Nicht nur Mensings Rücken kann bei EM entzücken

Debrecen (dpa) · Jenny Mensing sieht man die Qualen ihres Sports an. Nach ihren Rennen kann sich die Wiesbadenerin kaum auf den Beinen halten, so sehr verausgabt sie sich. Der Lohn der Strapazen: Gold und Silber bei der EM. Nicht nur Mensing sorgt in der Rücken-Lage für Furore.

Im EM-Becken von Debrecen macht Mensing kaum einer etwas vor, das Nachspiel an Land ist fast die größere Herausforderung. Die 26-Jährige muss sich zeitweise beim Interview-Marathon abstützen, weil die Oberschenkel nicht mehr mitmachen. Nach Silber über die 200 Meter Rücken und dem Sieg über die halbe Distanz kämpft sich die Polizeikommissarin durch alle Fragen.

Der 250. deutsche Sieg bei Schwimm-Europameisterschaften wäre für andere ein Anlass für zumindest eine kleine Feier gewesen. Jenny Mensing belohnte sich auf andere Weise. „Ich habe geschlafen, bei mir ging nichts mehr“, sagte sie am Freitag nach ihrem Vorlauf über 50 Meter.

Das deutsche Jubiläums-Gold nahm die Wiesbadenerin eher geschäftsmäßig zur Kenntnis: „Ich habe ja vorher keins geholt.“ Große Gefühlsausbrüche sind eh nicht die Sache Mensings - nur bei der Siegerehrung wurden die Augen dann doch eine Spur feucht: „Es war mein größter Moment bisher, ich musste mehrmals tief durchatmen, dass keine Träne rauskommt.“

Nicht nur Mensing, auch andere deutsche Rückenschwimmer sorgen für Furore und einen Aufschwung in der Lage, die jahrelang eher zu den Sorgendisziplinen im Deutschen Schwimm-Verband gehörte. Zwar „hängt es bei den Frauen noch ein bisschen“ (Mensing), dafür gibt es bei den Männern inzwischen einen harten Konkurrenzkampf. Früher galt: Helge Meeuw und dann kam lange nichts. War der Vize-Weltmeister von 2009 über die 100 Meter verletzt, mussten Verlegenheitslösungen für eine dann chancenlose Lagenstaffel her.

Nun musste Meeuw nach längerer Krankheitspause ernsthaft um sein Olympia-Ticket bangen. Bei der deutschen Meisterschaft vor zwei Wochen katapultierte sich der bei der EM fehlende Frankfurter Jan-Philipp Glania auf Platz zwei und vier der Weltrangliste. Meeuw löste erst in Ungarn die London-Fahrkarte. „Ich war ersetzbar“, diagnostizierte der angehende Mediziner und freute sich umso mehr über die nachträglich geschaffte Qualifikation.

„Wenn man mich Anfang des Jahres gefragt hätte, wäre meine Antwort gewesen, Helge muss durchkommen, sonst wird es schwierig“, erinnert sich Leistungssportdirektor Lutz Buschkow und stellt mit Blick auf die Lagenstaffel zufrieden fest: „Jetzt haben wir Alternativen.“ Nicht nur auf den 100 Metern Rücken, auch auf der doppelten Distanz ist der Konkurrenzkampf groß. So unterbot Felix Wolf bei der DM in Berlin die Olympia-Norm, darf aber als Dritter hinter Glania und Yannick Lebherz nicht nach London.

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