Das Affen-Experiment: Bloß kein Ergebnis erfahren

Trier · Fußball an sich ist ein schöner Sport, finden Millionen Spieler und Zuschauer. Und Fußball lebt auch von der Spannung, wie das Spiel ausgeht. Deshalb will ich mir die Spannung erhalten, wenn ich die Sportschau nur aufzeichnen und erst hinterher sehen kann.

Was nahezu unmöglich ist, wenn wir mit unserer Mannschaft parallel zur Bundesliga selbst ein Spiel haben. Denn dann überbieten sich meine Mannschaftskollegen damit, Torschützen, Zwischenstände und Endergebnisse aus sämtlichen Stadien zu verkünden. Danach ist mein Sportschau-Vergnügen etwas getrübt. Diesmal sollte alles anders laufen. Zeitgleich mit dem deutschen EM-Spiel gegen die Ukraine fuhr ich für den Volksfreund zum Konzert von Chris Brown nach Luxemburg.

Mein Festplattenreceiver zeichnete das Fußballspiel auf. Doch war es überhaupt möglich, sich dem allgegenwärtigen Ergebnissturm zu entziehen? Ich durfte wie die drei Affen nichts sehen, nichts hören und mit keinem darüber sprechen. Im Publikum in der Rockhal tauchten prompt Besucher im Deutschland-Trikot auf. Die werden doch wohl nichts rausposaunen, hoffte ich. Wenn der Hallensprecher oder gar Chris Brown selbst auf der Bühne das Ergebnis verkünden würde, wäre das Experiment gescheitert.

Nach dem Konzert blieb mein Handy ausgeschaltet: Bloß keine Mails oder WhatsApp-Nachrichten checken! Überall witterte ich Verrat. Autoradio? Tabu! Meiner TV-Kollegin Mandy Radics, die beim Konzert die Fotos schoss, fiel es schwer, die (gute) Nachricht für sich zu behalten und sich nichts anmerken zu lassen.

Die Aufzeichnung des 2:0-Siegs sah ich mir in der Nacht und am Morgen an. Bei Spielunterbrechungen ist der schnelle Vorlauf praktisch. Und für die Spielanalyse Wiederholungen mit Standbildern und Zeitlupen in Eigenregie.

So fiel mir auf, was die ARD bei ihrer Analyse wegließ: Jérôme Boateng hatte die Situation vor seiner Rettungstat auf der Linie mit heraufbeschworen, weil er zuvor Viktor Kowalenko unglücklich anköpfte. Sei's drum: Boateng und die Nationalelf werden zu Recht gefeiert, Deutschland ist Tabellenführer und mein Experiment gelungen.

In der EM-Kolumne Oh, là, là  schreiben TV-Redakteure während der Europameisterschaft täglich über Themen rund um das Turnier in Frankreich.

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