"Die Familie steht an erster Stelle"

Trier/Freigericht · Mit dem Sieg beim Trierer Silvesterlauf 1998 begann Irina Mikitenkos Triumphzug erst über die Kunststoffbahnen, später über die Straßen in aller Welt. Am 31. Dezember kehrt die 41 Jahre alte deutsche Marathonrekordlerin und mit 2:19:19 Stunden weltweit siebtbeste 42-Kilometer-Läuferin aller Zeiten an die Mosel zurück.

 Irina Mikitenko schaffte es 2005 bereits vier Monate nach der Geburt von Vanessa aufs Treppchen beim Silvesterlauf. TV-Foto: Holger Teusch

Irina Mikitenko schaffte es 2005 bereits vier Monate nach der Geburt von Vanessa aufs Treppchen beim Silvesterlauf. TV-Foto: Holger Teusch

Trier/Freigericht. Im Interview mit TV-Mitarbeiter Holger Teusch spricht Mikitenko über ihre Karriere und ihr Verhältnis zum "deutschen São Paulo".
Zuletzt waren Sie vor vier Jahren beim Silvesterlauf-Jubiläum in Trier mit dabei. Was zieht Sie zurück an die Mosel?
Irina Mikitenko: Ich denke, meine Karriere dauert nicht mehr so lange, und ich habe so schöne Erinnerungen an Trier. Ich habe mir gedacht: Wenn das mein letzter Silvesterlauf sein sollte - ich bin mir da nicht sicher - dann muss ich noch einmal nach Trier. Es ist eine sehr schöne Stadt und der Silvesterlauf ein sehr schöner Lauf. Die Stimmung ist immer gut. Man fühlt sich einfach wohl.
Sechsmal sind Sie bisher gestartet, fünfmal standen sie auf dem Siegerpodest. Einmal, 1998, ganz oben. Welcher Silvesterlauf war bisher Ihr bester?
Mikitenko: Der im Jahr 2000. Das war ein sehr starker Lauf. Ich bin mit 15:16 Minuten nur Zweite geworden. Lornah Kiplagat hat mit 15:15 Minuten gewonnen. Das ist immer noch Streckenrekord. (Anmerkung: Mikitenkos 15:16 Minuten sind deutscher Rekord)
Und der Silvesterlauf 2005?
Mikitenko: (lacht) Wir haben zu Hause im Arbeitszimmer Fotos von damals hängen, auf denen ich im Ziel meine Tochter auf dem Arm habe. Als sie mich gefragt hat, wie oft sie schon in Trier war, habe ich ihr die Fotos gezeigt. Damals war Vanessa erst vier Monate alt. Ich habe mich gefreut, dass ich aufs Treppchen kam, weil ich erst kurze Zeit wieder trainiert hatte.
Sind Sie schon einmal gegen Vorjahressiegerin Corinna Harrer oder die Olympia-Achte Gesa Krause gelaufen, auf die Sie am 31. Dezember treffen werden?
Mikitenko: Nein. Ich bin schon seit längerem nicht mehr eine so kurze Strecke gelaufen und die Mädels kommen ja von da. Das wird interessant. Ich kann mich an das Jahr 2000 erinnern. Da stand Katrin Heinig (die Marathon-Olympia-Dritte von 1988) an der Startlinie. Ich habe gedacht: Eine Marathonläuferin, das ist doch zu kurz für die. Jetzt bin ich diejenige, die vom Marathon kommt.
Apropos Marathon: Weshalb sind sie erst mit 35 umgestiegen?
Mikitenko: Mein Kopf war vorher noch nicht dafür bereit. Ich hatte oft gehört, dass es klappen könnte wegen meiner Lauftechnik und meines geringen Gewichts. Aber ich hatte so viel Spaß auf der Bahn. Nicht nur der Körper, der Kopf spielt die gleiche Rolle.
Zweimal haben Sie die World Marathon Majors und damit jeweils eine halbe Million Dollar Preisgeld gewonnen. Welche Bedeutung hat das für Sie?
Mikitenko: Das erste Mal habe ich das gar nicht richtig registriert. Wir hatten nicht gedacht, dass ich mit nur drei Läufen diese Wertung gewinnen kann. Ich wollte eigentlich nur Marathons laufen. Aber die Majors waren natürlich ein schöner Bonus. Man investiert ja so viel und kann nur zweimal im Jahr laufen. Und wenn eine Verletzung dazwischenkommt, sind vier oder fünf Monate Vorbereitung nichts wert.
Eine internationale Medaille von Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen fehlt Ihnen noch. 2009 galten Sie als Mitfavoritin auf den Marathon-Welttitel. Dann starb Ihr Vater und Sie verzichteten auf einen Start in Berlin. Schmerzt es, dass Sie diese große Chance nicht wahrnehmen konnten?
Mikitenko: Klar. Aber meine Familie steht immer an erster Stelle. Insgesamt bin ich glücklich über meine Karriere.
Und die Europameisterschaft im nächsten Jahr in Zürich? Wie sehen sie da ihre Chancen?
Mikitenko: Alles, was jetzt noch kommt, ist ein Bonus. Wenn ich gesund und körperlich fit bin und weiß, dass ich vorne mitspielen kann, dann mache ich das.
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Irina Mikitenko wurde als Irina Volynski am 23. August 1972 in Bakanas, 100 Kilometer nördlich der damaligen kasachischen Hauptstadt Alma-Ata ( heute: Almaty), geboren. Ihre Urgroßeltern waren vor dem Ersten Weltkrieg aus dem Nordwesten Deutschlands nach Kasachstan ausgewandert, so dass Irina 1996 mit ihrem Mann Alexander als Spätaussiedlerin nach Deutschland kommen konnte. Das Paar hat einen Sohn (Alexander, 19) und eine Tochter (Vanessa, 8) und lebt in Freigericht (Hessen). teu

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