Große Gefühle, aber auch Kritik

Baden-Baden · Emotionen pur zum Abschluss des olympischen Sportjahrs 2014. Bei der Gala zu Deutschlands "Sportlern des Jahres" hallte das Feuerwerk der Gefühle schon zehn Tage vor dem Jahreswechsel mit Macht durch das Schwarzwälder Bilder-Epos Baden-Baden. Kritik gab es für die Harting-Wahl.

 Wenn die Scheinwerfer ausgeschaltet sind: Ein gemeinsamer Toast zu später Stunde der beiden „Sportler des Jahres“, Maria Höfl-Riesch und Robert Harting. TV-Foto: Jürgen C. Braun

Wenn die Scheinwerfer ausgeschaltet sind: Ein gemeinsamer Toast zu später Stunde der beiden „Sportler des Jahres“, Maria Höfl-Riesch und Robert Harting. TV-Foto: Jürgen C. Braun

Baden-Baden. Sehr viel später erst, die Lichterkegel im großen Saal waren längst gedämpfter Illuminierung gewichen, fand Robert Harting im kleinen Kreis zu mentaler Sammlung. Die festliche Anzughose bedeckte statt der dicken Oberschenkel des Europameisters eine Stuhllehne. Das mächtige Bein hatte, vom feinen Zwirn befreit, auf einem Tisch in den Produktionsräumen der ISK Platz gefunden. Und das operierte linke Knie mit dem gerissenen Kreuzband lag unter einem mächtigen, kühlenden Eisbeutel.
Der Riese war entspannt, aber angeschlagen. Und das nicht nur körperlich. Was vor allem der älteren Dame zuzuschreiben war, die voller Stolz und mit einem fast spitzbübischen Grinsen auf dem Gesicht neben ihm saß und genussvoll an ihrem Sekt nippte. "Mensch Oma, mit Dir macht man was mit." Stolz und Bewunderung für Oma Renate klang aus den Worten des "Sportlers des Jahres 2014", die als Überraschungsgast bei der Auszeichnung ihres "kleinen Enkels" zuvor auf der ZDF-Bühne für einen ebenso überwältigenden wie bewegenden Auftritt gesorgt hatte. Tagelang hatten es die Veranstalter, die Internationale Sportkorrespondenz (ISK) und das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), auch vor dem "kleinen Enkel" geheimhalten können, dass die Großmutter, die ihren Robert nach der OP mit Süßigkeiten am Krankenbett versorgt hatte, ein Teil des Abends werden sollte.
Harting als Titelträger bei den Männern, Ski-Königin Maria Höfl-Riesch als "Sportlerin des Jahres" und die deutschen Fußballweltmeister als "Mannschaft des Jahres" waren zuvor bei der 105-minütigen Fernsehaufzeichnung mit den Moderatoren Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne mit vielen bewegten Bildern eines grandiosen Sportjahres ausgezeichnet worden. 3,44 Millionen hatten sich am Sonntagabend vor den Bildschirmen versammelt, als Cerne seine Kollegin festlich gewandet ins "Theater der großen Gefühle" unter den Scheinwerfern geführt hatte. Nirgendwo sonst ist es möglich, alle aktuellen deutschen Olympiasieger in diesem Rahmen gemeinsam zu vereinen. Von den vielen, die die olympischen Lorbeeren schon vor Jahren und Jahrzehnten errungen haben oder bei Welt- und Europameisterschaften zu Ehren gekommen waren, ganz zu schweigen.
Während Harting die dritte Auszeichnung in Folge fast demütig zur Kenntnis nahm (siehe Extra), hatte die getretene Ski-Königin Höfl-Riesch den zweiten Titel nach 2010 mit getrübten Gefühlen entgegengenommen. "Es ist eine tolle Wertschätzung für mich, aber ich bin auch sehr traurig. Kurz zuvor habe ich erfahren, dass mit Udo Jürgens ein Freund meines Mannes und mir verstorben ist. Er war vor zwei Wochen beim Geburtstag meines Mannes unser Gast. Pumperlg\'sund, wie wir Bayern sagen. Ihm widme ich diesen Titel heute auch."
Auch Fußballnationaltrainer Joachim Löw fand persönliche Worte für ein Fest, "bei dem ich ja schon oft zu Gast gewesen bin". Dass es außer Christoph Kramer keiner der Weltmeister ins Kurhaus geschafft hatte, schrieb Löw auch "dem letzten Bundesliga-Spieltag im Jahr und der Reha einiger Verletzter" zu.
Irgendwann zur späteren Stunde hatte sich Löw - ganz Südbadener - in eine Nische der großen Festmeile mit IOC-Präsident und Ex-Fechter Thomas Bach sowie DOSB-Chef Alfons Hörmann zu einem Gläschen schwäbischen Schnaps zurückgezogen. Die Fußballweltmeister wurden als bestes Team 2014 geehrt. jüb
Extra

Robert Harting war seine dritte Auszeichnung zum "Sportler des Jahres" selbst unangenehm, und von der ebenfalls gekürten Maria Höfl-Riesch gab es gar deutliche Kritik. Ungeachtet des festlichen Ambientes im Kurhaus von Baden-Baden wurde die Sportlergala am Sonntagabend von unüberhörbaren Misstönen begleitet. "Wenn man bei den Herren schaut, finde ich es eher bedenklich, dass ein Europameister aus dem Sommer anscheinend mehr wert ist als ein Olympiasieger aus dem Winter. Vor allem, weil er es ja jetzt zum dritten Mal in Folge war", monierte die Alpin-Ikone. Man müsse die Wahl akzeptieren. "Aber für den Wintersport eigentlich sehr traurig, und ein bisschen ein Armutszeugnis", ergänzte die frühere Skirennfahrerin. dpa

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