Zukunft des Leistungssports ,Mister Achter’ Richard Schmidt aus Trier schlägt Alarm

Trier · Er ist Deutschlands bester Riemen-Ruderer aller Zeiten. Nach seinem Karriere-Ende blickt der 34-Jährige mit Sorge auf den ambitionierten Sportler-Nachwuchs. Was er kritisiert. Was er fordert.

 Stoßen auf ein erfolgreiches Jahr beim RV Treviris Trier an: Emma König, Valentin Wiering, Johann Kleis, Matthias Woitok, Richard Schmidt, Annika Elsen, Katharina Bauer und Lea Müller-Ruchholtz (von links).

Stoßen auf ein erfolgreiches Jahr beim RV Treviris Trier an: Emma König, Valentin Wiering, Johann Kleis, Matthias Woitok, Richard Schmidt, Annika Elsen, Katharina Bauer und Lea Müller-Ruchholtz (von links).

Foto: TV/Mirko Blahak

13 Jahre gehörte der Trierer Ruderer Richard Schmidt dem Deutschland-Achter an. 13 Jahre lang galt es immer wieder, sich aufs Neue für das Flaggschiff des Deutschen Ruder-Verbands zu empfehlen. Eine Schinderei. Lust und Last zugleich. Eine Lebensaufgabe. Eine Leidenschaft.

Nun hat Schmidt, inzwischen 34 Jahre alt, Schluss gemacht. Als erfolgreichster deutscher Riemen-Ruderer ist er von Bord gegangen. Als Olympiasieger 2012, als zweifacher Olympia-Silbermedaillengewinner bei den Spielen 2016 in Rio und 2021 in Tokio. Als sechsfacher Weltmeister. Als neunfacher Europameister.

Ein Einschnitt im Leben, der Schmidt nicht leicht fällt. „Es ist schon hart. Ich war in den vergangenen Jahren bereit, für den Sport vieles zu opfern. Das dann alles aufzugeben, ist echt nicht einfach“, sagte Schmidt im TV-Gespräch am Rande des Sommerfests seines Heimatvereins RV Treviris Trier (siehe Extra).

Ihm fehlt das tägliche Ruder-Training. Er vermisst die Teamkameraden. Nicht nachweinen wird er dagegen der Plackerei im Boot im Winter bei drei Grad und Nebel auf dem Dortmund-Ems-Kanal am Bundesstützpunkt in Dortmund. Und er schätzt eine neu gewonnene Flexibilität im Alltag für private Dinge.

In den vergangenen Jahren hat Schmidt immer wieder mal überlegt aufzuhören. Nach dem Triumph 2012 in London („Da hatte ich aber noch zu viel Lust. Es wäre der falsche Zeitpunkt gewesen.“). Nach den Spielen 2016 in Rio („Auch da fühlte es sich nicht als richtiger Moment an.“). Nun ist’s passiert, weil er die Zeit als reif erachtete.

Ein neues Leben beginnt. Eins, in dem die Familie (Schmidt ist zweifacher Papa) und der Beruf (Schmidt promoviert als studierter Wirtschaftsingenieur momentan per Stipendium im Bereich Energietechnik) mehr Platz einnehmen werden.

Doch der Sport wird ihn nicht loslassen. Aktuell nicht, weil er abtrainieren muss und deshalb Rad fährt und Krafttraining betreibt. Und auch künftig nicht, weil ihn die Zukunft im Ruder-Verband und generell im deutschen Sportsystem zu sehr umtreibt. Konkret die Sorge um den (Leistungssport-)Nachwuchs.

Ihn stört, dass einerseits (berechtigte) Kritik an der insgesamt mageren Medaillenausbeute des deutschen Teams in Tokio geübt werde, es andererseits aber an der Bereitschaft zu Veränderungen mangele. „Ist die Gesellschaft bereit für den Leistungssport und will sie Medaillen? Wenn ja, muss man Konsequenzen ziehen und den (Nachwuchs-)Leistungssport extrem fördern. Man muss Talente stärker in ihrem Vorhaben unterstützen, Leistungssport zu machen. In letzter Konsequenz muss er dann vielleicht über vier oder acht Jahre hinweg als Beruf ausgeübt werden. Ein Studium und Leistungssport lassen sich heute immer weniger kombinieren. Wer für einen begrenzten Zeitraum auf die Karte Sport setzt, darf nicht später für eine vermeintliche Lücke im Lebenslauf kritisiert und deswegen benachteiligt werden“, fordert Schmidt.

Zu viele Sport-Interessierte würden Profi-Fußballer mit Amateursportlern etwa aus dem Rudern, Bogenschießen oder Kanusport gleichsetzen. „Wir können unseren Lebensunterhalt während unserer Leistungssport-Karriere dank Sponsoren oder auch der Deutschen Sporthilfe sichern, aber wir werden nach dem Karriere-Ende für das weitere Leben nicht ausgesorgt haben“, sagt Schmidt – und nennt eine Zahl: „Im Durchschnitt bekommen Athleten, die von der Sporthilfe gefördert werden, 600 Euro im Monat. Da kann man sich ausmalen, wie weit man damit kommt.“

Mehr Professionalisierung – etwa auch durch Hauptamtlichkeit an den Verbandsspitzen und unter Trainern –, mehr gesellschaftliche Anerkennung für die Leistungen von (Amateur-)Sportlern: Das würde sich Schmidt wünschen.

Doch er stellt auch ein Verschieben von Sichtweisen fest: „Als ich fünf Jahre alt war, fanden 1992 in Barcelona die Olympischen Spiele statt. Das war das größte für mich. Ich wollte dann auch mal bei Olympia dabei sein. Heute ist das bei vielen Kindern anders. Weil es von Eltern, von der Gesellschaft anders gelebt wird.“

Schmidt blickt über den Tellerrand hinaus und hat schon Erfahrungen als ,Funktionär‘ gesammelt – als Athletensprecher im Deutschen Ruder-Verband (DRV) und als Mitglied der Athletenkommission der Welt-Anti-Doping-Agentur. Gut möglich, dass er an anderer Stelle – im DRV oder in einem anderen Verband – irgendwann eine neue Aufgabe übernimmt. Fest steht: Dem Rudersport will Schmidt auf jeden Fall erhalten bleiben.

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