Eine neue Zeitrechnung auf der Nordschleife

Nürburgring · Sinnvolle Maßnahmen mit Tiefgang, nur eine Übergangslösung oder gar hektischer Aktionismus? Nach den durch den tödlichen Unfall vom 28. März ausgelösten vorläufigen Restriktionen für die nächsten Langstrecken-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife hat sich der TV bei Top-Piloten der Region umgehört.

Nürburgring. Am kommenden Sonntag findet auf dem Ring das Qualifikationsrennen zum 24-Stunden-Rennen statt. Es ist die große Heerschau des Langstreckensports, die Generalprobe vor der Premiere. Eine sechsstündige Auslese, bei der auf der Strecke zwischen Tafelwein und Jahrgangs-Schampus gesiebt wird. Aber es wird kein Lauf wie so viele davor sein. Es wird das erste Rennen nach dem tödlichen Unfall vom 28. März und das erste Rennen nach den Vorgaben des am Dienstag verabschiedeten Sicherheitskatalogs sein. Es wird eine neue Zeit einläuten.
Bei den regionalen Toppiloten stoßen die Maßnahmen auf Reaktionen, die zwischen Zustimmung, Zweifel und Unverständnis schwanken. Was alle drei vom TV gehörten Piloten, die zu den absoluten Kennern der Nordschleife gehören, eint, ist die Auffassung, dass der Schutz der Zuschauer ganz oben auf die Agenda der Maßnahmen gehört. So sagt der frühere FIA-GT1-Vizeweltmeister, der Bitburger Thomas Mutsch, der seit Jahren an das Bewegen leistungsstärkster Fahrzeuge verschiedenster Marken auf der Nordschleife gewöhnt ist: "Die Sperrung nicht sicherer Zuschauerbereiche ist eine sehr gute Entscheidung. Die Einführung von Tempolimits auf der Nordschleife, die weltweit als anspruchsvollste Rennstrecke der Welt gilt, ist der falsche Weg und wirft Fragen auf."
McLaren-Pilot Rudi Adams (Ahütte), als Dompteur eines der Top-GT3-Fahrzeuge Meister im Beherrschen solcher Boliden im Grenzbereich, sagt: "Die Maßnahmen zum Zuschauerschutz sind okay. Alles andere sehe ich mit gemischten Gefühlen." In das gleiche Horn bläst auch Phillip Leisen (Irrel), BMW-affiner Nordschleifen-Absolvent in vielen kritischen Rennsituationen: "Das Sperren von Zuschauerbereichen ist richtig. Wenn die Kontrollen aber weiter so schlecht sind wie bisher, bringt das nichts. Das hätte schon viel früher geschehen müssen."
Die Restriktionen an Fahrer, Ingenieure und Teams dagegen lässt die besten Rundstreckenpiloten der Region am Sinn und Zweck des Rundstreckensports zweifeln. So argumentiert Mutsch: "Ist ein Tempolimit mit dem Sport vereinbar? Werden wir zukünftig 500-PS-Boliden sehen, die mit 40 Prozent Ihrer Leistung auf der Geraden entlangrollen?". Es bleibe zu hoffen, dass "nach diesem Schnellschuss wieder mit Weitsicht die richtige Lösung" gesucht werde.
Leisen lässt zudem Zweifel an der Einhaltung der Vorgaben aufkommen: "Ein Tempolimit geht meiner Meinung nach überhaupt nicht. Zu allem Überfluss soll es von einem System überwacht werden, dass bereits jetzt Lücken ohne Ende aufweist." Adams Schlusswort trifft wohl den Kern: "Eine Rennstrecke ist dafür da, schnellstmöglich umrundet zu werden. Aber warten wir ab, was passiert. Ich denke, es wird nicht so bleiben."

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