Die Rückkehr des wahren Kapitäns

Recife · Ein Comeback nach Maß: Bastian Schweinsteiger hat beim Sieg der Deutschen über Klinsmanns USA deutlich aufgezeigt, warum noch immer mit ihm zu rechnen ist - trotz aller Unkenrufe. Dabei hat er Eigenschaften an den Tag gelegt, die manch anderem DFB-Akteur bisweilen fehlen: Biss und Führungsqualitäten.

Recife. Bastian Schweinsteiger hatte Taten sprechen lassen. Danach trat er einem Schweigeorden bei. Bei seiner Rückkehr in die Anfangsformation der deutschen Nationalmannschaft bot der Mittelfeldspieler von Bayern München ein großes Spiel, er war eindeutig der Chef auf dem Rasen, als die DFB-Auswahl in der letzten Gruppenpartie durch einen 1:0-Sieg gegen die USA ins Achtelfinale einzog. Erklären wollte er sich dazu nicht, mit demonstrativ abwehrendem Blick durchquerte er eilig die Begegnungszone im Stadion von Recife.
Andere sprachen für den 29-Jährigen. Und es waren nicht nur die Kollegen aus dem Münchner Heimatverbund. Auch Mats Hummels, der Dortmunder, lieferte einen mit allen Wassern der Diplomatie gewaschenen Beitrag. "Wir hatten, was wir gegen Ghana nicht hatten: die Kontrolle über das Spiel", sagte er.
Jeder hörte, dass damit vornehmlich Schweinsteigers Verdienste an dieser Vorstellung unterstrichen wurden. Damit ihm aber niemand Einmischung ins Trainerfach anlasten kann, sagte Hummels auch: "Wenn ich den einen lobe, dann kann das dem anderen negativ ausgelegt werden. Das will ich nicht."
Müller wird deutlich


So spricht einer, der es sich weder mit Schweinsteiger noch mit Sami Khedira, den der im Vergleich zur Ghana-Partie ersetzte, noch mit Löw verderben will. Thomas Müller wurde ein Stückchen deutlicher. "Wir haben einige Veränderungen vorgenommen, im Spielaufbau haben wir es viel besser gemacht", erklärte er, und er hatte keine Hemmungen, entschieden persönlicher zu werden als Chefdiplomat Hummels.
"Bastian Schweinsteiger hat sehr gut gespielt", betonte der Torschütze der DFB-Auswahl, "er hat seine Qualitäten auf dem Platz gezeigt."
Die Diskussionen um Schweinsteiger, die immer mal wieder über Fitness und den Verschleiß durch ein langes Profileben aufkommen, "habe ich sowieso nie verstanden". Müller weiß aus täglicher Anschauung im Clubtraining und aus vielen gemeinsamen Spielen, wie stark der gesunde Schweinsteiger immer noch ist - allen Unkenrufen zum Trotz.
Der Mittelfeldspieler, den viele für den wahren Kapitän dieser Mannschaft halten, bringt Fähigkeiten auf den Platz, die den im neuzeitlichen Harmonie-Kursus erzogenen Kollegen abgehen. Schweinsteiger sucht geradezu die Führungsrolle, den Ballkontakt und auch die Zweikämpfe. Er stellt sich als Figur in den Mittelpunkt, läuft weite Wege und geht auch da noch hinterher, wo die vergleichsweise zarten Jungs eher darauf achten, dass die Frisur gut sitzt und der möglicherweise schmerzhafte Tritt des Gegners lieber mal ins Leere geht. Das erinnert manchmal an Stefan Effenberg, aber ohne dessen bisweilen anmaßende Raufbold-Attitüde, dafür mit einem noch ausgeprägteren strategischen Geschick.
All das funktioniert nur, wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte ist. Dafür braucht er nach einem Jahrzehnt in den Höhen des Profifußballs immer wieder Pausen, weil der Körper danach verlangt und die Auszeiten manchmal durch Verletzungen erzwingt. Gegen die USA zeigte Schweinsteiger, was er wert ist, wenn die Physis stimmt. Das hatte Bundestrainer Joachim Löw natürlich ebenfalls gesehen. Er fand sich allerdings nur zu einem sehr vorsichtigen Lob bereit, das er mit der berühmten badischen "Scho-au-Formel" hörbar einschränkte.
Es klingelt in den Ohren


"Der Basti Schweinsteiger hat scho(n) au(ch) ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht, so lange die Kräfte da waren", stellte Löw fest. Und er bezog sicher nicht ganz zufällig Schweinsteigers Mittelfeldkollegen in seine allgemeine Würdigung mit ein. "Wir waren im Mittelfeld mit Philipp Lahm, Toni Kroos und Schweinsteiger sehr, sehr stark, wir waren die klar dominierende Mannschaft", erklärte der oberste Übungsleiter der Nation. Und dann sagte er noch einen Satz, der auch Schweinsteiger in den Ohren klingen wird: "Es war mal notwendig, dem Sami Khedira eine Pause zu geben. Heute war der richtige Zeitpunkt dafür."
Wer will, der kann das als Ankündigung verstehen, dass Khedira zum Achtelfinale gegen Algerien wieder ins Team zurückkehrt. Er kann ähnlich präsent auf dem Rasen sein wie Schweinsteiger, ist ein großer Zweikämpfer, aber strategisch nicht so begabt. Für beide scheint zusammen kein Platz in der Mannschaft zu sein. Löw muss sich also entscheiden, vielleicht hat er sich schon entschieden. Sollte er auf Schweinsteiger verzichten, würde das weder zu dessen Auftritt gegen die USA passen noch zur Laudatio, die er ihm vor dem Turnier hielt. "Er ist extrem wichtig für die Mannschaft und für mich als Trainer", erklärte Löw vor drei Wochen. "Ich spreche oft mit ihm über taktische Dinge. Er hat Einfluss auf die Mannschaft, auf ihn werden wir nie verzichten können." In welcher Funktion er ihn für unentbehrlich hält, hat Löw lieber nicht gesagt.

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