Nordkoreas erster Paralympics-Athlet gefeiert

London (dpa) · Als Rim Ju Song allen weit hinterherschwamm, da toste das Aquatics Center, und auch Prinz Harry hielt es nicht mehr auf seinem Sitz. Der 16 Jahre alte Rim ist jetzt schon einer der Paralympics-Helden von London.

Rim hat erst vor fünf Monaten schwimmen gelernt und ist der erste Athlet, den Nordkorea je zu Behinderten-Weltspielen entsandt hat. Als der Nordkoreaner , der sein linkes Bein und seinen linken Arm bei einem Unfall verloren hat, im 50-Meter-Freistil-Vorlauf rund 18 Sekunden hinter dem schnellen Kubaner Lorenzo Perez Escalona anschlug, strahlte er schüchtern und winkte einmal in die Menge. „Am Start war ich sehr nervös, jetzt habe ich ein sehr gutes Gefühl“, erzählte er später.

Stolz, aber auch erschrocken von dem Rieseninteresse an seiner Person saß der junge Mann noch mit Badekappe und Schwimmbrille in seinem Rollstuhl in der Mixed Zone. „Es war für mich eine Ehre, einziger Teilnehmer für Nordkorea zu sein“, wurde übersetzt. Der donnernde Applaus war für ihn? Tatsächlich! „Das war ermutigend“, sagte er. Und das nächste Ziel? „Rio 2016. Dann will ich die erste Goldmedaille für mein Land holen.“

Bei heiklen Fragen übernahm aber schnell sein Begleiter die Antworten: Ein älterer Offizieller namens Kim Sung Chol - laut Akkreditierung der „Teamdoktor“. Er sprach sehr gut Englisch und „grätschte“ sofort dazwischen, als nach angeblichen Lagern für Behinderte außerhalb der nordkoreanischen Gesellschaft gefragt wurde. „Ich glaube nicht, dass es so etwas gibt. Und natürlich machen Behinderte bei uns Kunst und Sport.“

Wie Rim denn genau sein Bein und seinen Arm verloren habe? Auch diese Antwort gab der Betreuer: „Er war ein ungezogener Junge und ist als Sechsjähriger bei Baustellenarbeiten dazwischen gekommen.“

Teamarzt Kim berichtete, dass nun viele Behinderte bereits für die kommenden Paralympics trainieren - Boccia, Tischtennis, Rollstuhlrennen oder Gewichtheben. Diesmal seien sie noch zu spät dran gewesen. Auch Rim erfuhr erst auf den letzten Drücker, dass er noch eine zweite Disziplin benötigt: „Den zweiten Schwimmstil habe ich vor drei Wochen erst gelernt.“

Die Diktatur Nordkorea scheint das Propaganda-Potenzial erkannt zu haben, das auch erfolgreiche Behindertensportler bieten. Auf der Tribüne saß eine kleine, junge Frau im Rollstuhl, die Rim mit zwei Nordkorea-Fähnchen zujubelte und ein Winken von ihm nach dem Rennen erwidert bekam. Eine allzu rührende Szene. Alles inszeniert? Vielleicht. Doch dieser tapfere Schwimmer war an diesem Tag ein echter Held.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort