Eine bedrohte Spielklasse

Düsseldorf · In den Fußball-Regionalligen wächst der Unmut. Traditionsclubs kämpfen gegen die Zahlungsunfähigkeit.

Eine bedrohte Spielklasse
Foto: Bernd Wüstneck (g_sport

Sie könnten inzwischen eine eigene Liga stellen - und die wäre prominent besetzt: Rund zwei Dutzend Fußballvereine haben in den vergangenen Jahren Insolvenz angemeldet. Mit Alemannia Aachen erwischte es zuletzt zum zweiten Mal einen Verein, der 2007 noch in der Bundesliga spielte. Und das Ende des Trends ist noch lange nicht in Sicht. Vor allem die Regionalliga ist für viele offenbar kaum finanzierbar.

"Bis auf die U-23-Vertretungen und zwei oder drei anderen Vereinen in der Liga droht allen Clubs permanent die Pleite - man hält meist nur irgendwie den Kopf über Wasser", sagte Hajo Sommers. Nach Meinung des Präsidenten des viertklassigen Ex-Bundesligisten Rot-Weiß Oberhausen sei der Deutsche Fußball-Bund schuld: "Die Tendenz zeichnet sich ab, dass die erste und zweite Liga zählt, darunter entwickeln sich die Ligen zu Opfern, die bei den Ansprüchen kaum noch überleben können."

Viele Regionalligisten befinden sich in einem Dilemma: Viertliga-Fußball an der Schwelle zum Profitum erfordert recht beträchtliche Ausgaben, die Einnahmemöglichkeiten durch Sponsoring, Medienvermarktung und Zuschauer halten sich aber in Grenzen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch Eintracht Trier. Der Schuldenstand der Moselclubs beträgt nach Angaben aus dem Dezember 1,15 Millionen Euro.

Mit Kickers Offenbach, Rot-Weiss Essen, dem Wuppertaler SV, dem SSV Ulm oder dem FC Homburg haben neben Aachen mehrere frühere Erstliga-Vereine, die aktuell in der Regionalliga spielen, bereits schon mal Zahlungsunfähigkeit angemeldet. Daneben stehen auch Eintracht Trier (1999), der VfB Lübeck, Rot-Weiss Ahlen, der Bonner SC oder der erste deutsche Meister VfB Leipzig (inzwischen wieder 1. FC Lok Leipzig) auf dieser Liste. Aus der 3. Liga hat gerade der VfR Aalen Insolvenz angemeldet.

Den Zweitliga-Absteigern FSV Frankfurt und SC Paderborn, die gegen den nächsten Abstieg in die Regionalliga kämpfen, droht das Schreckens-Szenario ebenfalls.

Dabei zieht die Insolvenz statt des Zwangsabstiegs heute nur noch den Abzug von neun Punkten nach sich (siehe auch nebenstehende Meldung). Doch für manche ist es eine Frage der Ehre. "Seit drei Spielzeiten gibt es eine Unterdeckung des Etats, die immer wieder nur durch privates Engagement von Gönnern geschlossen werden konnte. Die Leute können und wollen wir nicht immer wieder beknien", sagte Vorstand Gerhard Bettermann von West-Regionalligist Sportfreunde Siegen: "Man muss ehrlich sein und den Tatsachen ins Auge sehen - Siegen kann sich die Regionalliga nicht leisten."

Auch beim umgekehrten Weg machen sich die Vereine Gedanken. Beim Ex-Zweitligisten Röchling Völklingen ist man unsicher, ob man den Aufstieg in die Regionalliga antreten würde. "Über die sportliche Wertigkeit muss man nicht reden. Doch dem stehen wirtschaftliche Risiken gegenüber", sagte Präsident Michael Arnold: "Was da verlangt wird, ist vergleichbar mit den Anforderungen in einem Konzern. Und das sollen ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter nach Feierabend erledigen."

Der Tabellenführer der Oberliga Hessen, SC Hessen Dreieich, hat bereits angekündigt, dass er auf einen Aufstieg in die Regionalliga Südwest verzichten will. Er hat sich nicht um eine Lizenz beworben.

Doch während Siegen oder Völklingen abwägen, rennen andere Vereine mit vollem Risiko ins Verderben. Sie leisten sich nach Abstiegen völlig überteuerte Kader, um den sofortigen Wiederaufstieg vermeintlich zu garantieren und wagen finanzielle Kraftakte, um endlich die kaum zu refinanzierende Regionalliga zu verlassen. Oder sie überheben sich, wie Aachen, mit erstligareifen Stadien.

Selbst schuld, sagt deshalb Franz Wunderlich, Sportvorstand der 2010 insolventen Viktoria aus Köln, die nach Neugründung in die 3. Liga drängt. "Man muss eben seine Hausaufgaben machen. Ich habe auch ein Unternehmen mit 200 Leuten und muss dafür sorgen, dass die Firma läuft. So ist es auch bei einem Fußballverein."

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