Paralympics-Siegerin Bruhn tritt glücklich ab

London (dpa) · Ein Heiratsantrag, ein neuer Job und ein Umzug nach Berlin: Kirsten Bruhn fällt der Abschied von der großen Bühne kinderleicht. Der dritte Paralympics-Erfolg am Mittwoch über 100 Meter Brust war das Startsignal in ein neues Leben, auf das sich die 42-Jährige ungemein freut.

„In Rio werde ich ganz sicher nicht mehr an den Start gehen, das sollen die jungen Leute machen. Es gibt kein Comeback, das ist nicht mein Ding“. Ausgelassen ließ sie sich am Abend im Deutschen Haus feiern und will sogar noch eine Woche in London bleiben, um die außergewöhnliche Stimmung zu genießen.

Im nächsten Jahr die Weltmeisterschaften in Kanada noch mitnehmen und dann nur noch abtrainieren: Das sind die Pläne der Neumünsteranerin, die die Konkurrenz in London auf ihrer Lieblingsstrecke mit drei Längen Vorsprung deklassierte. „Ich hätte nie gedacht, dass ich drei Paralympics erlebe“, bekannte die stets gut gelaunte Norddeutsche im Aquatics Centre.

Seit einem Motorradunfall mit 19 ist sie teilweise gelähmt. „Ich kann nur jedem sagen: Mach etwas aus deinem Leben.“ Als sie wieder mit dem Schwimmen begann, wollte sie an ihr früheres Leben anknüpfen und hat gemerkt, „dass ich durch den Leistungssport lebendig bin“.

Nun sei es Zeit, sich nach elf paralympischen Medaillen ins Privatleben zurückzuziehen. „Ich möchte nicht als alte, kaputte Frau noch dabei sein und Schmerztabletten schlucken müssen“, begründete sie ihren Rückzug aus dem Rampenlicht. Sie wird nach Berlin ziehen und sucht zusammen mit Philipp Semechin, dem Leistungsdiagnostiker des deutschen Teams, eine neue Bleibe. Ein neuer Job in der Öffentlichkeitsarbeit eines Krankenhauses wartet schon auf sie. Und die Hochzeitspläne? „Der Philipp möchte gern, aber das muss etwas länger geplant werden“, sagte sie lachend.

Ganz aus dem Behindertensport verschwinden wird Bruhn nicht. „Ich werde vielleicht in Rio in anderer Funktion dabei sein“, sagte sie und deutete an, dass sie sich weiter engagieren wird. Die bessere Förderung des Nachwuchses liegt ihr am Herzen. Schon in Kindergärten und Schulen müsse das Sichtungssystem deutlich verbessert werden, mahnte sie am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wir können nicht irgendwo in der Mitte anfangen, sondern wir müssen unten anfangen. Wir brauchen unser Fundament. Das haben wir im Moment nicht. Da ist unser System ein bisschen kränklich“, urteilte die Schwimmerin.

Es dürfe nicht sein, dass an den Schulen „Sport und Musik als erstes ausfällt. Wir brauchen den Sport, wir brauchen ihn nicht nur für die Mobilität unserer Extremitäten, sondern auch für unsere geistige Entwicklung“, erklärte Bruhn - und war noch einmal fast so in Fahrt wie bei ihrem goldenen Abschied von den Paralympics.

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