Eishockey „Ich will Eishockey populärer machen“

Baden-Baden/Edmonton · Der Kölner gilt als derzeit weltbester Spieler. Im TV-Interview plaudert der 25-Jährige über seine zweite Heimat Edmonton und die Jahre in der NHL, über Corona, Robert Lewandowski, Dirk Nowitzki und sein großes Ziel.

 18.05.2019, Slowakei, Kosice: Eishockey: WM, Kanada - Deutschland, Vorrunde, Gruppe A, 5. Spieltag in der Steel Arena. Deutschlands Leon Draisaitl lacht beim Warm-up. Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

18.05.2019, Slowakei, Kosice: Eishockey: WM, Kanada - Deutschland, Vorrunde, Gruppe A, 5. Spieltag in der Steel Arena. Deutschlands Leon Draisaitl lacht beim Warm-up. Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Der beste Eishockeyspieler der Welt ist – misst man ihn an seinen persönlichen Auszeichnungen, die er in der abgelaufenen Saison bekommen hat – ein Deutscher. Sein Name: Leon Draisaitl (25), gebürtiger Kölner, Stürmerstar der Edmonton Oilers in der besten Eishockey-Liga der Welt, der NHL. Mit 43 Toren und 67 Vorlagen in 71 Spielen wurde er 2020 Topscorer der National Hockey League.

Dort wurden dem jungen Mann, den Deutschlands Sportjournalistinnen und Sportjournalisten in diesem Jahr zum „Sportler des Jahres“ erkoren, alle „Awards“, wie man dort solche Trophäen nennt, zuteil. Zuerkannt unter anderem von den eigenen Konkurrenten auf dem Eis. Wenige Tage vor der „Gala Sportler des Jahres“ in Baden-Baden sprach TV-Mitarbeiter Jürgen C. Braun mit Draisaitl.

Herr Draisaitl, klären Sie uns doch bitte mal auf: Sie haben bei der alljährlichen Preisverleihung der NHL quasi einen Hattrick erzielt, den in Deutschland nur Leute verstehen können, die sich in der Geschichte dieses Sports auskennen. Sie haben die „Art-Ross-Trophäe“, die „Hart-Memorial-Trophäe“ und den „Ted-Lindsay-Preis“ gewonnen.  Welchen Stellenwert haben diese Trophäen dort, wo Sie seit Jahren leben und spielen?“

Leon Draisaitl: Man muss wissen, dass es in der NHL üblich ist, Preisen einen Namen zu geben, die nicht direkt erkennen lassen, weshalb man damit ausgezeichnet wurde. Wenn in Deutschland der Torschützenkönig der Fußball-Bundesliga ausgezeichnet wird, dann weiß jeder: Aha, das ist der, der die meisten Tore geschossen hat. In Nordamerika und Kanada ist es Tradition, diesen Trophäen Namen zu geben. Die Art-Ross-Trophäe bekommt man für die meisten erzielten Punkte in der regulären Saison. Die Hart-Memorial-Trophäe ist eine Journalisten-Auszeichnung. Die Schreiber wählen den Spieler, der ihrer Meinung nach am wertvollsten für sein Team ist. Am ehrenvollsten für mich persönlich ist der Ted-Lindsay-Preis. Den bekommt der, der von seinen Mitspielern in der vergangenen Saison als herausragend angesehen wurde.“

Und Sie haben alle diese drei möglichen Einzel-Awards in der besten Liga der Welt gewonnen. Woraus ich schließe, dass Sie der beste Eishockeyspieler der Welt sind. Oder?

Draisaitl: Wenn Sie so wollen, ja. Aber ganz ehrlich, ich habe bisher nicht viel Zeit damit verbracht, darüber nach zu denken, was ich doch für ein toller Eishockey-Spieler bin. Preisverleihungen haben hier drüben eine lange Tradition. Das sind auch immer große gesellschaftliche Ereignisse mit einer ungeheuren Präsenz. Denken Sie nur mal an den Oscar. Aber ich bin natürlich schon mächtig stolz darauf.

Wie war denn die Reaktion danach, als Sie alle Preise abgeräumt hatten? Gab es mehr Anfragen nach Interviews oder Fernsehauftritten als sonst?

Draisaitl: Ja, absolut. Das Medienecho auf meine drei NHL Awards war schon etwas anderes im Vergleich zu den Vorjahren, als ich ja auch schon ganz gut gespielt habe (lacht). Ich glaube, ich hatte während meiner Zeit in Köln, als ich dort in der Ligapause ein bisschen Ruhe genießen wollte, nach den Awards keinen einzigen Tag ohne Medientermin.

Sie sind schon mit 17 Jahren ins Mutterland des Eishockeys gegangen, haben nie in der DEL gespielt. Und als die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft 2018 in Pyeongchang die olympische Silbermedaille gewann, konnten Sie nicht dabei sein, weil die NHL ihre Spieler nicht freigab. Wie ist Ihr Verhältnis zu Deutschland und zum deutschen Eishockey?

Draisaitl: Deutschland war und ist mir immer sehr wichtig. Wann immer es irgendwie mit dem NHL-Spielplan passt, bin ich sehr gerne für die deutsche Nationalmannschaft auf dem Eis. Im Moment ist die weltweite Situation wegen der Pandemie ja sehr verworren. Vielleicht klappt es ja bei Olympia 2022 in Peking. Auch wenn Edmonton inzwischen meine zweite Heimat geworden ist, so ist die erste doch immer noch Köln.

Zwischen Edmonton und Köln liegen acht Stunden Zeitunterschied. NHL-Spiele werden in tiefer Nacht aus deutscher Sicht ausgetragen. Eishockey-Fans haben selten Gelegenheit, Sie live zu sehen. Ihre Popularität drüben kommt hier gar nicht so richtig rüber. Stört Sie das?

Draisaitl: Ja, es ist schade, dass man in Deutschland nur so wenig von der NHL zu sehen bekommt. Es geht mir dabei aber weniger um meine Person. Ich würde gerne etwas dafür tun, Eishockey in Deutschland populärer zu machen.  Als die Nationalmannschaft im olympischen Finale gegen Russland gestanden hat und vorher Kanada geschlagen hat, hat man ja gesehen, wie groß das Interesse an unserer Sportart plötzlich sein kann. Bei Olympia steht Eishockey immer besonders im Fokus, weil die Sportart so faszinierend und rasend schnell ist. Es braucht manchmal nur einen kleinen Auslöser.

Sie kennen beide Seiten, Deutschland und Kanada. Und Sie kennen beide Sportarten, Fußball und Eishockey. Kann man den Stellenwert von Fußball In Deutschland und Eishockey in Kanada miteinander vergleichen?

Draisaitl: Eishockey in Kanada ist viel größer als Fußball in Deutschland. Der Bekanntheits- oder der Beliebtheitsgrad eines Top-Spielers aus der NHL ist mindestens genauso groß wie der von Robert Lewandowski oder einem Starspieler von Borussia Dortmund. Ich werde auf der Straße ebenso erkannt, wenn ich mal mit meinem Hund in den Park oder zum Einkaufen gehe. Eishockey ist ein richtiger Hype in Kanada.

Die NHL hat wegen Corona von März bis August pausieren müssen, bevor die Spielzeit mit einem neuen Format zu Ende gebracht wurde. Auch 2020/2021 wird unter dem Eindruck der Pandemie stehen. Was erwarten Sie von der bevorstehenden Saison?

Draisaitl: Alle Mannschaften werden bei der Vorbereitung der Spielzeit inklusive der Playoffs Kompromisse und Zugeständnisse machen müssen. Alle versuchen irgendwie, die Umstände möglichst auszublenden. Wir sind schließlich Profis und müssen uns den Bedingungen anpassen. Die Awards, die ich in diesem Jahr bekommen habe, sind sicher eine tolle persönliche Auszeichnung. Aber Eishockey ist ein Mannschaftssport. Mein einziges Ziel ist es, mit meinem Team den Stanley-Cup zu gewinnen. Nur das zählt.

(Anmerkung der Redaktion: Die neue Saison der NHL soll jetzt am 13. Januar beginnen. Zuvor war sogar vom Saisonstart am 1. Januar die Rede. Das stand zum Zeitpunkt unseres Gesprächs mit Leon Draisaitl noch nicht fest.)

Viele ziehen bereits einen Vergleich zwischen Ihnen und Dirk Nowitzki. Wie stehen Sie zu solchen Gegenüberstellungen?

Draisaitl: Ich sehe mich noch lange nicht auf einer Stufe mit Dirk. Er hat über 20 Jahre für den gleichen Club in der NBA gespielt und ist in den ganzen USA ein Idol geworden. Jedes kleine Kind kennt ihn. Aber ich würde ihm gerne nacheifern in dem, was er erreicht hat. Dirk hat auch sehr oft bei großen Turnieren für Deutschland gespielt. Er hat in Peking bei Olympia sogar die deutsche Fahne getragen. So eine Karriere ist großartig. Ich würde Eishockey gerne etwas populärer machen in Deutschland. Wenn ich das Gesicht dieser wahnsinnig rasanten Sportart in Deutschland werden könnte, dann wäre schon viel geholfen auf diesem Weg.

Ihr Vater Peter ging als der größte Pechvogel in die Geschichte des deutschen Eishockeys ein, als sein Puck im Penalty-Schießen des olympischen Viertelfinals 1992 gegen Kanada  auf der Linie senkrecht stehen blieb und dann in Richtung Feld umkippte. War Ihr Vater ihr erstes großes Vorbild gewesen?

Draisaitl: Ich werde natürlich sehr oft darauf angesprochen, ist ja klar als Sohn. Zu Hause gesprochen haben wir kaum darüber. Was soll ich dazu auch sagen? Ich war damals noch nicht geboren. Aber eines stimmt: Mein Vater war mein erstes großes Vorbild. Er nahm mich früh mit in die Eishalle. Mit ihm fing alles an.

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