Kricket-Diplomatie bei WM: Indien gegen Pakistan

Neu Delhi (dpa) · Der Höhepunkt der Kricket-Weltmeisterschaft in Südasien findet schon vor dem Endspiel statt: An diesem Mittwoch bestreiten Indien und Pakistan das Halbfinale. Beide Teams sind Großmächte ihres Sports. Doch das Spiel der Erzfeinde hat auch eine politische Dimension.

Seit Tagen belagern mehrere Hundert Kricket-Fans das Stadion der Stadt in der Hoffnung auf eine Eintrittskarte. Alle wollen dabei sein, wenn am Mittwoch das Spiel der Spiele der diesjährigen Weltmeisterschaft im One-Day-Cricket steigt - das Halbfinale zwischen den ewigen Rivalen Indien und Pakistan.

Die Kricket-WM ist eines der größten Sportereignisse der Welt und findet seit 1975 (mit einer Ausnahme) alle vier Jahre statt. In diesem Jahr wird sie gemeinsam von Indien, Bangladesch und Sri Lanka ausgerichtet. In der Vorrunde gab es kaum Höhepunkte - sieht man mal vom Sieg des krassen Außenseiters Irland gegen England ab. Doch die Aussicht auf ein indisch-pakistanisches Halbfinale elektrisierte schon während der Viertelfinalspiele die Massen in Südasien.

Und die Teams enttäuschten ihre Fans nicht: Zunächst setzte sich Pakistan in einer einseitigen Partie deutlich gegen die West-Indies - ein Auswahl von Karibikstaaten - durch. Tags darauf bezwang Indien den viermaligen Weltmeister und Titelverteidiger Australien, der zuletzt seiner Form häufig hinterhergelaufen war.

Kaum stand die herbeigesehnte Halbfinalpaarung fest, ließ sich auch die Politik von der Euphorie anstecken. Indiens Premierminister Manmohan Singh lud seinen pakistanischen Amtskollegen ein, das Spiel mit ihm gemeinsam in Mohali zu verfolgen. Yousuf Raza Gilani sagte zu, und die Kommentatoren in beiden Staaten sahen sogleich die vergessen geglaubte „Kricket-Diplomatie“ der Nachbarn wiederbelebt.

Der Begriff geht auf das Jahr 1987 zurück, als der damalige Regierungschef Rajiv Gandhi trotz erheblicher bilateraler Spannungen Pakistans Militärmachthaber Zia ul-Haq zu einem Testmatch zwischen beiden Ländern ins indische Jaipur eingeladen hatte. Reisen der Teams ins jeweilige Nachbarland blieben jedoch selten.

Erst 2004 mit der Aufnahme formeller Friedensgespräche wurde die zweite Runde der „Kricket-Diplomatie“ zwischen den Atommächten eingeläutet. Zweimal reisten die Inder zu Turnieren nach Pakistan, zweimal kamen die Pakistaner nach Indien.

Der sportliche und politische Frühling endete jedoch im November 2008 abrupt, als mutmaßlich aus Pakistan stammende Extremisten bei einer Terrorserie in der indischen Finanzmetropole Mumbai mehr als 160 Menschen töteten. Der Friedensdialog wurde ausgesetzt, die Beziehungen waren am Tiefpunkt. Zwar trafen die Kricket-Teams auch nach Mumbai aufeinander - aber nie in einem der heimischen Stadien.

Diplomatisch haben sich beide Seiten zuletzt wieder angenähert und zahlreiche Gespräche geführt. Beobachter erwarten vom Treffen der Regierungschefs in Mohali allerdings keinen Durchbruch für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche. Doch selbst der „freundliche Small Talk“ im Stadion müsse positiv bewertet werden, heißt es.

Auf dem Platz gilt Indien als leichter Favorit. Der Kapitän des Weltmeisters von 1983, Mahendra Singh Dhoni, versprach, seine Mannschaft werde sich vom Rummel im Umfeld nicht verrückt machen lassen. Jeder Spiele sei auf das Match fokussiert, das weltweit rund eine Milliarde Menschen vor dem Fernseher verfolgen werden.

Die Pakistaner, Champion von 1992, mussten allerdings einen unerwarteten Querschläger aus den eigenen Reigen abwehren. Der Innenminister drohte, das Spiel auf mögliche Manipulationen zugunsten Indiens prüfen zu lassen. Hintergrund ist ein Skandal zu Jahresbeginn, bei dem drei pakistanische Nationalspieler im Auftrag der Wettmafia Spiele gegen England verschoben hatten. Die Sportler wurden vom Kricket-Weltverband gesperrt. In Pakistan sorgte die Aussage des Ministers dennoch für Entrüstung, woraufhin sich dieser zu einer Entschuldigung bei Kapitän Shahid Afridi gezwungen sah.

Im zweite Halbfinale stehen sich übrigens Neuseeland und Sri Lanka gegenüber. Das Endspiel findet dann am Samstag in Wankhede-Stadion von Mumbai statt - und ist bereits ausverkauft.

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