Nach Eklat: Verband sauer auf Czyz

London (dpa) · Die Vorwürfe von Wojtek Czyz, Konkurrent Heinrich Popow nutze ein nicht allen zugängliches künstliches Knie, haben Verärgerung im deutschen Paralympics-Lager ausgelöst. Die Nerven lagen blank vor dem 100-Meter-Finale, in dem Popow Gold und Czyz Bronze holte.

Die deutsche Mannschaftsführung bei den Paralympics war auch am Tag nach dem Eklat noch stinksauer. Eigentlich wollte Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), am Samstagmorgen vor allem die jüngsten Erfolge Revue passieren lassen, etwa die Goldmedaillen der Rollstuhlbasketballerinnen oder der Schwimmerin Daniela Schulte. Aber der Konflikt im Leichtathletik-Team, der den Triumph von Heinrich Popow über 100 Meter trübte, war immer noch das große Thema. „Wir sind natürlich verärgert, wenn innerhalb der Mannschaft Leute aufeinander losgehen“, sagte Beucher. „Wenn die Nerven blank liegen, treten Ziele wie Fairness und Kameradschaft in den Hintergrund.“

Wojtek Czyz hatte Popow öffentlich des „technischen Dopings“ beschuldigt, weil dieser ein künstliches Kniegelenk verwende, das anderen Athleten vom Ausrüster Ottobock vorenthalten werde. Popow und der Prothesenhersteller hatten den Vorwürfen widersprochen, und auch Beucher meinte: „Die sachliche Grundlage ist nicht vorhanden. Die Prothesen sind nach Auskunft des Ausrüsters frei verkäuflich.“

Ob es bei dem Zoff um die Sache ging, ist unklar und für den DBS vermutlich auch zweitrangig. Auf jeden Fall hat Czyz, der den Sprint hinter Popow und dem Australier Scott Reardon als Dritter beendete, Unruhe in die deutsche Mannschaft gebracht. Sofort nach der Ehrenrunde im Olympiastadion war am Freitagabend der deutsche Chef de Mission Karl Quade in die Interviewzone gegangen und hatte sich Czyz zur Brust genommen. Minutenlang redete Quade auf den Sportler ein, dieser schien dem Funktionär deutliche Widerworte zu geben. „Ich habe ihm gesagt, dass wir die Debatte versachlichen müssen“, sagte Quade, „es sind beide tolle Sportler, die aber die Öffentlichkeit lieben.“

Popow wollte sich von dem Streit nicht die Laune verderben lassen, die Vorwürfe hatte er schon im Vorfeld des Finales als „Humbug“ und „Psychospielchen“ abgetan. Nach dem Triumph, den der Leverkusener vollmundig angekündigt hatte, erzählte Popow: „Ich habe vier Jahre für diesen Erfolg gearbeitet. Ich habe den Abend genossen und das Beste draus gemacht, weil ich mental sehr stark bin. Die Vorwürfe gingen links rein und rechts raus und kurz zurück in meinen Kopf“, betonte er. Irgendwann habe er sich gesagt: „Du hast die gesamte Karriere auf diesen Moment aufgebaut. Ich bin glücklich, da kann mich so ein Spruch nicht unglücklich machen.“

Beste Freunde werden Czyz und Popow nicht mehr, soviel scheint klar. Mehr als einen pflichtmäßigen Handschlag auf der Tartanbahn bekamen die 80 000 Zuschauern nicht zu sehen, auf der gemeinsamen Stadionrunde aller Finalisten gingen sich beide aus dem Weg. Auch bei der Siegerehrung am Samstagmorgen schien sich Czyz nur widerwillig neben seinen Rivalen auf das oberste Treppchen zu stellen.

„Ich hätte geglaubt, wenn man jahrelang dabei ist, ist man mental stärker“, stichelte Popow in Richtung Czyz. Angesprochen auf ein Gespräch der beiden, von dem Czyz berichtete, meinte Popow: „Ins Gesicht gesagt hat er mir das nur, weil er vorher schon in den Medien war. Er hat gesagt, er würde das gerne wie ein Mann machen. Das hat der dann aber nicht. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“

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