Kritik und K.o. für Steffen: „Nicht meine WM“

Shanghai (dpa) · Nach ihrem WM-Waterloo suchte und fand Britta Steffen Trost bei ihrem Partner Paul Biedermann. Das Traumpaar verließ umschlungen die Stätte von Steffens Scheitern, das alle und vor allem sie selbst ratlos zurück lies.

„Ich würde so gerne Antworten liefern, aber ich hab' selber keine“, sagte Steffen nach außen hin gefasst und versuchte sich in einem Lächeln. Die größte deutsche Gold-Hoffnung der Schwimm-WM von Shanghai schenkte sich nach Platz 16 im Vorlauf das Halbfinale und gleich den Rest des Saisonhöhepunktes. Ohne die Doppel-Weltmeisterin von 2009 ist die Hochrechnung von sechs Medaillen im Becken Makulatur.

„Ich habe alles gegeben, was drin war, es ging nicht mehr, leider. So einfach und doch unerklärlich lautete das Fazit der Olympiasiegerin, die nach Meinung aller Trainer und vor allem von sich selbst kurz vor der WM so gut in Form gewesen sei. Steffen stellte heraus, „dass ich heute sehr zufrieden mit mir bin, dass ich glücklich mit mir bin, dass ich mich gestellt habe, dass ich nicht gesagt habe, ich bin krank, ich kann nicht. Niederlagen gehören zum Sport. Ich habe wahnsinnige Höhen erlebt und jetzt bin ich eben mal abgetaucht. Es ist leider nicht meine WM.“

54,86 Sekunden im Vorlauf über 100 Meter Freistil, 7/10 über ihrer ohnehin nicht berauschenden Zeit der Deutschen Meisterschaften Anfang Juni. Da hätte die Titelverteidigerin am liebsten „Augen und Ohren“ zugemacht. Die 27-Jährige strich am Donnerstag nicht nur die Halbfinal-Teilnahme über die 100 Meter, sondern wird auch die Titelverteidigung über 50 Meter Freistil nicht mehr angehen. Die Lagen-Staffel ist in Shanghai für Deutschlands beste Schwimmerin ebenfalls kein Thema mehr - was ihr prompt Kritik von Franziska van Almsick einbrachte.

Steffen rang sich an der Seite von Trainer Norbert Warnatzsch in der bitteren Stunde das eine oder andere Lächeln ab. Leistungssportdirektor Lutz Buschkow, vor einer Woche nach Erfolgen der Wasserspringer und Freiwasser-Schwimmer mit breiter Brust, sah nach dem Aus der deutschen Goldhoffnung dagegen ziemlich mitgenommen aus. „In Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2012 muss man einen Sportler, der so gute Leistungen im Vorfeld bei Olympia und in Rom für den Deutschen Schwimm-Verband erbracht hat, an der Stelle auch ein bisschen schützen“, begründete Buschkow unisono mit Warnatzsch.

Kritik wie durch Franziska van Almsick oder von Teamkollegin Daniela Schreiber („egoistisch“) an Steffens Verzicht auf die Lagen-Staffel trotz anstehender Olympia-Qualifikation entgegnete Buschkow: „Es ist wichtig, in so einer Situation, in der Britta Steffen sich befindet, und ihre Leistung momentan nicht abrufen kann, den Druck nicht noch weiter zu erhöhen, sondern sich vor sie zu stellen und zu analysieren.“ Für Bundestrainer Dirk Lange wäre Steffen als nur drittbeste deutsche Schwimmerin über 100 Meter „für die Lagenstaffel gar nicht in Frage gekommen“. Später sah er Steffen „auf der Ersatzbank“. Endgültig entschieden sei die Besetzung noch nicht.

ARD-Expertin van Almsick monierte den Rückzug Steffens. „Ich verstehe nicht, warum sie alles hinschmeißt. Ich hätte ein bisschen mehr erwartet, dass man als Frontfrau des Deutschen Schwimm-Verbandes auch Verantwortung übernimmt und im Zweifel sich die Beine herausreißt; noch mal alles gibt, um die Lagen-Staffel in die Olympischen Spiele zu bringen“, sagte die Weltmeisterin von 1994. DSV-Präsidentin Christa Thiel vermied direkte Kritik an Steffen. Buschkow entgegnete im ARD-Interview auf die Nachfrage, ob Steffen denn noch in der Diskussion für Lagen-Staffel am Samstag sei: „Vom Herzen ja.“

Steffen selbst nahm nach dem WM-Ende gleich ihr großes Ziel, die Olympischen Spiele 2012 ins Visier. Zunächst musste sie aber den bitteren WM-Tag verdauen. „Ich würde gerne erstmal die Augen zumachen, die Ohren zumachen und dann noch mal mit ein bisschen Abstand auf den heutigen Tag gucken“, betonte die 27-Jährige

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