Hambüchen turnt Mehrkampf - Gienger: Stark wie nie

Tokio (dpa) · Überraschende Wende im deutschen WM-Team: Superstar Fabian Hambüchen turnt in Tokio nun doch den Mehrkampf. Als ihm Cheftrainer Andreas Hirsch die Botschaft überbrachte, war dem deutschen Vorturner gar nicht nach Jubeln zumute.

„Freuen wäre der falsche Ausdruck. Und für Andreas Toba ist das sicher ganz bitter. Aber es geht hier nur um die Nominierung des stärksten Teams“, meinte Hambüchen nach dem Morgentraining in der Yoyogi-Arena.

Nur zwölf Stunden nach dem Podiumstraining hatte Cheftrainer Andreas Hirsch noch einmal eine gravierende Umbesetzung vorgenommen. WM-Neuling Andreas Toba, der beim Training im Metropolitan Gymnasium am Mittwoch Nerven gezeigt hatte, wurde kurzfristig aus dem Team genommen. Für ihn wurde der eigentliche Ersatzmann Thomas Taranu (Straubenhardt) nominiert. Da Taranu aber im Gegensatz zu Toba kein Spezialist am Pauschenpferd ist, erhält Hambüchen auch die Chance an diesem Gerät und kann als vierter Deutscher im WM-Sechskampf starten.

Damit kommt es nun auch im Mehrkampf zum brisanten Duell der beiden letzten Europameister: Hambüchen gewann 2009 in Mailand, der Cottbuser Philipp Boy löste ihn 2011 in Berlin ab, als Hambüchen noch die Nachwirkungen seiner Achillessehnen-Operation auskurierte. Der Lausitzer hatte im Training eine Schrecksekunde zu überstehen, als er am Pferd die Pauschen nicht zu greifen bekam und spektakulär abstürzte. „Es tat schon ein bisschen weh, aber alles ist gut verlaufen“, meinte der Namensgeber der „Boy-Group“ schmunzelnd.

Vor der Entscheidung hatte Hirsch seinen Trainern noch einmal eine Nacht „zum Überschlafen“ gegeben. „Wir haben wirklich alle Facetten abgewogen. Für Toba ist das schon blöd, aber so ist nun mal der Sport“, meinte Wolfgang Hambüchen, der Coach und Vater des einzigen deutschen Turnweltmeisters im vergangenen Jahrzehnt. „Die Argumente, die im Vorfeld zur Nominierung geführt hatten, konnten im Podiumstraining nicht bestätigt werden“, kritisierte hingegen der Cheftrainer indirekt die Leistung von Toba. „Die Verteilung der Aufgaben an Taranu und andere Turner verspricht mehr Stabilität. Wir hatten da ein Problem erkannt“, ergänzte Hirsch.

Der betroffene Andreas Toba hatte eine Träne im Auge, aber trug es mit Fassung: „Ich hatte wirklich einen schlechten Tag. Klar bin ich irgendwie traurig, aber es geht nun mal nur darum, dass das stärkste Team startet“, sagte der junge Mann aus Hannover, der am Freitag in Tokio seinen 21. Geburtstag feiert. „Natürlich war das für mich eine Überraschung. Aber ich will diskret damit umgehen. Ich kann mir denken, was in Andreas vorgeht“, meinte hingegen Teamgefährte Taranu.

Vorausgesetzt, dass es nicht noch einen Umschwung gibt, sind die Deutschen nun tatsächlich bestens für die WM aufgestellt. „Das ist das stärkste Team, dass wir je am Start hatten, zumindest seit 1936. Aber damals herrschte ja ein ganz anderes Niveau“, meinte der einstige Vorturner Eberhard Gienger. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin hatten die deutschen Turner mit elf Medaillen, darunter fünfmal Gold, geglänzt und waren kaum auf ernsthafte Konkurrenz getroffen. „Wenn alle gesundbleiben, sollten die Olympia-Tickets zu schaffen sein“, fügte der heutige CDU-Bundestagsabgeordnete hinzu.

Und Gienger ist sich darin einig mit Matthias Fahrig, dem einzigen aus der starken Turn-Generation, der wegen einer Fuß-Verletzung die WM-Qualifikation verpasste. „Ich mache mir keine Platte, dass es klappt. Wenn sie halbwegs mit der Situation klarkommen, dürfte das klargehen“, sagte der Hallenser und drückt nun zu Hause die Daumen.

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