Mutter der „Revolution“: Ulla Koch denkt an Rio

Tokio (dpa) · In Peking wollte sie vor drei Jahren noch alles hinschmeißen. „Als bei Olympia so viel daneben ging, habe ich echt gezweifelt“, gibt Ulla Koch heute zu. In Tokio sah man die ehrgeizige Cheftrainerin der deutschen Turnerinnen so entspannt wie selten zuvor nach Wettkämpfen.

Kein Wunder: Ihre Frauen hatten alle Ziele übererfüllt und neben der Olympia-Qualifikation mit Platz sechs das beste Ergebnis einer DTB-Riege in der WM-Geschichte erreicht.

Sportdirektor Wolfgang Willam sei es zu verdanken, dass sie nach dem letzten Platz in Peking wieder neuen Mut geschöpft hatte. „Wir werden hier nicht über die Zukunft sprechen. Das machen wir zu Hause. Aber das Ergebnis von Tokio dürfte die Vertragsverhandlungen positiv beeinflussen“, meinte Willam und sprach vom großen Druck, dem man nach dem Negativ-Erlebnis von Peking standhalten musste. Ulla Koch hat nun nach dem Glanzstück ihrer Mädchen „Blut geleckt“ und würde gern bis Rio de Janeiro 2016 weitermachen. „Es macht mir noch immer großen Spaß“, betonte sie schmunzelnd.

Seit fast 35 Jahren kennt die „Planungsfanatikerin“ - so O-Ton Koch - den Deutschen Turner-Bund (DTB) aus allen möglichen Funktionen. Sie erinnert sich an die ersten Jahre als Chefin, als sie mit einer Teilzeitstelle zwischen 2005 und 2007 noch „nebenbei“ als Lehrerin gearbeitet hatte. Viel hat sie inzwischen verändert. Einige meinen sogar, sie hätte das deutsche Frauen-Turnen „revolutioniert“. DTB-Präsident Rainer Brechtken nennt die Gründe für den Aufstieg: „Wir haben die Professionalisierung im Verband durchgesetzt, die Teambildung bei Turnerinnen und Trainern wurde stark verbessert. Früher hat jeder mehr oder weniger für sich gearbeitet.“

Die Zusammenführung der einst zersplitterten Trainingszentren ist ein Verdienst der 56-jährigen Rheinländerin. „Wir Trainer verstehen uns echt gut. Wir ziehen an einem Strang“, sagt Koch. Zudem greifen wissenschaftliche und medizinische Betreuung helfend ineinander. Das Wichtigste aber seien die Turnerinnen. „Wir haben eine richtig gute Mannschaft, die nur in den letzten Jahren wegen Verletzungen nie komplett beisammen war“, meint Ulla Koch und lobt den Ehrgeiz der Mädels von der 16-jährigen Nadine Jarosch bis zur 20 Jahre älteren Oksana Chusovitina.

Vom Trainingsfleiß her ist vor allem Elisabeth Seitz ein Vorbild. Wie die Vize-Europameisterin aus Mannheim in der elften Klasse des Ludwig-Frank-Gymnasiums die Schule und 32 Stunden Training wöchentlich unter einen Hut bringt, nötigt der Trainerin Respekt ab. „Insofern macht mir ein bisschen Sorge, dass jetzt künftig das Abitur in zwölf Jahren abgelegt wird. Das wird es für die Mädels noch schwieriger machen, die Zeit zum Training aufzubringen“, fürchtet Ex-Lehrerin Koch.

Jetzt geht der Blick von Eli Seitz erstmal auf das Mehrkampffinale am 13. Oktober in Tokio, in dem sie nach Rang sieben im Vorkampf erstmals in die Top 10 vorstoßen möchte. „Ich wäre zufrieden, wenn sie sauber durchturnt“, setzt sie ihre „Chefin“ nicht unnötig unter Druck.

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