Ein Stück Weg mit Flo Neuschwander

Trier/Neunkirchen · 100 Kilometer mit Florian Neuschwander … nicht ganz. Aber zumindest auf einem Teilstück konnte den schnellsten Ultraläufer der Region jeder begleiten, der Lust und Atem dazu hatte. Eine Reportage.

 Gute Laune ist Trumpf: Florian Neuschwander am Einstieg in den Saar-Hunsrück-Steig mit Arbeits- und Laufkollegin Miriam Engel. TV-Foto: Rainer Neubert

Gute Laune ist Trumpf: Florian Neuschwander am Einstieg in den Saar-Hunsrück-Steig mit Arbeits- und Laufkollegin Miriam Engel. TV-Foto: Rainer Neubert

Trier/Neunkirchen. Einmal mit einem Vizeweltmeister laufen ... In Trier ist das relativ einfach möglich. Denn Florian Neuschwander, der schnellste Langstreckenläufer weit und breit, freut sich immer über Begleitung. Und dennoch ist der Lauf an diesem Tag etwas Besonderes: Flo will zum ersten Mal in seinem Leben 100 Kilometer am Stück schaffen - auf dem Saar-Hunsrück-Steig.
100 Kilometer von Trier bis in seinen Geburtsort Neunkirchen. Insgesamt 2494 Höhenmeter bergauf und 2352 Meter bergab. Angepeilte Durchschnittsgeschwindigkeit 5:00 Minuten pro Kilometer.
Dumm ist nur, dass sich gleich zu Beginn des Abenteuers Anstieg an Anstieg reiht. So mache ich mich also um kurz nach 8 Uhr auf zum Treffpunkt am Reiterhof Trimmelter Berg. Da beginnt offiziell der Saar-Hunsrück-Steig.
Es ist kalt. Das Gras am Wegesrand ist mit Reif überzogen. Wieder einmal hängt der Nebel wie eine Glocke über dem Tal. Aber das muss ja nicht so bleiben, denn oft genug scheint oberhalb von Tarforst die Sonne, während die tiefer gelegene Stadt noch vom Nebel verhüllt ist.
Aber dann kommt schon ein in gelb gekleideter Läufer leichten Schrittes den Berg herauf. Eine dunkle Gestalt begleitet ihn. Es ist Miriam Engel, eine der flottesten Marathonläuferinnen der Region. Gemeinsam mit ihrem Arbeitskollegen bilden die beiden für 20 Kilometer das schnellste Runners-Point-Team der Welt.
Ein freudiges Hallo. Miri nutzt die kleine Pause, in der Flo in der Botanik verschwindet, um wieder zu Atem zu kommen. Dann geht es auch schon weiter - als Trio. "Ich musste bei dem 50er in Rodgau auch ständig", sprudelt der Vizeweltmeister los. Er habe schon seit fünf Jahren vor, 100 Kilometer zu laufen. Angst habe er gehabt, dass eine Erkältung das wieder scheitern lassen würde, und und und ... Sein Unterhaltungsdrang ist kaum zu stoppen.
Eine mystische Stimmung


Ein Stück durch den Wald und dann über die Wiese hinüber nach Filsch. "Den Weg kannte ich gar nicht", sagt Flo und freut sich über die mystische Stimmung, die hier herrscht, wenn sich die Sonne langsam gegen den Nebel durchsetzt. "Einfach geil!"
Das höre ich nun öfter. Flo erzählt derweil, dass er nach dem 100er wirklich einmal drei Wochen Pause machen will. "Ich mache Urlaub in Australien. Nur einen Wettkampf habe ich geplant." Ein "geiles Ding", 22 Kilometer durch den Dschungel steil bergauf. So ist Flo Neuschwander.
Als wir Tarforst erreichen, wo es steil wird, versuche ich optimistisch zu klingen: "Jetzt musst du zur Not ein wenig auf uns warten." Ich bin hier mit meinen Lauffreunden häufig unterwegs. Aber der Heimvorteil nutzt mir heute nichts. Aber ich habe eine Verbündete: die Sonne! Sie verzaubert die Landschaft. "Mach mal ein Foto", fordert mich Flo auf und gibt mir seine Kamera. "Noch nicht", trumpfe ich auf, "Da vorne, in der Biegung, da ist ein - keuch - viel besserer Punkt, um zu fotografieren."
Während ich dann auch wieder versuche, meinen Puls in einigermaßen normale Bereiche zu senken, erfahre ich noch mehr von Flo. Dass er in diesem Jahr drei Ziele hat: einen heftigen 88-Kilometer-Lauf in Annecy in den französischen Alpen. Das wichtigste Projekt sei aber der Transvulcania am 14. Mai. Außerdem stehe dann noch der Ultratrail du Mont Blanc an. "Nichts für Normalsterbliche", denke ich und höre mir auch die Geschichte vom Berlin-Marathon an, als Flo das halbe Rennen neben der britischen Langstreckenläuferin Paula Radcliffe herflitzte.
"Einfach geil!" Immer wieder. Bis wir den "Gipfel" des Hügels über Trier erreicht haben. "Jetzt müssen wir wieder runter in den Nebel", sagt Flo, als ich mich an dem Abzweig verabschiede, der ins Ruwertal führt. "Tschüss, viel Spaß noch!" Dann ist er weg. 5:30 Minuten pro Kilometer war das Tempo auf unseren sechs Kilometern. Flo Neuschwander wird sieben Stunden später in Neunkirchen ankommen. 45 Sekunden bleibt er unter der Acht-Stunden-Marke. Einfach geil!

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