Ex-Gerolsteiner-Manager immer noch bei Tour gefragt

Troyes · Was Hans-Michael Holczer heute macht.

Troyes (jüb) Eigentlich schien sich auch in diesem Jahr nichts geändert zu haben im Vergleich zu den Ritualen, die vor etwas mehr als zehn Jahren gang und gäbe waren. Wenn man mit Hans-Michael Holczer (TV-Foto: Jürgen C. Braun) vor dem Start zu einer Tour de France oder während deren Verlauf im Kollegenkreis zusammensaß, dann kam Handfestes dabei heraus. Und das, obwohl der einstige Eigner und sportliche Leiter des Teams Gerolsteiner mittlerweile nur noch eine Randfigur im großen Spiel Tour de France ist.
Nach seinen Funktionen beim Eifeler Rennstall, dem Intermezzo als General Manager 2012 bei Katusha, ist er jetzt für den Auto-Hersteller Skoda, einen der Hauptsponsoren der Tour, als Aushängeschild unterwegs. Mit mittlerweile 63 Jahren ist er immer noch voller Tatendrang. Holczer, der unermüdliche Kämpfer gegen das Doping im Radsport, und das skandalumwitterte russische Katusha-Team, das ist zwar mittlerweile Geschichte, aber er sagt immer noch: "Die sind bestrebt, das Image vom rein russischen Team, hinter dessen Vorhänge man nicht schauen kann, loszuwerden." Katusha habe sich schon damals internationalisieren wollen. "Ich hatte", so erzählt Holzcer, "mit Thorsten Schmidt ja auch einen Deutschen als sportlichen Leiter mitgebracht. Den Wechsel von Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin vom belgischen Etixx-Team muss man auch unter diesen Prämissen sehen".
Der einstige Lehrer für Sport und Geschichte war als Seiteneinsteiger eine der schillerndsten Figuren im Radsport Mitte des vergangenen Jahrzehnts gewesen. Neben dem Bonner Magenta strahlte das Hellblau aus der Eifel weltweit. Sie waren wer, die Gerolsteiner. Die Erfolge, und damit der Bekanntheitsgrad des Unternehmens, sprudelten nur so. Holczer, eloquent, aber schwäbisch-bodenständig, war begehrter Interview-Partner eines rollenden Markenzeichens, das er als zweite Kraft neben dem übermächtigen Team Telekom installierte. Mit Attributen wie echt, sympathisch, volksnah, und dennoch erfolgreich.
Das schnelle Ende ist bekannt. Nach den Dopingfällen um seine Fahrer Stefan Schumacher und Bernhard Kohl gab Holczer Im Jahr 2008 seinen Rücktritt bekannt. Der Gerolsteiner Brunnen beendete sein Engagement ebenfalls.
Das kurze, aber medial anrührende Märchen vom kleinen Sprudel-Fabrikanten aus der Eifel, der dem Weltkonzern vom Rhein ebenbürtig war, ist längst vorbei. Aber Hans-Michael Holczer ist immer noch da. Und ist gefragt wie eh und je. Trotz Weltklasse bei Sprintern (Kittel, Greipel), Klassikern (Degenkolb) oder im Zeitfahren (Martin) sieht er 20 Jahre nach dem Gesamtsieg Jan Ullrichs keinen Nachfolger für den Mann aus Rostock. "Bei uns gehen keine Talente verloren. Es gibt sie nicht. Ullrich war ein Ausnahmetalent. Nur mit Pillen und Spritzen gewinnt man keine Tour."
An Holczer scheiden sich auch fast zehn Jahre nach dem Ende des Team Gerolsteiner immer noch die Geister. Wie etwa beim Eifeler Johannes Fröhlinger. Im Betrugsprozess gegen Schumacher 2013 sagte dieser, er habe in Holczer stets "eine Galionsfigur im Kampf gegen Doping", gesehen. Die Frage, ob es eine teaminterne Antidoping-Aufklärung bei Gerolsteiner gegeben habe, beantwortete allerdings auch er damals mit "Nein".

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