Radsport Tour de France: Warum besteht eine Profi-Equipe nur noch aus acht statt aus neun Fahrern?

LAUSANNE · Vor vier Jahren wurde eine Regelung eingeführt, die zwar gut gemeint, aber nicht so ganz gut gemacht wurde.

„Seit wann und warum besteht eine Profi-Equipe bei der Tour de France nur noch aus acht statt aus neun  Fahrern?“ Das wollte TV-Leser Siegfried Mainusch per Mail von uns wissen.

Bestrebungen, die Mannschaften der Tour zu verkleinern oder aber weniger Mannschaften, vor allem weniger Wildcards zuzulassen, gibt es schon seit Langem. Seit Profi-Mannschaften (die ersten waren Peugeot, Campagnolo) das Bild der Frankreich-Rundfahrt bestimmen, wurde das Feld immer größer und damit auch unübersichtlicher. Und gefährlicher.

Zum Schluss waren in jedem Jahr fast 200 Fahrer unterwegs. Dazu ein riesiger Tross an neutralen Materialwagen und  Mannschafts-Fahrzeugen. Gendarmerie auf zwei und vier Rädern, Offizielle der Tour-Direktion und dem notwendigen „service medical“. Von den zahlreichen Pressevertretern, die je nach Akkreditierungs-Niveau dank eines deutlich sichtbaren Hinweis-Aufklebers am registrierten Auto noch zwischen Ausreißer und Hauptfeld fahren dürfen, gar nicht erst zu reden.

Hinzu kommt, dass die Etappen durch den offiziellen Tourfunk, den alle Teamleiter hören, aber auch durch den jeweiligen Mannschaftsfunk immer hektischer werden. Helfer werden durch den „Knopf im Ohr“ nach hinten oder vorn lanciert. Es wird in geschlossener Formation vorn gepusht oder die Beine werden hoch gehoben. Je nach Rennverlauf. Im Prinzip erleben wir mittlerweile – vor allem in den eher flachen oder hügeligen Teilstücken – Sprintetappen von manchmal 200 Kilometern.

Gewettert wurde gegen diese Unsitte schon seit Langem. Etwas getan dagegen hat man aber erst vor kurzem. Denn erst, als es durch die aufkommende Nervosität und Hektik in den entscheidenden Phasen einer Etappe immer häufiger zu folgenschweren Stürzen kam, wodurch auch das Gesamtklassement und damit die Preisverteilung beeinflusst wurden, zogen der Weltverband UCI, Veranstalter und Teilnehmer an einem Strang.

Die Bilder von gestürzten Fahrern waren nicht gerade gut für die Außendarstellung des dreiwöchigen Spektakels. Und schreckten damit auch manche möglichen neuen Sponsoren ab. Rollender Rubel aber ist nun einmal Sinn und Zweck des Monstrums Tour, das die Amaury Sports Organisation Jahr für Jahr veranstaltet.

Um diesem Szenario möglichst vorzubeugen, führte die UCI im Jahr 2018 einige Neuerungen für die großen dreiwöchigen Rundfahrten ein. Darunter auch die Verkleinerung der Equipen. Gerechnet wurde folgendermaßen: Nur noch 176 statt 196 Fahrer. Dadurch auch weniger Begleitfahrzeuge, weniger Gerangel und infolgedessen auch weniger Unfälle.

Wer indes die Bilder aus der ersten Woche verfolgte wird mitbekommen haben, dass das wohl eine Milchmädchenrechnung ist und bleiben wird. Das sagte nach der Einführung auch der ehemalige deutsche Top-Sprinter Marcel Kittel: „Ich glaube nicht, dass das was bringt. Am Ende wollen alle vorn fahren. Ob das jetzt acht oder neun sind, macht nicht mehr viel Unterschied, wenn der erste fällt und die anderen beim Tempo 70 hinterherfliegen.“

Der inzwischen zurückgetretene Kittel sah einen einzigen, wohl nicht ganz ernst gemeinten Vorteil in der neuen Regelung: „Bei acht statt neun Mann gibt es keine Diskussionen mehr im Team, wer ein Einzelzimmer bekommt ...“

Wenn auch Sie noch Fragen zur Tour de France haben, stellen Sie diese gerne an sport@volksfreund.de oder an braun@jcb-communication.de

(jüb)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort