICHAELI Im Jahr 2003 etwa hatten wir 193 Vereine und 26.876 Mitglieder. 20 Jahre später sind es zwar zehn Vereine weniger, aber 27.851 Mitglieder. Der Sportkreis Bitburg-Prüm gehört damit zu den drei im Sportbund Rheinland mit einem Mitgliederzuwachs. Es ist eine Entwicklung entgegen dem allgemeinen Trend.

BITDINGER Derzeit sind im Vulkan­eifelkreis 19.437 Mitglieder in 123 Vereinen organisiert. Wenn man auf die historischen Zahlen schaut, sieht man, dass die Zahlen über die vergangenen Jahre hinweg rückläufig sind. Hier gilt es gegenzusteuern. Menschen müssen wieder für das Vereinsleben und das Ehrenamt begeistert werden.

WAGNER Von 40.849 Menschen, die 2010 im Sportkreis Bernkastel-Wittlich noch organisiert waren, sank die Zahl bis 2019 auf 38.271. Drei Jahre später und damit nach Ende der Corona-Pandemie waren es noch 35.914. Derzeit liegen wir bei 36.414 Menschen, die in einem Sportverein organisiert sind. Seit 2010 hat sich die Anzahl der Vereine von 224 auf 216 reduziert. Positiv ist also, dass der hauptsächlich durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie ausgelöste Mitgliederschwund gestoppt werden konnte und die Vereine seit 2022 wieder Zuwächse verzeichnen können.

MAXHEIM Im Jahr 2009 waren es noch 109 Vereine mit 26.661 Mitgliedern. 2018 hatten wir 99 Vereine und 27.282 Personen. Momentan liegen wir bei 96 Clubs, die 28.124 Mitglieder umfassen. Obwohl die Anzahl der Vereine seit 2009 zurückging, nahmen die Mitgliederzahlen zu.

TOSSING Jahr 2009 hatten wir 243 Vereine und 45.510 Mitglieder. Der niedrigste Bestand wurde 2022 nach der Corona-Pandemie erreicht. In 221 Vereinen waren da noch 42.398 Mitglieder organisiert. Inzwischen hat es einen klaren Aufschwung gegeben. Zum 1. Januar 2023 waren in den inzwischen 219 Vereinen wieder 43.488 Mitglieder organisiert. Dieser Aufschwung erklärt sich zum einen mit der Wiederanmeldung von vielen Personen, die sich in der Corona-Pandemie abgemeldet hatten. Zudem haben hier die Mitgliederkampagnen im Rahmen des Projekts „Comeback der Bewegung“ Wirkung gezeigt.

Wie kann Ihr Sportkreis den Vereinen ganz konkret helfen?

MICHAELI Wir beraten bei Fort- und Weiterbildungen, Sportstättenförderungen sowie Satzungs- und Versicherungsfragen – in Zusammenarbeit mit dem Sportbund Rheinland. Zu meinen Aufgaben als Vorsitzender gehört unter anderem die Vermittlerrolle zwischen Vereinen und Kommunen.

BITDINGER Der Sportkreis Vulkaneifel kann die Vereine vor allem mit seinen Förderprogrammen und der Vermittlung weiterer -möglichkeiten und Kontakte unterstützen. Es muss über die Ausweitung der Förderungen nachgedacht werden – und das nicht nur auf Ebene des Sportbundes. Vor allem Nachhaltigkeitsprojekte sollten effektiv gefördert werden. LED-Flutlichtanlagen, Brunnenbohrungen, Photovoltaikanlagen zum Beispiel sind hier die Stichworte, da viele Vereine eine große Menge Strom und Wasser verbrauchen.

WAGNER Bei der Gewinnung von Mitgliedern kann der Sportkreis den Vereinen leider nicht helfen. Hier sind Eigeninitiative, Weitsicht und Fachkompetenz der Vereinsvorstände gefragt. Ergänzend hierzu bietet der Sportbund zur Mitgliederakquise im Internet und durch Seminare Foren an, zum Beispiel die Comeback-Aktion oder „Sport bewegt Menschen“.

MAXHEIM Wir unterstützen die Vereine bei Erinnerungen von Abgabeterminen und Informationen gegenüber dem Sportbund Rheinland, beraten sie mit eigenen Sportanlagen zum Förderprogramm des SBR und zum Sonderprogramm des Landes Rheinland-Pfalz. Wir sind in kommunalen Gremien und Gremien von Sponsoren vertreten, beraten die Vereine bei Ehrungsanträgen für verdiente Vereinsvorstände.

TOSSING Vom SBR gibt es sowohl verschiedenste Formen der Förderung – von Baumaßnahmen an Sportstätten über langlebige Sportgeräte bis hin zu Jugendfreizeiten durch Förderungen der Sportjugend. Außerdem bietet der SBR ein sehr breites Fortbildungsprogramm an, sowohl online als auch vor Ort. Vom Steuerrecht bis zur Übungsleiterlizenz wird alles vermittelt, was für die tägliche Arbeit im Verein benötigt wird. Auch eine Beratung vor Ort durch professionelle Vereinsberater ist möglich, wenn ein Verein ein sehr spezifisches Problem hat oder sich beispielsweise ein Vorstand komplett neu zusammensetzt. Als Sportkreisvorsitzender ist es meine Aufgabe, Anliegen der Vereine aufzunehmen und in die richtigen Bahnen zu lenken. Neben den vielen Angeboten des Sportbundes ist es dabei vor allem wichtig, Menschen miteinander zu vernetzen.

Wo sehen Sie aktuell die größten Probleme und Herausforderungen – und welche Lösungsmöglichkeiten könnte es geben?

MICHAELI Die Gewinnung und Qualifizierung von Übungsleitern, Trainern und Vorstandsmitgliedern ist seit jeher die größte Herausforderung für unsere Vereine. Ich halte eine Arbeitsteilung innerhalb des Vorstandes für wichtig, damit niemand überfordert wird. Für die Organisation und Durchführung von Festen und Veranstaltungen etwa haben sich feste Teams bewährt, die temporär zum Einsatz kommen.

BITDINGER Die größten Herausforderungen sehen wir und die Vereine definitiv in der Mitgliedergewinnung und -pflege, vor allem im Jugendbereich. Viele Sportler beenden die aktive Karriere, und nur wenig Nachwuchs rückt nach. Hinzu kommt, dass sich inaktive Vereinsmitglieder immer weniger ehrenamtlich beteiligen, was die Situation der Vereine immer schwieriger macht. Sport und Ehrenamt müssen wieder mehr Begeisterung finden.

WAGNER Ein Problem liegt aus meiner Sicht in dem täglichen Zeitfenster, beispielsweise bedingt durch die Ganztagsbetreuung an Schulen, wodurch  Kinder und Jugendliche in ihren Freizeitaktivitäten eingeschränkt werden. Hier müsste dem Fach Schulsport durch gut ausgebildete und motivierte Sportlehrer viel mehr Beachtung und Aufmerksamkeit gewidmet werden. Nicht umsonst hat sich der Sportwissenschaftler und Gesundheitsexperte Prof. Dr. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln insbesondere nach der Corona-Pandemie mit dem akuten Bewegungsmangel der Kinder und Jugendlichen befasst. Demnach wurde in statistischen Erhebungen festgestellt, dass vor allen Dingen bei Kindern und Jugendlichen erhebliche Bewegungsdefizite vorliegen. Darüber hinaus bereiten uns die E-Sport-Angebote und die permanente Präsenz im Internet einige Sorgen, die mittlerweile schon zum Tagesgeschäft der Kids gehören. Um dem entgegenzuwirken, sind beispielsweise Kooperationen mit Kindergärten und Schulen (etwa im Zuge der Ganztagsbetreuung in Schulen) vor Ort eine Möglichkeit, frühzeitig bei Kindern und Jugendlichen das Interesse am Sport und somit auch am Verein zu wecken. Dies bedingt, dass die Vereine auf qualifizierte und kompetente Übungsleiter zurückgreifen können.

MAXHEIM Viele Vereine benötigen dringend Übungsleiter, um ihre Angebote für alle Mitglieder halten zu können. Junge, talentierte Vereinsmitglieder gilt es, frühzeitig in den Verein einzubinden. Vereine sollten offen für Veränderungen sein. Durch leere Kassen beziehungsweise verschuldete Haushalte der öffentlichen Träger werden oftmals vorgesehene Erneuerungen oder Investitionen, sogenannte freiwillige Leistungen, gestrichen oder auf spätere Jahre verschoben. Hier entsteht dann ein gewisser Stau. Da Sport von allen ausgeübt werden kann, sollte das Ganze für die Politik als Pflichtaufgabe gelten. Dazu wären Gesetzesänderungen erforderlich. Ein weiteres Problemfeld ist, dass Vorstände teilweise keine Nachfolger für alle wichtigen Funktionen in einem Verein finden.

TOSSING Es fehlt an ehrenamtlich aktiven Menschen. So erfreulich die Entwicklung mit vielen Kindern, welche nach den Lockdowns wieder zum Sport strömen, ist, fehlen in vielen Vereinen Übungsleiter, die sie betreuen. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das der Sport alleine schwer lösen kann und für das es leider auch kein Patentrezept gibt. Im Einzelfall kann es helfen, Menschen, denen man eine Aufgabe zutraut, persönlich gezielt anzusprechen. Manchmal bestehen unrealistisch hohe Erwartungen an das, was von Ehrenamtlichen verlangt wird. In persönlichen Gesprächen lassen sich oft Bedenken zerstreuen.

Was sind Ihre größten Ziele für die nächsten Jahre?

MICHAELI Es gilt, weitere Trainer und Übungsleiter sowie Vorstandsmitglieder zu qualifizieren. Wichtig ist uns auch eine Ausweitung der Zusammenarbeit der Vereine mit Kindergärten und Schulen. Wir wollen eine Sportstättenanalyse und damit einhergehend eine Sportstättenbedarfsplanung auf den Weg bringen und unseren Vorstand um eine kompetente Person für dieses Aufgabenfeld erweitern.

BITDINGER Die größte Aufgabe sehe ich darin, das Vereinssterben weiter zu bremsen. Vereine sind die Anlaufstellen im Dorf, in der Bewegung gefördert und die Gesellschaft gestärkt wird. Hierzu muss vor allem in der Jugendarbeit angesetzt werden, um den benötigten Nachwuchs auch für den Sport begeistern und binden zu können. Ehrenamt muss wieder Spaß machen und wertgeschätzt werden. Bürokratie muss abgebaut werden. Nur so können Vereine weiter am Leben gehalten werden. Die oft sehr engagierten Vorstände können dieses Thema alleine nicht lösen.

WAGNER Mein größtes Ziel und zugleich angenehme Verpflichtung ist es, unseren aktuell 216 Vereinen weiterhin stets hilfreich zur Seite zu stehen und das „Sportschiff“ bei unruhiger See und manchmal auch etwas Gegenwind auf Kurs zu halten.

MAXHEIM Wir wollen mehr Kinder und Jugendliche für den Sport begeistern, den Seniorensport ausbauen und die Sportstättensituation für den Leistungssport verbessern. Zudem möchten wir die Zusammenarbeit mit politischen Gremien verbessern und die Bürokratie abbauen.

TOSSING Ich möchte die Sportvereine untereinander noch besser vernetzen. Ansonsten geben die Vereine und die gesamtgesellschaftliche Entwicklung die Ziele vor – egal ob die Corona-Pandemie oder die Energiepreiskrise, die voriges Jahr viele Vereine hart getroffen hat: Wir können als Sportkreis oft nur auf aktuelle Herausforderungen reagieren, eine langfristige Planung ist schwierig. Gerade deswegen ist ein gutes Netzwerk wichtig.

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