Die Franzosen des DFB

Sint-Michielsgestel · Am Wochenende beginnt die Fußball-EM der Frauen. Deutschland startet gegen einen Top-Gegner, und eine Triererin ist mit dabei.


Sint-Michielsgestel (dpa) Dzsenifer Marozsan könnte das Gesicht der Fußball-Europameisterschaft in den Niederlanden werden. Die Rolle des kommenden EM-Stars scheint kurz vor dem Turnierstart an diesem Sonntag in Utrecht mit dem Eröffnungsspiel der Gastgeberinnen gegen Norwegen für die deutsche Spielführerin reserviert. Noch ehe der Ball rollt, wird die 25 Jahre alte Edeltechnikerin vom Champions-League-Sieger Olympique Lyon - für den sie gemeinsam mit ihrer in Trier aufgewachsenen Nationalmannschaftskollegin Josephine Henning aktiv ist und beim DFB die französische Achse bildet - von allen Seiten mit Lob überschüttet.
Für Bundestrainerin Steffi Jones, die sie zwei Monate nach dem Olympiasieg in Rio gegen Schweden im vergangenen Oktober zur Kapitänin des Rekord-Europameisters beförderte, ist Marozsan "das Herz der Mannschaft": "Sie ist Dreh- und Angelpunkt unseres Spiels und im vergangenen Jahr sportlich und menschlich wahnsinnig gereift", betonte Jones: "Sie ist eine großartige Spielführerin, die unser Spiel lenkt und den Jungen hilft. Auf dem Platz hat sie alle Freiheiten." Ähnlich überschwänglich äußerte sich auch Deutschlands Co-Trainer Markus Högner über die in ihrer ersten Saison zur besten Spielerin der französischen Liga gekürte Marozsan. Die deutsche Nummer 10 Maroszan und die Triererin Josephine Henning gewannen mit Olympique nicht nur die Champions League, sondern holten auch das französische Double aus Meisterschaft und Pokal. Bei der Pressekonferenz am Freitag im Team Base Camp "De Ruwenberg Hotel" in Sint-Michielsgestel saß Marozsan neben Högner auf dem Podium. "Ich kenne sie ja schon länger aus ihrer Zeit in Frankfurt. Sie ist eine außergewöhnliche Spielerin, Weltklasse", schwärmte der Ex-Chefcoach des Bundesligisten SGS Essen. Noch dazu sei sie ein "bescheidener Mensch und absoluter Teamplayer. Ich genieße es jeden Tag, mit ihr zu arbeiten."
Die in Budapest geborene Marozsan galt schon vor Jahren als Megatalent des deutschen Frauenfußballs. Allein ihr zuweilen aufblitzendes Phlegma und mangelnde Schnelligkeit verhinderten zunächst einen noch schnelleren Aufstieg der U20-Weltmeisterin von 2010. Doch der Wechsel im vorigen Sommer vom 1. FFC Frankfurt beschleunigte den Reifeprozess der Fußball-Künstlerin, die zudem über einen präzisen und harten Schuss verfügt.
Als Jones anrief, um ihr die DFB-Kapitänsbinde anzubieten, habe sie mit ihrem Ja nicht gezögert, berichtete Marozsan am Freitag. Sie habe aber kurz geglaubt, Jones habe sich in der Nummer vertan. "Ich habe dann noch mal nachgefragt, ob sie sich nicht vielleicht geirrt hat."
Hatte sie nicht! Die Anführerrolle und damit übertragene größere Verantwortung beflügelten Marozsan. "Mit dem Wechsel ins Ausland habe ich den nächsten Schritt gemacht, und jetzt darf ich in der DFB-Elf die Spielführerbinde tragen. Diese beiden Faktoren in Kombination haben mich nochmal weitergebracht", meint Marozsan, deren Vater einst ungarischer Nationalspieler war.
Auch die Teamkolleginnen schwärmen von Marozsans Qualitäten, auf und neben dem Platz. Linda Dallmann, noch relativ frisch im Team, hatte so großen Respekt vor ihrer Team-Leaderin, dass sie sich anfangs nicht traute, sie anzusprechen. Doch schnell gewann die 22-Jährige aus Essen die Erkenntnis, dass Marozsan kein abgehobener Star ist. "Ich bin wohl der größte Maro-Fan. Sie füllt ihre Rolle als Spielführerin perfekt aus", sagte Dallmann.
Marozsan sieht das Team für das Auftaktmatch am Montag (20.45 Uhr/ARD und Eurosport) gegen Schweden bestens gerüstet. Sie findet es gut, dass es gleich gegen den vermeintlich schwersten Gruppen-Gegner und EM-Mitfavoriten geht. "Da müssen wir sofort hellwach und voll konzentriert sein. Es wird ein großer Kampf", prophezeite sie. Dass ihr zuletzt gegen Schweden häufig wichtige Tore gelangen, spornt Marozsan zusätzlich an. "Es stimmt, gegen sie treffe ich ganz gut. So kann es gerne weitergehen."
Extra: WO GIBT’S WAS ZU SEHEN?


Alle Fußballspiele der Frauen-Europameisterschaft sind ohne Zusatzkosten zu sehen. Allerdings zeigen die öffentlich-rechtlichen Sender die 31 Partien nicht komplett in ihren Hauptprogrammen, sondern nutzen auch andere Kanäle. So wird das Eröffnungsspiel Niederlande gegen Norwegen am Sonntag im ZDF übertragen. Die anschließende Partie Dänemark gegen Belgien läuft — wie fünf weitere Spiele — als Stream über die Internetseite des Zweiten. Die erste Begegnung der deutschen Mannschaft am Montag gegen Schweden zeigt die ARD. Das Erste nutzt bei neun Partien der EM in den Niederlanden den Digitalkanal One sowie fünfmal die Internetseite sportschau.de für ihre Live-Übertragungen. Alle 31 Partien zeigt zudem Eurosport über seine Free- und Pay-Plattformen. ARD-Kommentatoren bei der EM sind Stefanie Baczyk, Bernd Schmelzer und Jan Neumann. Live-Reporter des ZDF sind Norbert Galeske, Claudia Neumann und Martin Schneider. Als Moderatoren arbeiten Claus Lufen (ARD) und Sven Voss (ZDF).

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort