Nach harten Zeiten: Hambüchens „Lust wieder da“

Tokio (dpa) · Drei schwere Verletzungen seit den Olympischen Spielen in Peking haben Fabian Hambüchen geplagt. Doch der Turnstar hat sich nie unterkriegen lassen, nicht zuletzt dank der mentalen Unterstützung seines Onkels Bruno. Im Reck-Finale will Hambüchen aufs Ganze gehen.

Fabian Hambüchen verneigte sich nach seiner Boden-Übung tief vor dem Publikum in Tokio. Der deutsche Turnstar wollte seinen Respekt zum Ausdruck bringen für die Japaner, die in den vergangen Monaten nach Erdbeben und Reaktorkatastrophe so viel durchmachen mussten. Und Hambüchen war auch glücklich, dass er nach einigen persönlichen Rückschlägen bei der WM so gut durch das Team-Finale gekommen war. Vor allem seine perfekte Reckübung gab dem deutschen Vorturner neuen Mut für den mit Spannung erwarteten Medaillenkampf.

„Das war der ideale Reck-Check“, meinte der 23-Jährige, nachdem er mit 15,866 Punkten wie schon im Vorkampf die dritthöchste Note erhalten hatte. Fast vergessen sind nun die bitteren Zeiten im vergangenen Frühjahr - am 15. Januar musste er an der gerissenen Achillessehne operiert werden. „Es gab Tage, in denen die Wut und der Hass in mir unerträglich waren. Wo ich vor Zorn hätte platzen können und gezweifelt habe, ob ich vor den Trümmern meiner Karriere stehe“, gab er später zu.

„Natürlich war er stinksauer, dass die gestellten Ziele nun erstmal wieder in weite Ferne gerückt waren“, bestätigte sein Onkel Bruno Hambüchen, der ihn seit 2004 als Mentaltrainer betreut. „Erst die Kapsel-Verletzung am Finger in Peking, dann der Bänderriss vor der WM in London und dann die entzündete Achillessehne, die schon seit Monaten wie ein Damoklesschwert über ihm geschwebt hatte - das waren echt harte Zeiten für ihn“, meinte der Krefelder in Tokio.

Die Wutausbrüche seien „normale Verarbeitungsprozesse“ gewesen. „Natürlich gab es da einige 'Downs', aber wir haben das nie explizit zum Thema machen müssen“, fügte Bruno Hambüchen an. Wenn man aber im „Down-Zustand verharrt wäre, Depressionen gekommen und weitere Sachen schief gelaufen wären, hätte sogar ein „Burn-out“ drohen können.

Doch soweit sei es nie gekommen, da die erstklassige medizinische Betreuung in der Sportklinik Bad Nauheim Fabian nur positive Ansätze vermittelt hätte. „Es gab daher in unseren Gesprächen nie Grundsätzliches zu klären. Fabian hatte sich auf das Ziel Olympia fokussiert und jeden Teilerfolg der Behandlung positiv mitgenommen“, sagte der Psychotherapeut und setzte hinzu: „Die ersten Wettkämpfe im August waren wie Befreiungsschläge.“

Natürlich hofft nun nicht nur der „Hambüchen-Clan“, dass er diese mentale Stärke auch im Finale am Sonntag nachweisen kann. Sechsmal hat Hambüchen nach dem Comeback seine Show am Königsgerät sicher präsentiert. Doch selbst bei idealer Ausführung und einem Top-Ausgangswert von 7,5 schwebt er in Sachen Schwierigkeitsgrad lange nicht mehr auf einsamer Höhe wie vor Olympia 2008. Zwei Chinesen, zwei Japaner, Europameister Epke Zonderland aus den Niederlanden oder der Lausitzer Philipp Boy werden dem Weltmeister von Stuttgart den Griff nach seiner achten WM-Medaille nicht leicht machen.

„Für uns ist entscheidend: Die Lust ist wieder da“, sagte Bruno Hambüchen, der seit 28 Jahren als Mentaltrainer arbeitet. Das konnte in der Vergangenheit nicht immer der Fall sein, weil Fabian Hambüchens körperlicher Zustand aufgrund der Verletzungen nicht hundertprozentig war. „In Birmingham war er 2010 nicht fit. Aber er war bereit, der Mannschaft zu helfen“, verriet sein Mentalcoach, „nach der EM war er aber stehend K.o.“

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