Die schnellen Männer von Seite zwei

Saint Flour · Nach einem Massensturz bei der neunten Etappe der Tour de France von Issoire nach Saint Flour ist das Gesamtklassement am Sonntag durcheinandergewirbelt worden. Der Elsässer Thomas Voeck ler (Europcar) übernahm das Gelbe Trikot des Führenden vom Norweger Thor Hushovd.

Saint Flour. Wenn Frankreichs führende Sportzeitschrift L\'Equipe im Juli auf ihrer ersten Seite nicht in großen Lettern vom Nationalheiligtum Tour de France berichtet, dann sind entweder Olympische Spiele oder die Fußball-Weltmeisterschaft der Männer. Oder - und das ist noch ungewöhnlicher: Es ist etwas passiert, was sogar die "Grande boucle", die Große Schleife, an diesem Tag aus den Schlagzeilen verdrängt hat.
So wie am Sonntag: Der Frauenfußball, ansonsten in Frankreich bestenfalls ein Stiefkind der medialen Sportwelt, kickte die gesamte Konkurrenz von der ersten Seite des Millionenblatts: "Elles sont magiques" - "Sie sind magisch". Oder zauberhaft, einfach unglaublich.
Sonntagsetappe mit Stürzen


Jedenfalls widmete das Blatt Frankreichs Fußballerinnen nach deren Einzug ins Halbfinale der WM ein ganzseitiges Jubelbild. Dazu gab es einen dicken fetten Balken als Überschrift, die auch den Herren Zidane oder Ribéry zur Ehre gereicht hätte. Die Tour de France fand sich auf Seite zwei wieder.
Allerdings war der Verlauf der Samstagsetappe durch das karge Ödland des menschenleeren Zentralmassivs auch nicht gerade dazu geeignet, ein Rauschen im französischen Blätterwald zu erzeugen: Ein Portugiese gewinnt alleine in Super-Besse, ein Norweger fährt immer noch in Gelb.
Und die Lokalhelden üben sich in vornehmer Zurückhaltung auf ihren Rädern. Da darf sich die Equipe als galant erweisen und "les bleues feminines" den Vortritt auf dem nationalen Olymp der Sportberichterstattung lassen.
Dafür ging es am Sonntag auf dem 208 Kilometer langen Teilstück hinauf in das malerische Festungsstädtchen Saint Flour in der Auvergne umso heftiger zur Sache. Der Kasache Alexander Winokurow (Astana) und der Belgier Jürgen Van den Broeck (Omega-Pharma Lotto) mussten wegen folgenschwerer Stürze aufgeben (siehe Hintergrund). Vorjahressieger Alberto Contador (Spanien) kollidierte mit einem Zuschauer am Straßenrand, und ein Begleitfahrzeug fuhr einen Fahrer beim Überholen aus dem Sattel.
In Saint Flour triumphierte schließlich in einer dreiköpfigen Ausreißergruppe der Spanier Luis-Leon Sanchez (Rabobank) vor Voeckler und dessen Landsmann Sandy Casar.
Bester Deutscher ist nach der ersten Tour-de-France-Woche Tony Martin (HTC Highroad) als Sechster mit einem Rückstand von 2:38 Minuten auf den führenden Voeckler.
Im erwarteten Dreikampf zwischen Contador, der in der ersten August-Woche seiner gerichtlichen Anhörung wegen Doping-Vorwürfen vor dem CAS entgegensieht, und dem luxemburgischen Brüderpaar Fränk und Andy Schleck herrscht nach Plänkeleien und Scharmützeln zum Beginn der Rundfahrt die Ruhe vor dem großen Sturm. Nach dem heutigen Ruhetag werden sich die Favoriten am Dienstag und Mittwoch einrollen.
Ab Donnerstag, dem französischen Nationalfeiertag, werden bis zum Samstag auf drei superschweren Teilstücken die Pyrenäen ihre Scharfrichter-Rolle wahrnehmen.
Die unheimliche Sturzserie der Tour de France hält an und hat zwei weitere Spitzenfahrer zur Aufgabe gezwungen. Routinier Alexander Winokurow und Podiumskandidat Jürgen Van Den Broeck verletzten sich am Sonntag bei einem Sturz schwer und mussten ihren Tour-Traum damit begraben. Für Winokoruw, der seine letzte Tour bestritt, dürfte die Karriere vorzeitig zu Ende sein. Glück im Unglück hatten zwei Fahrer, als sie von einem Begleitfahrzeug bei voller Fahrt gerammt wurden, aber weiterfahren konnten. Winokurows Abschiedsrunde durch Frankreich und Van den Broecks Tour-Hoffnungen endeten an der Kilometermarke 102 auf der Abfahrt vom Col du Pas-de-Peyrol: Bei dem Massensturz wurde Winokurow in die Böschung geschleudert, Van Den Broeck blieb auf der Straße liegen. Offenbar waren Fahrer auf nasser Straße weggerutscht. Winokurow wurde mit einem gebrochenen linken Oberschenkelknochen in ein Krankenhaus gebracht. Van den Broeck, der mit schmerzverzerrtem Gesicht und leicht benommen auf dem Asphalt saß, erlitt Kopfverletzungen und einen Schulterblattbruch. Der Unfall bedeutete auch für US-Profi David Zabriskie vom Team Garmin Cervelo und den Belgier Frederik Willems von Van Den Broecks Omega-Rennstall das Tour-Aus. Auch Andreas Klöden ist nach dem Sturz ins Krankenhaus gebracht worden und bangt um seine weitere Teilnahme. Den Sachsen plagen Rückenprobleme. Er war bereits im Ziel der Etappe vom Teamarzt länger untersucht worden. dpa

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