Extremsport Mit Rad und Säubrennerflagge über die Kanaren

Las Palmas/Wittlich · Der Wittlicher Matthias Welther durchquerte beim Radrennen GranGuanche in zwei Tagen fünf Kanarische Inseln. Der 35-Jährige startete ambitioniert, wurde von einem Defekt ausgebremst, gab aber nicht auf, als ihm mitten in der Nacht auf 1800 Meter Höhe die Kette riss.

 Obwohl sich Matthias Welther genau überlegen musste, was er beim Extrem-Radrennen auf den Kanarischen Inseln als Gepäck mitnahm, hatte der Wittlicher die Säubrennerflagge mit dabei.

Obwohl sich Matthias Welther genau überlegen musste, was er beim Extrem-Radrennen auf den Kanarischen Inseln als Gepäck mitnahm, hatte der Wittlicher die Säubrennerflagge mit dabei.

Foto: privat
Wittlicher Matthias Welther bei Extrem-Radrennen auf den Kanarischen Inseln

Wittlicher Matthias Welther bei Extrem-Radrennen auf den Kanarischen Inseln

Foto: privat
 Wittlicher Matthias Welther bei Extrem-Radrennen auf den Kanarischen Inseln

Wittlicher Matthias Welther bei Extrem-Radrennen auf den Kanarischen Inseln

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In den Anfangsjahren der Tour de France waren die Etappen noch mehrere Hundert Kilometer lang und die Fahrer mussten Defekte an ihren Fahrrädern eigenhändig reparieren. Ähnlich funktionieren heute noch Ultralangstrecken-Amateurrennen, wie das GranGuanche auf den Kanarischen Inseln. Die Fahrer sind auf sich gestellt, müssen Verpflegung, Kleidung und Ersatzteile selbst dabei haben. Matthias Welther vom RSC Stahlross Wittlich wagte sich in das Abenteuer über 600 Kilometer mit 14.000 Höhenmetern über fünf Inseln im Atlantik.
Irgendwo auf rund 1800 Meter Höhe trat der 35-Jährige bei der Durchquerung von Gran Canaria plötzlich ins Leere. Kettenriss! Um drei Uhr nachts. Mutterseelenallein beim Aufstieg in den Bergen rund um das Wahrzeichen der Insel, den Roque Nublo, stand Welther sprichwörtlich und real im Regen. „Weil ich kein passendes Werkzeug dabei hatte, blieb mir nicht anderes übrig, als zu schieben und irgendwo Hilfe herzubekommen“, erzählt er. Noch sechs Kilometer ging es bergauf. Sein Rennrad leicht, das Gepäck minimal, aber an den Füßen hatte der Wittlich nur die seine Radschuhe mit den Platten für die Klickpedale. Zum Gehen, zumal über lange Strecken, sind solche Schuhe nicht geeignet. Dazu kamen Regen und Wind. Sein Radcomputer habe vier Grad angezeigt, erzählt Welther. „Ich hatte teilweise Angst und dachte nur, dass ich schnellstmöglich runter vom Berg muss, da ich komplett nass war und mir somit auch extrem kalt“, erzählt Welther. Sein Blick fiel immer wieder auf das Bild seiner Tochter auf dem Lenker. Es sollte ursprünglich zum schnelleren Fahren anspornen. Jetzt motivierte es ihn zum Durchhalten.
Auf dem Scheitelpunkt des Anstiegs angekommen, konnte Welther zumindest wieder aufs Fahrrad steigen und bergab rollen. Wärmer wurde es ihm dadurch natürlich nicht. Das erste beleuchtete Haus in der Morgendämmerung steuerte er an. „Es war ein ziemlich schickes Hotel. Ich bin total durchnässt in meiner mit Kettenfett verschmierten Daunenjacke in die Lobby“, erzählt der Wittlicher. Der junge Mann an der Rezeption nahm ihn eine Stunde später, als er Feierabend hatte, mit in den nächsten Ort.
Welther sorgte zunächst dafür, dass die örtliche Bäckerei mit einem unerwarteten hohen frühmorgendlichen Umsatz in den Tag startete. Seine Energiedepots mit Backwaren wieder auffüllend setzte der Familienvater sich anschließend zwei Stunden vor den Radladen, bis dieser öffnete. Mit neuer Kette sollte es wieder bergauf zu dem Punkt gehen, wo er die Rennstrecke verlassen hatte. So verlangen es die Regeln. „Nach fünf Kilometern habe ich gemerkt, dass ich nicht schalten kann“, erzählt Welther. Die neue Kette passte nicht richtig auf die Zahnräder. Also wieder zurück zum Radladen. Mit dem entsprechenden Werkzeug reparierte Welther seine alte Kette, indem er sie um das gerissene Glied kürzte und konnte das Rennen wieder aufnehmen.
„Ich hatte zwölf Stunden Vorsprung auf eine Gruppe, als ich am Vorabend auf Fuerteventura noch die letzte Fähre bekommen habe. Aber nach der ganzen Aktion war ich mit diesen Leuten auf der Fähre nach Teneriffa“, erzählt Welther, dass sein Rennplan durch den Defekt gescheitert war. Sein Ziel war es gewesen, die mehr als 600 Kilometer inklusive Fährüberfahren in weniger als 50 Stunden zu absolvieren.
„Weil ich das sowieso nicht mehr schaffen konnte und die Nacht extrem viele Körner gekostet hat, habe ich mir in Santa Cruz für fünf Stunden ein Zimmer gebucht, um zu schlafen.“ Ursprünglich wollte Welther nur auf den Fähren schlafen. Auf den ersten beiden Etappen über Lanzarote (110 Kilometer) und Fuerteventura (135 Kilometer) blieb er voll im Plan. Teneriffa (145 Kilometer) und La Gomera (100 Kilometer) zum Abschluss schaffte er ebenfalls innerhalb eines Tages. Allerdings bereits ohne Druck. „Die Platzierung war mir jetzt völlig egal“, sagt er. Dafür konnte er die Natur umso mehr genießen und sich die Zeit nehmen, ein Foto mit der Säubrennerflagge, die er trotz Gewichtsminimierung im Gepäck hatte, zu schießen.
Dass unerwartete Dinge wie ein Kettenriss bei Ultra-Radtouren alle Pläne durcheinanderwerfen können, müsse man wissen, wenn man sich auf so etwas einlasse, sagt Welther. „Man weiß nie genau, was passiert. Man kann auf einige Dinge vorbereitet sein, ist aber immer auf sich allein gestellt. Das ist genau das, was den Reiz ausmacht.“ Das sei das Abenteuer!

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