Nguyen und Seitz erstmals auf dem Mehrkampf-Thron

Berlin (dpa) · Marcel Nguyen hat die Gunst der Stunde genutzt und sich erstmals die Mehrkampf-Krone der deutschen Turner aufgesetzt.

Der vor drei Tagen 23 Jahre altgewordene Unterhachinger zeigte zum Auftakt der deutschen Meisterschaften in Berlin eine tolle Aufholjagd und verwies mit 87,05 Punkten den überraschend starken Berliner Brian Gladow auf den zweiten Platz. Fabian Hambüchen, der wegen Problemen mit der Achillessehne an Sprung und Boden pausieren musste, durfte sich mit dem Finaleinzug an drei Geräten trösten.

„Schade, dass Fabian im Mehrkampf nicht dabei war“, sagte Nguyen bedauernd. „Ich hätte gern gegen ihn geturnt und auch gern gegen ihn gewonnen“, erklärte der Sohn eines Vietnamesen und einer Deutschen, für den es der erste nationale Titel der Karriere war. „Jetzt ist am Sonntag am Barren und vielleicht am Sprung noch mehr drin“, sagte Nguyen, der insgesamt vier Finals erreichte, am Boden aber fehlt.

Während Rivale Philipp Boy gleich vom Start an auf einer Top-Position rangierte, begann Nguyen mit zu vielen Fehlern ausgerechnet am Boden, wo er vor fünf Monaten noch den zweiten EM- Rang belegt hatte. „Es ist echt mies losgegangen, aber denn habe ich mich zusammengerissen“, meinte der neue Champion, der mit tadellosen Leistungen am Sprung (16,00) und Barren (15,05) wieder an Boy vorbeizog, auch weil der Lausitzer plötzlich Nerven zeigte und hintereinander an Sprung, Barren und Reck patzte.

So war es nicht verwunderlich, dass auch noch Lokalmatador Brian Gladow (85,60) und der Straubenhardter Thomas Taranu (85,20) an Boy vorbeizogen und sich für die sechsköpfige deutsche Riege bei den Weltmeisterschaften in Rotterdam (18. bis 24. Oktober) empfahlen. „Das Publikum hat mich getragen“, meinte der Überraschungs-Vize Gladow, der erst vor vier Wochen einen Muskelfaserriss erlitten hatte.

Für Hambüchen begann der Wettkampf vor 1500 Zuschauern mit einer Enttäuschung, als er am Pauschenpferd gleich zweimal unfreiwillig absteigen musste. Danach erreichte er an Ringen (14,65), Barren (15,00) und trotz eines Absteigers auch am Reck (14,45) die Finals am Sonntag und wahrte damit die Chance auf Erweiterung seiner bisher 25 Goldmedaillen umfassenden nationalen Titel-Sammlung. „Ein komisches Gefühl, dass ich diesmal nicht überall dabei war“, gestand Hambüchen. Im Mehrkampf als Sechster erwartungsgemäß nicht auf dem Podest, glänzte Doppel-Europameister Matthias Fahrig (Halle/Saale) an seinen Spezialgeräten Boden (14,75) und Sprung (15,95) und zog mit Tageshöchstwerten als Top-Favorit in die Finals am Sonntag.

Bei den Frauen gab es in einer schwachen Konkurrenz den erwarteten Sieg von Elisabeth Seitz. Die erst 16-jährige Mannheimerin setzte sich mit 54,95 Punkten vor Lisa-Katharina Hill (Chemnitz/51,20) und Pia Tolle (Tübingen/50,30) durch und qualifizierte sich für drei Finals am Sonntag. Die Olympia-Zweite Oksana Chusovitina, die keinen Mehrkampf turnte, erreichte am Sprung und Balken das Finale.

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