Nach langem Bangen: Turnerinnen bei Olympia dabei

Tokio (dpa) · Erst kurz gefeiert, dann ewig gebangt und am Ende auf der Tribüne jubiliert: Die deutschen Turnerinnen haben bei den Weltmeisterschaften in Tokio die Olympia-Tickets nach London gebucht.

Mit einer überragenden Leistung, die ihr zuvor kaum jemand zugetraut hatte, schafften sie mit 221,163 Punkten den Sprung auf Platz sieben und zogen auch in das Teamfinale am Dienstag ein. Nach langer Durststrecke zwischen 1992 und 2008 sind die deutschen Frauen damit zum zweiten Mal in Serie bei Olympia dabei.

Gleich nach der letzten Übung bildeten sie einen Freudenkreis und klatschten sich pausenlos ab. „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich sah, dass bei meinem Balken-Abgang alle Mädels schon feierten. Es ist so schön, mit einem Team erfolgreich zu sein“, sagte Vize-Europameisterin Elisabeth Seitz. Sie zog mit 56,733 Punkten als Siebte souverän ins Mehrkampffinale ein.

Doch bevor der unverhoffte Erfolg feststand, mussten die deutschen Turnerinnen sieben Stunden auf den Tribünen der Olympiahalle von 1964 zittern und bangen. „Es war schrecklich. Man trinkt Wasser und nimmt eine Aspirin, um die Nerven im Zaum zu halten“, schilderte Cheftrainerin Ulla Koch. Als schließlich die zweite Französin vom Balken flog und die Britinnen am Sprung patzten, gab es für die Deutschen kein Halten: Glückstrahlend lagen sie sich in den Armen.

„Ich bin hochzufrieden. Das war das Optimum. Im Vorjahr waren wir auf Platz 14. Das ist jetzt ein Quantensprung“, meinte Ulla Koch glücklich. „Ich bin überhaupt nicht traurig, dass wir nun zu Weihnachten nicht in Kienbaum trainieren müssen“, sagte sie schmunzelnd. Ihren Mädels bleibt eine zweite Olympia-Quali für die WM-Teams auf den Plätzen 9 bis 16 im Januar 2012 in London erspart.

Die Glanzpunkte in einer starken Riege setzte einmal mehr Seitz. Doch die 17-Jährige hatte doppelt gezittert und auch auf einen Finalplatz am Barren gehofft. Schließlich zogen aber noch zwei Japanerinnen in letzter Sekunde vorbei und versperrten ihr den Weg. „Olympia war wichtiger“, tröstete sie sich. Dafür präsentierte die Mannheimerin sauber ihr selbst kreiertes Element: Den Aufschwung vom unteren zum oberen Holmen mit ganzer Drehung, der künftig den Namen „Seitz“ tragen wird. „Erst mein eigenes Element, dann die Olympia-Qualifikation - diese WM ist jetzt schon unglaublich“, meinte sie. „Wir haben uns nie unter Druck gesetzt und unser Ding durchgezogen“, fügte die Mannheimerin hinzu.

Altmeisterin Oksana Chusovitina aus Köln greift sogar nach einer Medaille. Mit zwei sauber gestandenen Sprüngen kam die 36 Jahre alte Olympia-Zweite auf einen Durchschnittswert von 14,833 Punkten und Rang zwei. „Das war fast perfekt, aber viel wichtiger war der Erfolg der Mannschaft“, sagte Chusovitina nach dem langen Daumendrücken. Den dritten Einzel-Finalplatz erkämpfte Nadine Jarosch aus Detmold als Zwölfte im Mehrkampf.

Glücklich waren alle, dass es gerade am „Zitterbalken“ wie geschmiert lief, nachdem bei der Generalprobe in Frankreich noch sieben Absteiger gezählt wurden. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mal einen Wettkampf mit Werten nur über 13 Punkten geturnt haben“, sagte Koch. „Der Balken war das Schlüsselgerät“, konstatierte Sportdirektor Wolfgang Willam. Nur Kim Bui ärgerte sich ein wenig über ihren Patzer am Barren, als sie sich vergriff und auf das Gerät stürzte. „Ich kann mir das nicht erklären“, meinte sie. Aber das war am Abend gegen 21.30 Uhr Ortszeit längst wieder vergessen.

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