Fifa la Korruption

Berlin/St Petersburg · Millionenzahlungen auf Konten von Kindern und Lustreisen: Wie ein Bericht dem Fußball-Weltverband zu schaffen macht.

 Geht so Transparenz? Fifa-Boss Gianni Infantino. Foto: dpa

Geht so Transparenz? Fifa-Boss Gianni Infantino. Foto: dpa

Foto: Tony Vece (g_sport


Berlin/St. Petersburg (dpa) Nach mehrstündigen Beratungen und Dauertelefonaten zwischen Zürich und St. Petersburg hat die Fifa eine radikale Trendwende vollzogen und den Garcia-Bericht zur WM-Skandalvergabe an Russland und Katar veröffentlicht. Der Fußball-Weltverband reagierte mit diesem überraschenden Manöver auf das erstmalige Durchsickern von Details des Reports in einer deutschen Zeitung am Montagabend. "Im Sinne der Transparenz begrüßt die Fifa die Neuigkeit, dass dieser Bericht nun endlich veröffentlicht wurde", hieß es einer Pressemitteilung. Damit solle "die Verbreitung irreführender Informationen" verhindert werden.
Mitten in der heißen Phase der russischen WM-Generalprobe hatten die Fifa die Schatten ihrer Vergangenheit eingeholt - und wieder geriet besonders Katar durch massive Anschuldigungen ins Zwielicht. Mit der erstmaligen Veröffentlichung von Details aus dem bislang seit 2014 streng vertraulichen Garcia-Report durch die Zeitung wurden Ermittlungen um die Skandal-Vergabe der WM-Turniere 2018 und 2022 publik.
Die Fifa trat der Darstellung entgegen, sie hätte die Dokumente gerne geheimgehalten. Im Gegenteil: Fifa-Präsident Gianni Infantino habe die Veröffentlichung "bereits in der Vergangenheit verschiedentlich verlangt und wurde seit seiner Sitzung im Mai 2016 in Mexiko-Stadt auch vom Fifa-Rat unterstützt", hieß es in der Mitteilung. Zu Sündenböcken für das lange Schweigen wurden die ehemaligen Spitzen der Fifa-Ethikkommission Hans-Joachim Eckert und Cornel Borbely erklärt. Eckert hatte immer persönlichkeitsrechtliche Bedenken geäußert.
Infantino musste vor seiner Rückkehr nach Russland zu den Halbfinal-Spielen des Confed Cups zwischen Deutschland und Mexiko sowie Portugal und Chile registrieren, dass die Altlasten der Blatter-Ära auch seiner Präsidentschaft einen Makel verpassen könnten. Vielleicht ging er auch deshalb nun in die Offensive. Für seinen mehrfach postulierten moralischen Neuanfang im Weltfußball komme die Debatte um Russland und Katar jedenfalls ungelegen.
Eines schien allerdings schon vor der Publikation durch die Fifa klar: Russland und Katar müssen als international dauerhaft umstrittene WM-Gastgeber wohl erst einmal keine Angst vor brandneuen Erkenntnissen oder gar erdrückenden Beweisen für Korruption und Bestechung haben. Forderungen nach einer WM-Neuvergabe haben vorerst wenig Aussicht auf Erfolg.
Hier ruhen die Hoffnungen der Kritiker weiter auf den laufenden Ermittlungen der Schweizer Justiz, die unter anderem mehrere Dutzend Verdachtsfälle auf Geldwäsche untersucht. Allerdings: Mit einem Abschluss der Ermittlungen in Bern ist wohl erst zu rechnen, wenn zumindest die WM in Russland längst gespielt ist. Schwarz auf weiß lesen sich die Erkenntnisse des US-Top-Juristen Michael Garcia aus den Jahren 2012 bis 2014 wie ein erschreckendes Sittengemälde und gewähren Einblick in die Abgründe der Fußball-Welt in der Ära von Fifa-Ex-Chef Joseph Blatter, in die auch das mittlerweile vom eigenen Vergabe-Skandal betroffene deutsche WM-Sommermärchen fiel.
So schrieb Garcia in seinem Untersuchungsbericht unter anderem von aus Katar bezahlten Lustreisen von Fußball-Funktionären nach Rio de Janeiro, Millionenzahlungen auf ein Konto der damals 10 Jahre alten Tochter eines Fifa-Wahlmannes und einem E-Mail-Verkehr mit Danksagung für den Erhalt von sechsstelligen Zahlungen aus dem Emirat. Einige dieser Vorwürfe sind nicht neu, waren vielfach auch schon vorher publik geworden und wurden von den WM-Machern am Arabischen Golf immer dementiert. Dass sie auch Garcia in seinem Report festhielt, geben ihnen aber nun einen offiziellen Anstrich. Russland wurde in dem Zeitungsbericht noch nicht erwähnt. Zu Chefermittler Garcia hatte der kommende WM-Gastgeber eine schwierige Beziehung. Dem Juristen wurde die Einreise verweigert, da die Russen ihn für die umstrittene Inhaftierung des Waffenhändlers Viktor Bout in den USA mitverantwortlich machten.

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