Weil sich uns die EM mit ihren Fans hier in Bordeaux komplett friedlich und freundschaftlich zeigte. Da waren bunte, walisische Fans, die zu Hunderten vor englischen Pubs in der Altstadt standen, Bier tranken und sich mit Fan-Songs selbst feierten. Ohne Aggression. Die Polizei schaute aus der Ferne zu.

Auch die österreichischen Fans reisten eher mit Papa und Mama zum Spiel. Ein sehr gemischtes Publikum, das sich tagsüber noch bei einem gepflegten Glas Bordeaux eine gegrillte Dorade reingezogen hat, bevor es dann singend zum Stadion ging. Im Stadion hat jedes Land für das Aufwärmprogramm einen eigenen Einpeitscher. Der Österreicher stimmte dann über die Stadionbeschallung "I am from Austria" von Reinhard Fendrich an, sehr stimmungsvoll. Genutzt hat es der Mannschaft aber irgendwie nichts.

Nur bei den Ungarn waren ein paar schwarzgekleidete hooliganartige Gestalten im Fanblock, die sich mit Pyrotechnik und Leuchtmunition bemerkbar machten. Aber es gab keine Schlägereien. Mein Team und ich sind selbst noch nirgendwo reingeraten, aber das könnte sich noch ändern. Bei Wales gegen Russland am kommenden Montag könnte es unangenehm werden, wenn die Waliser englische Unterstützung bekommen. Aus dem bislang für uns friedlich erscheinenden Wales-Fan kann dann auch schnell ein wütender Schläger werden, wenn er von russischen Hooligans angegriffen wird.

Da muss man wachsam sein und sich gut überlegen, wann und wo man mit einer Kamera draufhält. Das Alkoholverbot im Stadion ist nett gemeint, aber wie wir wissen, kamen die russischen Hooligans gar nicht, um sich mit Alkohol auf Krawalle vorzubereiten, sondern als durchtrainierte, konzentrierte Kampfsportler. Sehr unangenehm. Die Sicherheitskontrollen sind hier in Bordeaux nicht schärfer als bei anderen Spielen in Deutschland, beispielsweise in der Bundesliga.

Alles freundlich und gar nicht so scharf, wie ich es erwartet hätte. Nur die Tatsache, dass in einer Sitzreihe vor einem mitunter schon mal zehn Staatsschützer sitzen, die in ihrem Hosenbund eine Waffe tragen, lässt einen manchmal stutzen. In solchen Momenten wird man wieder daran erinnert, wachsam zu bleiben. In Paris und Marseille führen zudem Streiks zu Problemen. Da muss man als Reporter schonmal drei Stunden früher als gewöhnlich zum Stadion aufbrechen, damit man zum Anpfiff da ist. Und auf dem Weg dorthin läuft man Slalom um die Mülltonnen, die mal wieder nicht geleert wurden.

Sven Voss stammt aus Daun und arbeitet als Sportjournalist für das ZDF. Der 39-Jährige moderiert unter anderem das Aktuelle Sportstudio und berichtet derzeit für das ZDF von der EM aus Frankreich. In der täglichen TV-Experten-Kolumne schreiben Klaus Toppmöller, Paul Linz, Philipp Wollscheid, Jeff Strasser, Sven Voss, Herbert Fandel und Edgar Schmitt abwechselnd über die EM 2016. Hier geht es zu allen Beiträgen.