TV-Serie Spochtipedia Canicross: Hier nimmt der Hund die Halter an die Leine (mit VIDEO)

Dahlem · Beim Canicross fetzen Vierbeiner und Mensch durch den Wald und über Wiesen. Verbunden sind sie dabei durch eine flexible Schnur.

 Jule Prins und Marc Prins sind im Zughundesport sehr erfolgreich.  Foto: Mirko Blahak

Jule Prins und Marc Prins sind im Zughundesport sehr erfolgreich. Foto: Mirko Blahak

Foto: TV/Mirko Blahak

Flotti und Nutzz sind zwei europäische Schlittenhunde. Mal sind sie verspielt und mal für ausgiebige Streicheleinheiten an der Tischkante zu haben. Sobald sie draußen sind und das auf dem Boden liegende Hunde-Geschirr bemerken, ist es um sie geschehen. Flotti und Nutzz zucken und jaulen vor Aufregung. Denn sie wissen: Gleich geht’s los. Und wie! Kaum sind sie per Leine und Hüftgürtel mit ihrem Herrchen und Frauchen verbunden, geht die Post ab. Die Hunde preschen vor und ziehen im wahrsten Sinne des Wortes die Menschen hinter sich her.

Canicross heißt der Sport, bei dem der Hund seinen Halter an die Leine nimmt. Der Name entspringt dem lateinischen Wort canus für Hund.

Flotti und Nutzz gehören Jule und Marc Prins. Das Ehepaar lebt in Dahlem in der Nordeifel (Kreis Euskirchen) und hat sich seit vier Jahren dem Canicross verschrieben. Als Mountainbiker haben die beiden mehrere beachtliche Teamtitel eingefahren. Sie wurden Zwölf-Stunden-Weltmeister 2014 und Zwölf-Stunden-Europameister 2013 und 2014. Ein schwerer Sturz von Jule Prins (29) veränderte den Blickwinkel.

 Voller Einsatz: Ein Hund beim Canicross.  Foto: privat

Voller Einsatz: Ein Hund beim Canicross. Foto: privat

Foto: -/privat

Über ihre ersten Hunde Schoko und Lisa kamen sie 2016 zum Canicross – einer Disziplin des Zughundesports. Die Vierbeiner hatten schon Erfahrung in diesem Bereich, und Jule sowie Marc Prins (45) kamen aus dem Hochleistungssport. Eine gute Verbindung – prompte Erfolge im Canicross und Bikejöring (hier ist der Hund mit einem Sportler auf einem geländetauglichen Fahrrad verbunden) waren damit programmiert. Die aktuelle Sammlung umfasst acht deutsche Meistertitel, zwei EM-Titel, zwei WM-Titel und viele Podestplätze – im Canicross und Bikejöring. Und bei zwei Hunden ist es auch nicht geblieben. Derzeit leben acht Vierbeiner auf dem Grundstück des Sportler-Ehepaars am Ortsausgang von Dahlem.

Für den Zughundesport ist nicht nur eine bestimmte Rasse geeignet. Aber die Tiere müssen ein paar Voraussetzungen mitbringen: Die Hunde sollten mindestens ein Jahr alt sein. Sie müssen gesund, lauffreudig und gut ausgebildet sein. Die europäischen Schlittenhunde beispielsweise paaren in beeindruckender Manier Sprintfähigkeiten mit großer Zugkraft. Beides wird bei den meist rund fünf Kilometer langen Querfeldeinrennen durch den Wald und über Wiesen benötigt.  „Beim Bikejöring werden Durchschnittsgeschwindigkeiten von 35 bis 38 Kilometer erreicht, beim Canicross sind es rund 25 Kilometer“, sagt Jule Prins, die mit ihrem Mann dem Deutschland-Kader angehört.

 Jule Prins war wie ihr Mann früher im Mountainbike-Sport aktiv.  Foto: privat

Jule Prins war wie ihr Mann früher im Mountainbike-Sport aktiv. Foto: privat

Foto: -/privat

Hunde sind für gewöhnlich darauf konditioniert, neben oder hinter Herrchen und Frauchen herzulaufen. Für den Canicross-Sport müssen sie dagegen trainieren, in einem Geschirr die Aufgabe des Ziehens aktiv anzunehmen. Während normalerweise Vierbeiner in der Hundeschule davon abgebracht werden sollen, an der Leine zu ziehen, ist genau das im Canicross gefordert. Lob dafür, dass die Hunde mächtig Gas geben.

Damit die Hunde in den Rennen in die gewünschte Richtung laufen, müssen sie Kommandos beherrschen. Für den Start und die drei Richtungen rechts, links, geradeaus.

Wer macht eher schlapp: Der Hund oder der Mensch?  Es kommt auf die Balance an. Beide im Team müssen die Strecke schaffen. In der Praxis sieht’s oft so aus: „Der Hund kommt gut ins Ziel, und der Mensch fällt erschöpft um. Uns ist öfters schwarz vor Augen, wenn wir ins Ziel kommen“, sagt Jule Prins.

Um die Hunde nicht zu stark zu belasten, sollte der Sport nicht bei großer Hitze ausgeübt werden. „Bei einer WM in Polen herrschten mal 30 Grad, da wurde die Strecke verkürzt. Der Tierschutz spielt im Canicross eine große Rolle. Bei Wettbewerben sind immer Tierärzte vor Ort“, sagt Jule Prins.

Rennen im Sommer sind eher selten. Die Saison geht meist von September bis März. Danach richtet sich auch das Training für die Hunde. Marc Prins: „Nach der Saison kommt eine Phase, in der wir die Hunde auf die Wiese lassen, ohne dass sie dabei Aufgaben bekommen. Wenn wichtige Rennen anstehen, werden sie dagegen kontinuierlich für die Wettkämpfe aufgebaut.“

Das Ehepaar Prins, das vornehmlich rund um Dahlem trainiert, steckt reichlich Geld in den Sport. Für die Versorgung der Hunde, für Reisen zu den Wettkämpfen, die während der Saison an vielen Wochenenden anstehen. Die beiden haben (Material-)Sponsoren, vom Canicross könne in Deutschland aber niemand leben. „In Osteuropa ist das zum Teil anders. Dort bekommen Sportler für Siege ab und an mehrere Tausend Euro“, sagt Marc Prins. Entsprechend kann es schon mal härter zugehen in einer generell aber fairen Sportart. Jule Prins: „Ich bin bei einem Wettkampf schon mal von einem Konkurrenten vom Weg getreten worden.“

Es gibt nicht nur Sportlernahrung, auch die Hunde bekommen für die Bedürfnisse angepasstes Futter. „In Ruhephasen geben wir ihnen nicht so energiereiches Futter, anders ist das in Wettkampfphasen“, erläutert Marc Prins. Fitnesspulver und Fitnessriegel werden als Nahrungsergänzung zum Futter gemischt – etwa kurz vor Rennen. Jule Prins: „Ein bis zwei Stunden vor einem Wettbewerb bekommen die Hunde eine Suppe mit Fitnesspulver und Fett, damit sie nicht dehydrieren.“

Bei allen Ambitionen betont Jule Prins: „Wichtig ist, dass die Hunde Spaß haben. Sie sollen nicht für den Sport missbraucht werden. Wir wollen ja auch lange etwas von ihnen haben.“

Neben Geld investieren die Sportwissenschaftlerin und der Physiotherapeut, der in einer Praxis in Stadtkyll arbeitet, auch eine Menge Zeit in den Sport. Acht Hunde wollen beschäftigt sein. Hinzu kommen Fahrten zu Wettbewerben in ganz Europa. Dafür nutzen Jule und Marc Prins einen Transporter, den sie mit mehreren Hundeboxen umgebaut haben. Manchmal müssen auch sie sich der Relationen bewusst werden: „Wir fahren viele Kilometer, um dann an zwei Tagen insgesamt zehn Minuten ein Rennen zu haben.“

Die nächsten großen Wettkämpfe im Herbst 2019 stehen bereits fest: Die Weltmeisterschaft findet in Lettland statt. Die Europameisterschaft ist in Belgien – quasi vor der Haustür.

Vor Wettkämpfen checken Mensch und Hund die Strecke – vor allem bei der Variante mit Fahrrad ist dies enorm wichtig. Wenn möglich, wird das Training im Vorfeld auf die Herausforderungen abgestimmt. „Manchmal machen wir extra Kurven- oder Wurzeltraining“, sagt Marc Prins.  Dennoch ist nicht alles planbar, wie Jule Prins zu berichten weiß: „Es gab mal einen Trail, auf dem ein Baum im Weg stand. Bei der Besichtigung ist der Hund links herum gelaufen, im Rennen hat er sich kurzfristig für die rechte Seite entschieden – da hing ich dann leider im Baum.“

Bei Wettbewerben wird nicht zwischen Hundeklassen unterschieden – verschiedene Konkurrenzen werden lediglich nach dem Alter der Menschen ausgeschrieben. „Aber vielleicht geht der Trend dahin, die Hunde auch nach Gewichtsklassen einzuteilen“, glaubt Jule Prins und liefert einen Hinweis darauf, warum das durchaus Sinn machen würde: „Unser schwerster Hund wiegt 27 Kilo und gehört damit eher zu den Leichtgewichten. Andere Konkurrenten starten mit Hunden, die 35 bis 40 Kilo schwer sind.“ Größeres Gewicht gleich mehr Power – diese Gleichung ist nicht von der Hand zu weisen.

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