"Der psychische Druck wird immer größer"

Saarbrücken · Ihr Markenzeichen sind die roten Haare. Kati Wilhelm (33) war über Jahre hinweg ein markantes Gesicht des Spitzen-Biathlons. Jetzt sortiert sie ihr Leben neu. Ein Leben, in dem der Sport weiter eine Rolle spielen wird. Am 8. August präsentiert sie sich nochmals beim Sommer-Biathlon in Püttlingen.

(bl) Noch einmal wird Kati Wilhelm in einem Wettkampf zum Biathlon-Gewehr greifen. Nach ihrem angekündigten Rücktritt vom Leistungssport feiert die dreifache Olympiasiegerin beim Sommer-Biathlon in Püttlingen (Saarland) endgültig ihren Abschied. Im Interview mit TV-Redakteur Mirko Blahak spricht die Sportlerin des Jahres 2006 über ihr neues Leben, die Zukunft des Biathlons, ihre Familienplanung und ihre roten Haare.

Für die Biathleten hat die Vorbereitung auf den nächsten Weltcup-Winter begonnen. Fehlt Ihnen schon die Schinderei?

Wilhelm: Noch nicht, aber das wird kommen. Biathlon war bisher ein großer Teil meines Lebens. Es wird ab und zu jucken. Das ist auch gut so, schließlich muss ich viel abtrainieren.

Wie lange müssen Sie abtrainieren?

Wilhelm: Mehrere Jahre. Wegen der Beanspruchung wächst bei Ausdauersportlern im Laufe der Zeit das Herz. Ihm muss man jetzt beibringen, einen Gang runterzuschalten. Dafür muss man nun Stück für Stück weniger machen.

Wie sieht Ihr Alltag nach dem letzten Weltcup-Rennen Ende März in Khanty-Mansiysk aus?

Wilhelm: Ich habe bislang noch keinen Urlaub gehabt. Ich habe PR-Termine. Ich plane meine Zukunft. Das Studium fordert seine Zeit. Langeweile habe ich nicht.

Sie absolvieren ein Management-Studium. In ein- bis eineinhalb Jahren wollen Sie fertig sein. Wie wollen Sie es nutzen?

Wilhelm: Ich habe meinen Schwerpunkt noch nicht gewählt. Vielleicht geht es in Richtung Event-Management. Oder Sportjournalismus.

Fernseh-Expertin: Wäre das ein Job für Sie?

Wilhelm: Ja, das könnte ich mir vorstellen. Das würde mir Spaß machen. Mal sehen, was möglich ist.

Sie haben viel um die Ohren, auch nach dem Karriere-Ende. Die Erfüllung Ihres Traums — eine Wohnmobil-Rundreise durch Kanada — muss also noch warten?

Wilhelm: Ja. Vielleicht bin ich in diesem Jahr noch in Kanada. Aber für eine große Rundreise wird es noch nicht reichen.

Simone Hauswald, Martina Beck und Sie sind zurückgetreten. Drei Aushängeschilder des deutschen Frauen-Biathlons. Haben Sie die Hoffnung, dass die Erwartungshaltung der Medien und Fans auf ein Normalmaß zurückgestutzt wird?

Wilhelm: Ich hoffe nicht, dass die verbleibenden und nachrückenden Biathletinnen Pro bleme bekommen. Andrea Henkel und Magdalena Neuner können für Deutschland die Top-Plätze absichern. Dennoch wäre es für die Sportlerinnen schön, wenn die Erwartungshaltung nicht mehr ganz so arg ist. Jede Athletin hat selbst einen hohen Anspruch. Aber es ist teilweise krass, wie Ergebnisse nicht honoriert werden. Wenn zum Beispiel ein dritter Platz schon eine Katastrophe ist.

Biathlon ist weiterhin die beliebteste Fernseh-Wintersportart der Deutschen. Bleibt das so oder ist Gefahr in Verzug?

Wilhelm: Das ist sicherlich von den deutschen Erfolgen abhängig. Beim Tennis oder Skispringen hat man gesehen: Als die großen deutschen Namen nicht mehr da waren, hat das Interesse nachgelassen. Im deutschen Biathlon-Nachwuchs steckt Potenzial. Ich hoffe, dass durch unsere Rücktritte auch noch mal Leute wachgerüttelt werden. Wir brauchen Nachwuchs. Wir müssen da etwas machen! Wir haben jahrelang das Glück gehabt, dass viele Athleten ihre Karrieren lange fortgesetzt haben. Das muss nicht so bleiben. Der psychische Druck wird immer größer, auch infolge des Medienrummels. Ob da künftig jeder Sportler weitermacht, bis er älter als 30 Jahre ist, weiß ich nicht. Da braucht man schon ein dickes Fell.

Sie wollen nach dem Karriere-Ende Ihren Freund heiraten und eine Familie gründen. Wie sieht's mit der Planung aus?

Wilhelm: Es wird geplant. Ich habe noch ein bisschen Zeit. Ich muss nichts überstürzen. Ich muss erst mal mein Leben organisieren.

Wegen Ihrer Haarfarbe sind Sie das Biathlon-Rotkäppchen. In Ihrer aktuellen Frisur haben sich ein paar blonde Strähnchen eingeschlichen. Werden Sie Ihren roten Haaren untreu?

Wilhelm: Eigentlich habe ich ja blonde Haare. Jetzt sind sie rot, mit ein paar anderen Farbtupfern. Und sie werden rot bleiben.

Hintergrund
Modus City-Biathlon: Die Wettkämpfe (als Massenstart) werden auf Skirollern auf einem 1,6 Kilometer langen Rundkurs durch die Püttlinger Innenstadt absolviert. Geschossen wird an einem 50-Meter-Kleinkaliber-Schießstand auf dem Burgplatz. Teilnehmer: Für das sogenannte All-Star-Rennen haben bislang Kati Wilhelm, Simone Hauswald, Sandrine Bailly und Sylvie Becaert zugesagt. Für das Eliterennen der Frauen stehen mit Andrea Henkel und Kaisa Mäkäräinen bis dato zwei Starterinnen fest. Teilnehmer bei den Männern sind bislang Arnd Peiffer, Simon Schempp, Christoph Sumann, Martin Fourcade und Tim Burke. Karten: Der Vorverkauf läuft. Alle Infos gibt es im Internet unter www.city-biathlon.com (bl)

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