Freiwasser-Ass Lurz auch nach Olympia topmotiviert

Piombino (dpa) · Manchmal wundert sich sogar der große Bruder über Thomas Lurz. Statt nach Olympia-Silber der schmerzenden rechten Schulter eine Pause zu gönnen, in Urlaub zu fahren oder seinem Hobby Angeln nachzugehen sprang der Rekordweltmeister der Freiwasser-Schwimmer gleich wieder ins Wasser.

„Er hat ein, zwei Tage nach den Olympischen Spielen wieder losgelegt mit dem Training. Selbst ich musste da mal den Kopf schütteln“, erinnerte sich Stefan Lurz, gleichzeitig sein Trainer, „aber so ist er halt. Typisch Thomas.“ Und so überrascht es keineswegs, dass der 32-jährige Würzburger auch die Europameisterschaften im italienischen Piombino vom Mittwoch an in Angriff nimmt.

26 Medaillen hat Thomas Lurz schon von Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften nach Hause gebracht. In der Toskana sollen weitere Titel des zehnmaligen Weltmeisters folgen. „Gewinnen macht immer Spaß und in dem Moment, wo man gewinnt, vergisst man auch die restlichen 3000 Kilometer oder mehr, die man in einem Jahr schwimmt“, sagte der Muster-Athlet der Nachrichtenagentur dpa zu einem Anreiz für die Strapazen. Und die führten ihn schon durch alle mögliche Gewässer auf der Welt: Seen, Flüsse oder das Meer.

„Da ist mir schon alles Mögliche begegnet. Schildkröten, Haie, Holzpaletten, sämtliche Fischarten. Vom wirklich Schönen bis zum Teil sehr unangenehmen“, schilderte der frühere Beckenschwimmer, der die Herausforderung in der Natur liebt. „Ein Schwimmbad ist überall auf der Welt im Prinzip das selbe. Die Luft ist überall muffig und schlecht, die Fliesen immer gleich. Langstreckenschwimmen ist anders. Selbst der selbe Ort kann bei unterschiedlicher Witterung ganz anders sein.“ Dazu kommen anders als im Becken die direkten Körperkontakte der Wettkämpfe: Rangeleien gehören zum Tagesgeschäft.

Einem Gegner dabei Absicht zu unterstellen, kommt Lurz nicht in den Sinn. Den fairen Sportsmann verkörpert er immer wieder. Wie auch in London vor fünf Wochen. Kein klagendes Wort verlor er nach dem verpassten Gold über die frühere Dopingsperre von Sieger Oussama Mellouli, lobte den Tunesier stattdessen neben den US-Superstars Michael Phelps und Ryan Lochte als vielseitigsten Schwimmer der Welt. „Thomas Lurz ist ein Vorzeigeathlet, beispielgebend für andere“, pries Christa Thiel, Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), den 2009 zum Freiwasser-Schwimmer des Jahrzehnts gekürten Lurz: „Einer, der extrem hart trainiert.“ Härter, da ist sich Bruder Stefan sicher, trainiert jedenfalls kein anderer.

Nach dem Tod von Vater Peter, über viele Jahre Langstreckenwart im DSV, übernahm Stefan Lurz die Betreuung des jüngeren Bruders und anderer Freiwasser-Asse in der fränkischen Schwimmer-Hochburg. „Unser Vater hat mir selber sehr viel gegeben und ich habe sehr viel gelernt“, erinnerte der Bundestrainer. Bei Thomas Lurz ziert gar ein Tattoo mit dem Geburtsdatum des Vaters den linken Arm. „Deswegen habe ich links nie Schulterschmerzen und rechts schon“, sagte der Sportler mit einem Augenzwinkern, aber voller Respekt vor dem Vater, „dem ich sehr viel zu verdanken habe.“

Wie lange die Erfolgskarriere von McDonalds-Fan Thomas Lurz („Man muss das in Maßen genießen, wie ein Bier, eine Bratwurst oder eine Schweinshaxe“) noch weitergeht, steht nicht fest. Die WM in einem Jahr in Barcelona will er auf jeden Fall noch schwimmen, die Heim-EM 2014 in Berlin wäre ein schöner Karriere-Abschluss. Wobei, dann wären es auch nur zwei Jahre bis zu Olympia in Rio - und olympisches Gold fehlt dem Diplom-Sozialpädagogen, Sportsoldaten und Buch-Autor ja noch in der Vita. „Aber ob es noch einmal ein ganzer Olympia-Zyklus wird, wage ich zu bezweifeln“, sagte der ältere Bruder Stefan.

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