Champions-League-Finale: Trainer Klaus Toppmöller im Volksfreund-Interview

Mit Bayer Leverkusen hat Klaus Toppmöller goldene und bittere Momente in der Fußball-Champions-League erlebt. Vor dem Endspiel zwischen Borussia Dortmund und Bayern München am Samstag analysiert der 61-Jährige aus Rivenich (Kreis Bernkastel-Wittlich) im Interview mit TV-Redakteur Mirko Blahak die Lage bei den Finalisten.

Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem ersten rein deutschen Champions-League-Finale?
Toppmöller: Ich hätte nie gedacht, dass Bayern München UND Borussia Dortmund ins Finale einziehen - gegen den FC Barcelona und Real Madrid. Ich hoffe, dass beide Mannschaften den deutschen Fußball gut repräsentieren. Es darf kein Hass-Spiel werden, mit Roten Karten. Die Gefahr ist da.
Bayern München hat in dieser Saison einen Rekord nach dem anderen gebrochen. Was imponiert Ihnen am meisten?
Toppmöller: Die Mannschaft ist auf allen Positionen doppelt gut besetzt, so dass der Ausfall eines Spielers nicht so schwer wiegt. Ein wichtiger Neuzugang war Sportvorstand Matthias Sammer, auch wenn der nicht auf dem Feld steht. Er sorgt im Hintergrund dafür, dass die Mannschaft nie nachlässt. Sie wird Woche zu Woche unheimlich gepusht. Die Mannschaft funktioniert so gut - offensiv und defensiv. Sie spielt einen fast perfekten Fußball.
Was hat Borussia Dortmund dagegen zu setzen?
Toppmöller: In der Spitze ist der Kader auch sehr gut zusammengestellt. In der Breite ist das etwas anders. Dortmund verfügt über eine außergewöhnlich gute Offensive. Robert Lewandowski ist in aller Munde. Dazu Mario Götze und Marco Reus.
Wie wichtig ist für Dortmund das Mitwirken eines fitten Mario Götze?
Toppmöller: Ohne Götze hat Dortmund keine Chance! Mit Götze ist das Spiel ziemlich ausgeglichen. Er ist in Deutschland der beste Fußballer seit langem. So überragend am Ball wie früher Wolfgang Overath, Günther Netzer und Bernd Schuster.
Kann Götze ausblenden, dass er gegen seinen künftigen Arbeitgeber spielt?
Toppmöller: Ja, mit Sicherheit. Er hätte doch ein Problem, wenn Bayern München die Champions League gewinnt. Was will er denn dann noch bei Bayern erreichen? Toppen kann man das nicht. Götze wird alles dafür tun, damit Dortmund den Titel holt.
Wem kommt im Bayern-Team eine Schlüsselrolle zu?
Toppmöller: Bastian Schweinsteiger! Er wird - ähnlich wie früher Michael Ballack - unterschätzt. Bastian ist der wichtigste Mann für Bayern. Er macht das Spiel situationsbedingt schnell und langsam. Zudem ist er torgefährlich. Er ist im Prinzip der Trainer auf dem Platz.
Hätte ein Scheitern gegen Dortmund weitreichende Folgen für den Rekordmeister?
Toppmöller: Nein. Mit Sicherheit nicht. Bayern ist so gut aufgestellt. Sowohl personell als auch finanziell. Sicher wäre die Enttäuschung riesengroß. Für die neue Saison spielt das aber keine große Rolle.
München wurde 2012 drei Mal Zweiter - so wie Sie als Trainer 2002 mit Leverkusen. Welche Lehren hat der FCB daraus gezogen?
Toppmöller: Trainer Jupp Heynckes hat es geschafft, alle Stars unter einen Hut zu bekommen. Zwischenzeitlich waren Arjen Robben und Mario Gomez nicht zufrieden, weil sie nicht gespielt haben. Als es auf sie ankam, haben sie trotzdem Topleistungen gebracht. Auch Mario Mandzukic motzt nicht, obwohl Heynckes ihm durch die Rotation wohl die Torjägerkanone geraubt hat.
Als Spieler sind Sie Jupp Heynckes in den 1970er Jahren begegnet. Er spielte in Mönchengladbach, Sie beim 1. FC Kaiserslautern. Als Trainer hat Heynckes Sie dann 1994 mittelbar bei Eintracht Frankfurt beerbt. Welchen Anteil hat er am Erfolg der Bayern?
Toppmöller: Einen sehr großen, weil er personell alles richtig gemacht hat. Ich kenne Jupp seit den 1970er Jahren. Er wollte mal, dass ich ihn als Trainer bei Athletico Bilbao beerbe. Damals habe ich zu ihm gesagt: Ich kann kein Spanisch. Deshalb kann ich meine Stärken - Spieler taktisch gut einstellen und motivieren - nicht richtig einbringen.
Ich finde Jupp unheimlich sympathisch. Heute habe ich noch ein bisschen Kontakt zu ihm über Peter Hermann …
… den aktuellen Co-Trainer der Bayern, der auch einst Ihr Assistent bei Bayer Leverkusen war.
Toppmöller: Ja. Es freut mich auch für ihn besonders. Als Co-Trainer ist er sensationell. Mit ihm an der Seite brauchst du dich in der Trainingsplanung um fast nichts kümmern. Er kennt sich aus, hat bei Manchester United, Arsenal London, in Barcelona und Mailand hospitiert. Peter kommt morgens mit seiner Tasche aufs Clubgelände, arbeitet heimlich, still und leise, und geht wieder nach Hause. In der Öffentlichkeit zu stehen, interessiert ihn gar nicht. Er hat einen Superdraht zu den Spielern, die erkennen, dass er sie besser machen will und alles dafür tut. Er klatscht die Ersatzspieler genauso ab wie die Torschützen. Er ist unheimlich mannschaftsnah.
In der Vorsaison schied Borussia Dortmund in der Gruppenphase der Champions League aus. Jetzt steht der BVB im Finale. Warum ist das Team international so schnell so reif geworden?
Toppmöller: Ein Jahr mehr Erfahrung macht gerade bei jungen Spielern eine Menge aus. Stars wie Andrés Iniesta oder Xavi vom FC Barcelona mussten sich auch erst entwickeln.
BVB-Trainer Jürgen Klopp ist in puncto Emotionen ein Grenzgänger an der Seitenlinie. Was verkörpert er aus Ihrer Sicht?
Toppmöller: Er wird auch noch ruhiger. Er ist im Prinzip noch Spieler und ärgert sich deshalb zum Beispiel mehr über Schiedsrichterentscheidungen als Jupp Heynckes, der meist ruhig sitzen bleibt. Jürgen Klopp ist dennoch bereits ein ausgezeichneter Trainer. Das hat er schon bei Mainz 05 bewiesen.
Haben sich mit dem ersten rein deutschen Champions-League-Finale die Machtverhältnisse im europäischen Fußball nachhaltig verschoben?
Toppmöller: Deutschland ist bereits führend in Fußball-Europa. Das hat ja auch schon die Nationalmannschaft angedeutet. Borussia Dortmund und Bayern München sind für mich tatsächlich die beiden derzeit besten Mannschaften Europas. Ich empfinde übrigens ein bisschen Häme dabei, dass sie sich ausgerechnet in Wembley zum Finale gegenüberstehen. Beim WM-Finale 1966 zwischen England und Deutschland (4:2, d. Red.) war ich als Zuschauer im Wembley-Stadion. Dann fiel dieses vermeintliche Tor von Geoff Hurst zum 3:2. Die Deutschen haben alle gerufen: ,Kein Tor\'. Die Engländer haben gejubelt: ,Tor\'. Diese Eindrücke vergisst man nicht.
Ihr Tipp: Wie geht\'s aus am 25. Mai in Wembley?
Toppmöller: Bayern München gewinnt knapp - mit 3:2, nach 90 Minuten. blExtra

Klaus Toppmöller bestritt drei Länderspiele und 204 Bundesligaspiele (für den 1. FC Kaiserslautern). Aktiv war der Ex-Stürmer zudem bei Eintracht Trier, beim FSV Salmrohr und bei Dallas Tornado. Seine Trainerstationen in Deutschland: Salmrohr, SSV Ulm, Wismut Aue, Waldhof Mannheim, Eintracht Frankfurt, VfL Bochum, 1. FC Saarbrücken, Bayer Leverkusen, Hamburger SV. Zwischen 2006 und April 2008 war er Nationaltrainer Georgiens. Ende 2007 bekleidete Toppmöller außerdem kurzzeitig das Amt des sportlichen Leiters beim FCK. Aktuell ist "Toppi" vereinslos. bl

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