Der sanfte Weg kann auch wehtun

Daun · Judo wird in mehr als 150 Ländern ausgeübt und gilt als die am weitesten verbreitete Kampfsportart. Der größte Verein im Rheinland ist der Judoclub Vulkaneifel (JCV), der auch das größte Turnier des Landesverbands organisiert. In Daun konnte man unlängst sehen, was Judo bedeutet.

Daun. Lars Nett steht auf der Tribüne der Sporthalle am Dauner Wehrbüsch und isst ein Stück Schokoladenkuchen. Der 19-Jährige aus Kolverath bei Kelberg (Vulkaneifelkreis) kann es sich leisten. Er kommt gerade vom Wiegen und ist klar in der Gewichtsklasse bis 73 Kilogramm eingeordnet worden. In knapp zwei Stunden hat er seinen ersten Kampf. Ein bisschen Energie aufladen kann jetzt nicht schaden.
Die Nervosität kommt noch. "Man ist vor jedem Kampf aufgeregt. Man will ja immer alles rausholen", sagt Nett, der wie viele Judoka schon als Grundschüler mit dem Sport begonnen hat.TV-Serie Kampfkunst


Jörg Pelzer lässt die Faszination Judo trotz Abstechern zum Marathonlauf schon seit Jahrzehnten nicht los. "Vor drei Jahren habe ich bei meinen Eltern auf dem Dachboden meinen alten Judoanzug gefunden. Da wusste ich, was mir gefehlt hat", sagt der 38-Jährige. Als Jugendlicher hatte er sich bis zum braunen Gürtel hochgearbeitet. Doch durch Beruf und Familiengründung geriet der Kampfsport für zwölf Jahre in Vergessenheit. "Das Kämpfen auf der Matte, das Beherrschen der Judotechniken und die Lebenseinstellung dazu, sich nicht aufzugeben, fasziniert mich", sagt Pelzer. Judo habe auch einen erzieherischen Aspekt, sagt der Familienvater aus Gerolstein: "Man lernt den Gegenüber wertschätzen. Wenn er eine gute Aktion macht, dann honoriere ich das auch als Gegner."
Das Erste, was er als Trainer den Anfängern beibringe, sei Regeln einzuhalten, sagt Pelzer: "Wir haben das Zeremoniell des Grüßens. Das ist eine Vorbereitung auf das Training: In der Konzentrationsphase soll man auch den Mund halten."
Frühestens etwa mit sechs Jahren fangen Kinder beim JCV mit Judo an, erklärt Uwe Womelsdorf (siehe Extra). Nach oben sieht der zweite JCV-Vorsitzende grundsätzlich keine Begrenzung. Er sagt aber auch: "Judo ist eine körperbetonte Sportart. Es kann auch schon mal wehtun." Gleichzeitig könne auf dem "sanften Weg" (so die freie Übersetzung des japanischen Worts Judo) das Selbstbewusstsein entwickelt werden, glaubt Bruno Willems. "Im Laufe der 40 Jahre, die ich Judo mache, haben mir viele Eltern bestätigt, wie positiv sich Körper und Geist entwickeln", sagt der Vereinsvorsitzende. "Es ist nicht so, dass man raus geht und alle plattmacht", erläutert Nett.
"Aber wenn jemand fies zu mir ist, kann ich sagen: So redest du nicht mit mir", ergänzt Kim Mohr. Ihren Spaß am Judo vermittelt die 19-Jährige aus Strohn beim JCV mittlerweile selbst beim Anfängertraining. "Zu Beginn machen wir meist ein Aufwärmspiel", erklärt sie den Ablauf. Nachdem die Muskeln gedehnt wurden, werden verschiedene Judotechniken geprobt oder für einen Wettkampf geübt. Die Teilnahme an Turnieren ist aber keine Pflicht.
Judo muss man nicht als Wettkampfsport betreiben. Auch das Gürtelsystem motiviert, seine Fähigkeiten zu verbessern. Pelzer hat sich nach seinem Wiedereinstieg auf die Dan-Prüfung konzentriert. "Ein Jahr habe ich mich mit meinem Trainingspartner vorbereitet. Zum Schluss mit bis zu vier Trainingseinheiten pro Woche. Die Kata, die Abfolge der Würfe, muss man in einem speziellen Zeremoniell vorführen. Das muss man einstudieren wie einen Tanz", erklärt der Schwarzgurt-Träger.
"Ich habe mich auf den Wettkampf konzentriert", erklärt dagegen Jens Nett. Gürtelprüfungen interessieren den 19-Jährigen weniger. Zweimal wöchentlich hat er fürs Vulkaneifel-Turnier trainiert. Eigentlich zu wenig, weiß der 19-Jährige. Doch seinen ersten Kampf gewinnt Nett mit einer schönen Wurftechnik vorzeitig. Und da ist es im Judo wie in jedem Sport. "Ein Anreiz ist immer, zu gewinnen", sagt Nett.Extra

Der Judoclub Vulkaneifel wurde 1974 als Judoclub Steineberg gegründet. Mittlerweile werden Übungsstunden an sieben Orten (Daun, Mehren, Gerolstein, Gillenfeld, Hillesheim, Kelberg, Uersfeld) angeboten. Der JCV beschäftigt einen hauptamtlichen Trainer und hat 24 Danträger in seinen Reihen. Der Großteil der etwa 350 Mitglieder sind Kinder und Jugendliche. Damit ist der JCV der größte judobetreibende Verein im Verband Rheinland. Eine Übersicht über alle Vereine bietet die Homepage des Verbands: www. judo-rheinland.de Das Vulkaneifel-Turnier, an dem am vergangenen Wochenende 319 Sportler aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Griechenland und Luxemburg teilnahmen, ist das größte Turnier im Verband. Es zählt national zur zweithöchsten Kategorie. teuExtra

Judo wurde um 1900 vom Japaner Jigoro Kano aus Jiu-Jitsu entwickelt. Kan übernahm nur die Techniken, die seinem Prinzip "möglichst wirksamer Gebrauch von geistiger und körperlicher Energie" entsprachen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich Judo immer mehr zum Wettkampf. Schläge und Tritte und andere Techniken, die den Gegner ernsthaft verletzen könnten, wurden herausselektiert. Es wird hauptsächlich mit Würfen, Fall- und Bodentechniken gekämpft. Der Name Judo bedeutet dabei so viel wie sanfter oder flexibler Weg. Das Prinzip lautet: Siegen durch Nachgeben. Das heißt, mit möglichst geringem Aufwand die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Mit Ausnahme von 1968 in Mexiko ist Judo seit 1964 bei den Männern olympisch. Olympiasiegerinnen im Judo gibt es seit 1992. teu

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