Alles fließt

DÜSSELDORF · Nach Martins geplatztem Traum von Gelb sorgt Kittel für den ersten deutschen Tagessieg.

DÜSSELDORF Am Tag, als der Regen kam, fiel der minutiös geplante Coup vom deutschen Fahrer im Gelben Trikot beim Start der Tour de France auf deutschem Boden zwar buchstäblich ins Wasser. Doch bereits einen Tag später sorgte Sprinter Marcel Kittel (Quick-Step Floors) auf der zweiten Etappe von Düsseldorf nach Lüttich für den ersten deutschen Etappensieg bei dieser Frankreich-Rundfahrt. Es war der insgesamt zehnte Tagessieg des 29-jährigen Erfurters, der den deutschen Lotto-Soudal-Kapitän André Greipel auf den dritten Rang hinter dem französischen Meister Arnaud Démare (FDJ) verwies. Kittel war von seinen Emotionen überwältigt: "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das war so ein unglaublicher Start in Deutschland mit so vielen Menschen. Und dann gewinne ich heute auch noch diese Etappe."
Eine halbe Million Menschen ließen sich von Tony Martins geplatztem Traum nicht beirren und feierten rheinischen Tour-Karneval bei ebenso nasser wie ausgelassener Fröhlichkeit. Der Waliser Geraint Thomas, der den Prolog am Samstag gewonnen hatte, führt das Peloton heute weiter als Gesamtführender in die erste komplette Tour-Woche. Der 32-jährige deutsche Zeitfahr-Weltmeister Martin machte nach den knapp 14 Kilometern auf pitschnassem Untergrund, die er als Vierter statt als Erster beendete, keinen Hehl aus seiner Enttäuschung, blickte aber auch schon voraus: "Ich hatte ganz klar das Ziel, hier zu gewinnen. Es war die einmalige Chance, in Deutschland um Gelb zu fahren. Dennoch war es ein wunderschönes Rennen von der Atmosphäre her, die Leute haben mich frenetisch unterstützt." Und die Möglichkeit, das begehrteste Trikot des Radsports im weiteren Verlauf doch noch einmal überstreifen zu können, hat der Mann aus dem Kathusha-Team noch nicht aufgegeben: "Es gibt in den nächsten Tagen sicherlich noch die Möglichkeit, die eine oder andere erfolgreiche Flucht-Attacke zu reiten." Bei strömendem Regen habe ihm das "unrhythmische und ständige Beschleunigen aus geringeren Geschwindigkeiten aus den Kurven heraus den Zahn gezogen". Zu denen, die den Spezialisten im Kampf gegen den Sekundenzeiger vom Straßenrand aus anfeuerten, gehörte auch Herbert Weber aus Erden an der Mosel. "Wir standen etwa zwei Kilometer nach dem Start an der Strecke. Gott sei Dank hatten ein paar Radkumpels, mit denen wir uns dort trafen, so eine Art mobiles kleines Party-Zelt mitgebracht. Das bauten wir schnell auf. Damit waren wir zumindest ein bisschen geschützt", erzählte Weber, der trotz des Regens von einer "grandiosen Atmosphäre" schwärmte.
Der deutsche Michel und die französische Marianne hatten sich mit Hunderttausenden von Gleichgesinnten für zwei Tage aufs Herzlichste miteinander verbandelt.
Am Sonntag ging es für Weber, der mit seinem Tour-erprobten Wohnmobil wieder unterwegs ist, weiter, um sich heute in Verviers den Start anzusehen.
Top-Favorit Christopher Froome (Sky) zehrt bereits von den ersten Sekunden, die er als Auftakt-Sechster zwischen sich und seine vermutlich schärfsten Konkurrenten Richie Porte (BMC Racing Team) und Nairo Quintana (Movistar) hatte legen können. Der Kapitän der spanischen Movistar-Mannschaft musste zudem noch den ersten Schock verdauen. Denn mit dem schwer gestürzten Alejandro Valverde (Brüche der Kniescheibe und des Sprungbeins) verlor er bereits auf den ersten von fast 3500 Kilometern seinen Edel-Domestiken für das Hochgebirge.

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