Auch im Tod bleibt Konietzka konsequent

Berlin · Timo Konietzka hat seinem Leben ein Ende gesetzt: Am Montag um 18.52 Uhr starb der 73-Jährige, der unheilbar an Gallenkrebs litt, im Beisein seiner Frau Claudia.

Berlin. Der erste Torschütze der Bundesliga-Geschichte hatte angekündigt, sein Ende selbst zu bestimmen: "Wenn ich merke, dass meine Zeit gekommen ist, werde ich meine Liebsten um mich versammeln, mich verabschieden - und dann einen Schluck vom Todescocktail trinken." Konietzka sprach immer offen über das Thema aktive Sterbehilfe.
"Timo sah nochmals seine Enkel, genoss die letzten Stunden seines Lebens", sagt Claudia Konietzka. Seine letzte Botschaft war an Familie und Freunde, aber auch an die Öffentlichkeit gerichtet: "Ich bin erlöst von meinen Qualen. Macht alle das Beste aus Eurem Leben! Meines war lang und doch so kurz."
"Die Bundesliga trauert um Timo Konietzka", sagte der tief bestürzte Liga-Präsident Reinhard Rauball in seiner ersten Reaktion, "mit dem ersten Tor in der Liga-Geschichte wird er den Fans in Deutschland für immer unvergesslich bleiben, obwohl dieser Treffer von keiner Fernseh-Kamera gefilmt wurde." Für dieses geschichtsträchtige Tor am 24. August 1963 brauchte Konietzka im Trikot von Borussia Dortmund genau 58 Sekunden.
Bisher hatte Konietzka noch allen Krankheiten getrotzt. Bereits zwei Mal hatte der gebürtige Westfale eine Herzattacke erlitten. Immer wieder rappelte er sich auf. Stolz war er vor allem auf seine Vitalität. Mindestens eine Stunde pro Tag joggte der 73-Jährige, dazu half er im familiären Gasthaus "Ochsen" in Brunnen am Vierwaldstättersee mit und war als Vertreter für Gesundheitsschuhe auch in der Region unterwegs, zum Beispiel in Trier und Jünkerath.

Seit knapp 40 Jahren lebte Konietzka in der Schweiz, 1988 nahm er die eidgenössische Staatsbürgerschaft an. Sowohl als Spieler und als Trainer feierte der Westfale große Erfolge. Am 24. August 1963 schoss er das erste Tor der Geschichte der Bundesliga, in insgesamt 100 Spielen erzielte Konietzka 72 Tore. Dazu trainierte er in Deutschland Bayer Uerdingen und Borussia Dortmund. Unter Schock stehen seine ehemaligen Kollegen aus München, mit denen er 1966 Deutscher Meister geworden ist. Ex-Nationalspieler Fredi Heiß sagte am Dienstag: "Ich bin geschockt. Aber dass Timo diesen Weg gewählt hat, passt zu ihm. Er war knallhart." Der TSV 1860 wird am Mittwoch beim Nachholspiel in der Zweiten Liga in Aue mit Trauerflor auflaufen.

Harter Hund mit Herz


Seine größten Erfolge als Coach feierte er jedoch in der Schweiz. Mit dem FC Zürich schaffte er zwischen 1974 bis 1976 den Titelhattrick. Mit dem Stadtkonkurrenten Grasshopper Club Zürich holte er 1982 ebenfalls die Meisterschaft. Bekannt als harter Hund und Schleifer hat er aber auch mit seiner Herzlichkeit und Disziplin alle fasziniert.
"Ein großes Fußball-Herz hat aufgehört zu schlagen. Die Grass hoppers werden Timo Konietzka ein ehrendes Andenken bewahren", schreibt GC auf seiner Homepage. Auch der Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld ist in Trauer: "Ich habe mich immer gefreut, Timo zu sehen, zuletzt immer wieder auch an Trainings des Schweizer Nationalteams. Er ist stets ein absoluter Vollblutfußballer gewesen. Immer ehrlich, immer authentisch und damit immer glaubwürdig."
Seinen letzten Auftritt als Trainer hatte Konietzka beim unterklassigen Verein FC Ebikon im April 2011. Beim schlechtesten Team der Schweiz fungierte er für ein Spiel als Coach - und holte einen Punkt. "Normalerweise waren 10 Zuschauer da, bei dem Spiel 500. Die trugen mich nach der Partie auf den Schultern über den Platz", sagte er damals. Er kam nie ganz weg vom Fußball.

"Das 50. Jubiläum des ersten Bundesligators, das wird noch mal ein Highlight", freute sich Konietzka noch im Januar auf den runden "Tor-Geburtstag". Der Mann mit dem Bürstenhaarschnitt, geboren als Friedhelm, später umbenannt in "Timo" wegen seiner Ähnlichkeit mit dem russischen General Timoschenko, wusste auch, wie man feiert.
"Meine Schwester hatte Krebs, mein Bruder starb an Knochenkrebs. Ich sah, wie er unter großen Schmerzen litt. So etwas will ich nie erleben. Ich will keinem zur Last fallen, nicht einsam im Heim enden", plädierte Konietzka immer für die umstrittene, in der Schweiz erlaubte aktive Sterbehilfe.
Extra

Sterbehilfe in der Schweiz: Ebenso wie in Deutschland ist aktive Sterbehilfe in den meisten europäischen Ländern verboten. Auch in der Schweiz ist aktive Sterbehilfe zwar untersagt. Die Gesetze erlauben es aber, unheilbar kranken Sterbewilligen Gift anzubieten, das diese dann selbst zu sich nehmen. Diese Möglichkeit wollte auch der ehemalige Bundesliga-Fußballer Timo Konietzka in Anspruch nehmen. Er hatte Krebs und starb am Montag im Alter von 73 Jahren. Seit 1982 bietet die Schweizer Organisation Exit todkranken Menschen Sterbehilfe an. Von rund 1500 Anfragen im Jahr würden etwa 450 nach eingehender Prüfung bewilligt, teilt der Verein auf seiner Homepage mit. In rund 250 Fällen komme es tatsächlich zum organisierten Suizid. Exit hilft nach eigenen Angaben nur Menschen, die in der Schweiz einen Wohnsitz haben. dpa

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