Ein Auftrag über die zwölfte Runde hinaus

Trier · Die Welt der Kampfkunst ist groß, vielfältig und weit weg von Schlägereien in zweitklassigen Actionfilmen. Tausende trainieren in der Region mit unterschiedlichen Motiven: Fitness, Selbstverteidigung, Herausforderung. In der Serie "Kampfkunst" stellt der TV ausgewählte Schulen, Vereine und Disziplinen vor. Heute dreht sich alles ums Boxen.

 Immer drauf auf die Sandsäcke: Die Ukrainerin Katharina Wenner boxt beim PSV Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Immer drauf auf die Sandsäcke: Die Ukrainerin Katharina Wenner boxt beim PSV Trier. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Gibt es im Hause Stockreiser mal Ärger, geht es meistens ums Boxen. Weil der Polizeisportverein (PSV) Trier nicht im Geld schwimmt, hilft Trainer Peter Stockreiser oft aus, wenn seine Schützlinge einen neuen Sandsack oder neue Handschuhe brauchen. Dafür muss er auch daheim Kämpfe ausfechten, wie er erzählt. "Meine Frau sagt dann: Kaufe mir doch auch mal was Schönes für 100 Euro - und nicht nur immer deinen Boxern." Stockreiser lacht über die Geschichte. Wahrscheinlich, weil er seine Boxleidenschaft so am besten verdeutlichen kann.TV-Serie Kampfkunst


Der 54-Jährige steht in der Turnhalle der Kurfürst-Balduin-Schule in Trier-West und widmet sich wieder seinen Sportlern, die zu ihm ins Training kommen. "Linker Aufwärtshaken, rechter Aufwärtshaken, in den Körper", ruft er ihnen zu. Sie trommeln auf kiloschwere Sandsäcke ein, die Stockreiser Stunden zuvor an der Decke befestigt hat. Bei ihm können Menschen ihren Körper formen, Selbstvertrauen lernen, sich auspowern oder einfach mal einen miesen Tag vergessen.
Galt Wimbledon im Tennis als Wohnzimmer von Boris Becker, so ist die Turnhalle das Reich von Peter Stockreiser. Er ist Abteilungsleiter beim PSV, Trainer, fährt mit seinen Talenten zu Wettkämpfen und nimmt sie in den Arm, wenn es ihnen schlecht geht. Der 54-Jährige ist einerseits sportlicher Ratgeber. 168 Kämpfe hat er auf dem Buckel, er wurde Deutscher Meister, kämpfte in der Bundesliga für Bayer Leverkusen. "Boxen hilft dem ganzen Körper. Es verleiht Kraft, Ausdauer, Koordination, ein gutes Auge, einen schnellen Kopf." Erfolg bemisst er aber nicht an Muskelmasse und K.O.-Schlägen. Sondern: "Wer boxt, lernt sich und seinen Körper zu lieben. Dann kann man auch andere Menschen lieben."
So half der ehemalige Schwergewichtler schon vielen Kindern, wenn sie in der Schule als Problemfälle abgestempelt wurden. "Hyperaktive lernen hier ganz schnell, auf die Gruppe zu hören. Schüchterne gehen aus sich raus", sagt Stockreiser. Jugendliche, die aggressiv sind, die schon vor Gericht standen, deren Eltern sich nicht um sie kümmern, hilft er ins Leben. "Nach einiger Zeit stehen hier ganz neue Menschen, die Selbstbewusstsein haben und sich an Regeln halten."
Bei ihm trainieren alle Altersklassen. Geschlechter. Nationalitäten, Schicksale. Auf wenigen Metern. "Zusammen sind wir wie eine große Familie, in der sich niemand abgrenzt."
Das ist eine Lebensaufgabe, die über die zwölfte Runde hinausgeht. Fachlich bringt Stockreiser sich seit 1988 beim PSV ein. Gebunden an ein Versprechen. Als sein alter Trainer an Krebs erkrankte und fragte, wie es nach seinem Tod bei der Boxabteilung weitergehe, lautete die Antwort von Stockreiser: "Ich kümmere mich darum."
Auch, weil Boxen immer seine Leidenschaft war. Als Kind radelte er 25 Kilometer zum Training, obwohl der Umgangston rauer war. "Damals wurden die Neuen erst einmal vermöbelt, bis die Lichter ausgingen. Es ging darum, wer durchhält." Viele Jahre lernte er die Boxwelt kennen. Er kämpfte in einem Verein mit René Weller, dem schönen René, der im linken Arm immer eine Frau gehabt habe und im rechten Arm noch eine.
Gerne erzählt er auch von seinen Schülern, die ihm am Herzen liegen. Wie ukrainische Schwestern, die er seit Dezember trainiert. "Nicht die Klitschkos", scherzt er.
Anastasia und Katharina Wanner sind Studentinnen und gehen ins Training, weil sie einen Ausgleich zum Lernen suchen. Zierlich, mit schlanken Armen, prügeln auch sie auf die Sandsäcke ein. Stockreiser ist stolz auf diese Vielfalt beim Training. "Die beiden haben sich zu Weihnachten diesmal keine Kleider von ihren Eltern gewünscht, sondern Boxhandschuhe." Der Trainer lacht. Er mag es, wenn Menschen schnell vom Boxen infiziert sind. So wie er.Extra

Wie alt die Geschichte des Boxens wirklich ist, darüber rätseln die Forscher. Ganz sicher ist überliefert, dass es bereits vor über 5000 Jahren Faustkämpfe in Ägypten gegeben hat. Im antiken Rom waren diese noch eine Sache auf Leben und Tod. Um zu gewinnen, kämpften manche Gladiatoren mit Handschuhen, in denen Dornen steckten. Zu einem Sport mit festen Regeln entwickelte sich Boxen dann vom 17. bis 20. Jahrhundert besonders in England. florExtra

 Peter Stockreiser.TV-Foto: Florian Schlecht

Peter Stockreiser.TV-Foto: Florian Schlecht

Beim Landesverband Rheinland sind auch regionale Vereine gemeldet. In Trier ist das der Polizei SV mit Peter Stockreiser unter Telefon 0651/740382 oder per E-Mail an peter-stockreiser@web.de Die Telefonnummer für Interessierte, die beim FC Bitburg boxen möchten: 06561/4530. Beim Box-Club Vulkaneifel steht Hadi Heidari bei Fragen Rede und Antwort - per Mail an boxclub-vulkaneifel@gmx.de Im Hunsrück gibt es den Boxclub Simmern unter Telefon 06761/915688 oder per Mail an John191180@web.de Der TV Hermeskeil ist per Mail an 2-vorsitzender@tv-hermeskeil.de erreichbar. flor

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